Die Bundesregierung stärkt die Finanzaufsicht, um Anleger besser vor Reinfällen zu schützen. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) soll künftig bei Missständen eher eingreifen und den Vertrieb von Geldanlageangeboten untersagen können. Außerdem gilt für Vermögensanlagen künftig eine Mindestlaufzeit von zwei Jahren und eine Kündigungsfrist von einem Jahr. Einen Rundumschutz gegen unseriöse Finanzmarkt-Anbieter kann das neue Gesetz aber nicht bieten.
Grauer Kapitalmarkt soll besser beaufsichtigt werden
Die Pleite von Prokon Regenerative Energien im Januar 2014 hat Politiker aufgeschreckt. Der Windkraftspezialist hatte in U-Bahnen und Postwurfsendungen für seine riskanten Vermögensanlagen geworben und sie als sicher und renditestark dargestellt. Daraufhin investierten 75 000 Anleger mehr als 1 Milliarde Euro. Selbst als Zweifel am Geschäftsmodell aufkamen, konnte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) nicht eingreifen. Das soll sich ändern: Das Bundeskabinett hat am 12. November 2014 das Kleinanlegerschutzgesetz beschlossen. „Wir weiten die strikten Regeln zum Anlegerschutz auf weitere Produkte aus, verbieten irreführende Werbung und geben der Aufsicht neue Rechte“, kündigte Finanzminister Wolfgang Schäuble an.
Gesetz soll ab Mitte 2015 Regelungslücken schließen
Das Parlament muss noch über das Kleinanlegerschutzgesetz abstimmen. Mitte 2015 soll es in Kraft treten. Ziel ist es, einige Regelungslücken zu schließen. Das Gesetz wird aber nicht verhindern, dass unvorteilhafte Angebote auf den Markt kommen.
Aufsichtsbehörde darf bei Missständen eher eingreifen
Die Bafin bekommt mehr Möglichkeiten, bei Missständen einzugreifen. Die Behörde kann den Vertrieb von Geldanlageangeboten untersagen. Hat sie Hinweise, dass ein Anbieter seine Finanzen falsch darstellt, darf sie Wirtschaftsprüfer schicken. Ein Schneeballsystem, das nur funktioniert, solange immer wieder neue Anleger Geld einzahlen, lässt sich dadurch schneller enttarnen – aber vermutlich oft nicht schnell genug, um Anleger rechtzeitig zu warnen. Denn Abzocker haben unter Umständen schon viele Millionen Euro eingesammelt, bis die Bafin genügend Hinweise gefunden hat. Außerdem kann sie zwar eingreifen, sie muss es oft aber nicht. Immerhin macht der Gesetzgeber den Verbraucherschutz nun zum Ziel der Aufsicht. Verbraucherschützer fordern das seit langem, denn bislang musste sich die Bafin nur darum kümmern, dass der Finanzmarkt gut funktioniert. Allerdings wird die Bafin nur dem allgemeinen Verbraucherschutz verpflichtet. Einzelnen Anlegern hilft sie weiterhin nicht in rechtlichen Auseinandersetzungen mit Anbietern.
Anleger müssen sich mindestens zwei Jahre lang binden
Für Vermögensanlagen gilt künftig eine Mindestlaufzeit von zwei Jahren und eine Kündigungsfrist von einem Jahr. Das soll verhindern, dass Anbieter wie Prokon Kunden mit kurzen Kündigungsfristen locken, obwohl sie selbst das Geld lang- und mittelfristig investieren.
Ausführliche Prospekte werden für fast alle Geldanlagen Pflicht
Anbieter müssen künftig zu fast allen Geldanlageprodukten ausführliche, nach festen Regeln verfasste Verkaufsprospekte veröffentlichen und die Dokumente aktuell halten. Das ist ein Fortschritt, weil Anleger sich nun ein Bild machen können, ob ein Unternehmen wohl das Geld zurückzahlen kann, wenn sie ihm einen Kredit geben. Einige Gesellschaften speisten die Darlehensgeber bislang mit so dürren Informationen ab, dass selbst Fachleute auf dieser Grundlage die Finanzkraft nicht einschätzen konnten. Dabei sind die Geldanlagen in Darlehen besonders riskant: Die Anleger müssen im Insolvenzfall hinter vorrangigen Gläubigern zurückstehen (Nachrangdarlehen). In solchen Fällen ist oft nichts für sie übrig. Zum Teil hängt die Höhe der Zahlungen an die Anleger darüber hinaus vom Erfolg des Unternehmens ab (partiarische Darlehen).
Ausnahmen für Crowdfunding, soziale und gemeinnützige Projekte
Erleichterungen gelten für kleine Unternehmen, die sich über Internetplattformen für soziale oder gemeinnützige Zwecke bei einer breiten Öffentlichkeit Geld leihen (Crowdfunding). Für Anleger sind in diesen Fällen aber Höchstanlagegrenzen vorgesehen. Das soll sie davor bewahren, zu viel Geld auf einzelne Projekte zu setzen, Special Crowdfunding: Wer im Internet wofür Geld einsammelt, Finanztest 11/2014.
Unser Rat
Fragen Sie bei Geldanlagen jenseits von Sparverträgen nach einem Verkaufsprospekt, den die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht gestattet hat. Vorsicht, wenn es keinen gibt. Anbieter könnten verstärkt hochriskante Nachrangdarlehen und partiarische Darlehen auf den Markt bringen, bevor die Prospektpflicht eingeführt wird.
-
- Wer prüft und bewertet, hat nicht nur Freunde. Seit Jahrzehnten versuchen dubiose Anbieter, Finanztest mundtot zu machen. Einige drohen mit rechtlichen Schritten, wenn...
-
- Geschädigte von gescheiterten Anlagemodellen verklagen immer wieder die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) auf Schadenersatz, weil diese ein...
-
- Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht hat am 23. Mai 2019 angeordnet, dass die Meridian Interstate Europe SL, Palma de Mallorca, ihr...
Diskutieren Sie mit
Nur registrierte Nutzer können Kommentare verfassen. Bitte melden Sie sich an. Individuelle Fragen richten Sie bitte an den Leserservice.
Nutzerkommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.
Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg in Person von Niels Nauhauser warnte in einem Interview in der Badischen Zeitung vom 17. 11.2014 www.badische-zeitung.de/wirtschaft-3/was-wir-aus-der-prokon-pleite-lernen-koennen--94789954.html vor Nachrangdarlehen um gleichzeitig Unternehmensanleihen das Wort zu reden, vor denen u.a. im Handelsblatt vom 7.8.2014 und 16.12.2014 gewarnt wird: www.handelsblatt.com/finanzen/boerse-maerkte/anleihen/ unternehmensanleihen-der-markt-wird-zum-flaschenhals/10294000.html. Dort ist sogar von einer sich entwickelnden Blase die Rede. Der Verbraucherschutz scheint hier eine sehr eigene Politik zu fahren!
Die Behauptung in Finanztest, dass „Anleger durch eine Prospektpflicht sich nun ein Bild machen können, ob ein Unternehmen wohl das Geld zurückzahlen kann“ ist schlichtweg falsch.
Ein Prospekt kostet zwischen 30.000 und 50.000 Euro.
Das ist in meinen Augen kein Verbraucherschutz. Das ist Abzocke!
Zitat BaFin: „Behalten Sie dabei immer im Hinterkopf, dass die BaFin einen Prospekt nicht daraufhin prüft, ob die Anlage werthaltig oder der Anbieter seriös und finanziell solide ist. Die Aufsicht prüft auch nicht, ob die Angaben im Prospekt inhaltlich richtig sind... Die Prospektprüfung ist kein Gütesiegel und keine Erlaubnis der Geschäftstätigkeit...“
aus: BaFin - Grauer Markt und schwarze Schafe (April 2014)
zu finden unter https://www.test.de/Neue-Broschuere-der-BaFin-Schwarze-Schafe-4703477-0/