
Perücken aus echtem Haar sind meist teurer als solche aus Kunsthaar. Sie sind aber angenehmer zu tragen, weil atmungsaktiver. © Getty Images / kirstyokeeffe
Gesetzliche Krankenkassen müssen oft für eine Perücke zahlen, wenn Versicherte krankheitsbedingt die Haare verlieren. Ob Anspruch auf eine Echthaarperücke besteht, hängt vom Einzelfall ab.
Haarausfall nach Chemotherapie
Eine Krankenkasse muss einer Versicherten die Kosten in Höhe von 1 200 Euro für eine Echthaarperücke erstatten. Nachdem die Frau an Brustkrebs erkrankt war und sich einer Chemotherapie unterzog, hatte sie einen vorübergehenden Haarausfall. Die Kasse wollte abzüglich des Eigenanteils für das Hilfsmittel nur Kosten von 385 Euro für Kunsthaar übernehmen. Damit war die Frau nicht einverstanden. Sie kaufte eine Echthaarperücke und zog vor das Sozialgericht Mannheim.
Beeinträchtigung der körperlichen Funktion
Die Richter gaben ihr recht: Die Klägerin sei wegen ihrer krankheitsbedingten Kahlköpfigkeit in ihrer körperlichen Funktion beeinträchtigt. Die Krankheit habe eine entstellende Wirkung. Nur eine Echthaarperücke weise eine Qualität auf, die den Verlust des natürlichen Haupthaares für unbefangene Beobachtende nicht sogleich erkennen lasse (Az. S 7 KR 1830/18).
Atmungsaktiver als Kunsthaar
In einem ähnlichen Fall musste eine Kasse 1 290 Euro für eine Echthaarperücke übernehmen, unter anderem, weil Kunsthaar nicht atmungsaktiv ist. Die Betroffene litt an einer chronischen Hauterkrankung mit zunehmendem Haarausfall (Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Az. L 4 KR 50/16).
Jährlich Anspruch auf Echthaarperücke
Frauen, die unter vollständigem Haarausfall leiden, haben sogar jährlich Anspruch auf eine Echthaarperücke, wie das Sozialgericht Koblenz in einem anderen Fall schon vor Längerem entschied: Krankenkassen müssen die Kosten übernehmen (Az. S 9 KR 756/ 15, S 9 KR 920/16).
Kein Anspruch auf Langhaar-Perücke
Eine Frau, die an Haarausfall an Stirn und Schläfen litt, klagte auf eine Echthaar-Langhaar-Perücke (1 500 Euro). Sie wollte gern lange Haare tragen wie vor dem Haarverlust, die Kasse wollte nur eine Echthaar-Kurzhaarperücke (905 Euro) zahlen. Das Bayerische Landessozialgericht (Az. L 4 KR 108/19) gab der Kasse Recht. Die Perücke solle die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen, dies sei durch eine Kurzhaarperücke gewährleistet. Betroffene hätten keinen Anspruch auf eine spezielle Haarfarbe oder Frisur, wenn dies mit Mehrkosten verbunden sei.
Keine Perücke für älteren Mann
Verliert ein Mann seine Haare natürlicherweise, ist das dagegen weder eine Krankheit noch eine Behinderung. Deshalb muss seine gesetzliche Krankenkasse ihm auch keine Perücke bezahlen. Das hatte das Bundessozialgericht schon 2015 im Fall eines über 70-Jährigen entschieden. Der Versicherte hatte gegen seine Kasse geklagt und verloren.
Kostenübernahme vor allem bei jungen Männern
Das Gericht wies darauf hin, dass die Krankenkasse eine Perücke als Hilfsmittel vor allem bei jungen Männern nur dann übernehmen müsse, wenn der Haarverlust auch Brauen, Wimpern und Bartwuchs umfasse. Jugendliche und junge Erwachsene könnten so Aufsehen erregen und stigmatisiert werden (Az. B 3 KR 3/14 R).
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Diese Meldung ist am 12. August 2020 auf test.de erschienen. Sie wurde am 20. April 2021 aktualisiert.
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