
Peter Grieble leitet die Abteilung Versicherungen, Pflege und Gesundheit. © Wolfram Scheible
Peter Grieble ist Versicherungsexperte bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Er rät Eltern, ihre Kinder für den Fall der Invalidität abzusichern, auch wenn es nur wenige Angebote gibt.
Testergebnisse für 11 Policen für Kinderinvalidität 04/2020
Wie wichtig ist die Kinderinvaliditätsversicherung?
Für Familien mit Kindern ist diese Absicherung so existenziell wie eine Berufsunfähigkeitsversicherung für Erwachsene. Können Kinder nicht arbeiten, sind sie im Vergleich zu Erwachsenen, die wegen Invalidität keinen Beruf mehr ausüben können, viel länger davon betroffen. Die Versicherung sichert das Einkommen der nächsten Jahrzehnte zumindest teilweise.
Ist das Risiko einer Invalidität nicht eher klein?
Wenn man sich bei der Wahl einer Versicherung von Wahrscheinlichkeiten leiten lässt, führt das auf den Holzweg. Die Haftpflichtversicherung schließt man beispielsweise ab, um existenzgefährdende Schäden nicht selbst tragen zu müssen. Aber diese hohen Schadensummen sind vergleichsweise selten. Im Fall der Kinderinvaliditätsversicherung geht es immer um sehr viel Geld. Und leider ist das Risiko hier auch nicht gering. Laut Statistischem Bundesamt sind in Deutschland über 180 000 Kinder und Jugendliche invalide, die wenigsten davon von Geburt an.
Wieso ist die Versicherung weder besonders bekannt noch verbreitet?
Dafür gibt es viele Gründe. Zum einen ist es eine vergleichsweise junge Sparte, zum anderen verkauft manch ein Vertrieb lieber die Unfallversicherung, die einfacher zu erklären ist. Dass Kinder schwer erkranken oder einen Unfall erleiden könnten, ist ein emotionales Thema, das Eltern lieber verdrängen, statt eine solche Versicherung abzuschließen. Außerdem gibt es bisher leider nur ein geringes gesellschaftliches Bewusstsein für dieses Risiko und keine gesetzliche Rente.
Was sagen Sie dazu, dass einige Versicherer dieses Produkt wieder vom Markt genommen haben?
Ich finde, das war eine kurzsichtige Entscheidung. Statt solch eine wichtige Sparte voreilig vom Markt zu nehmen, ist längerer Atem gefragt. Wenn es sein muss, wäre es besser, die Beiträge maßvoll anzuheben.
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@Eddy_22: Der Tarif KISS der Barmenia leistet beim Eintritt einer Invalidität nach Unfall oder Krankheit.
Mit der Auszahlung aus einer Unfallversicherung kann man die Umbaukosten für die Wohnung / des Hauses bezahlen, wenn eine Anpassung notwendig werden sollte.
Für den Lebensunterhalt ist die Monatsrente, im Beispielsfall 1000 €, gedacht.
Sollten wir für den Nachwuchs, zusätzlich zur KISS-Police der Barmenia, eine separate Unfallversicherung abschließen?
@Drambuie: Eine Unfallversicherung bietet nur einen eingeschränkten Schutz. Laut Veröffentlichungen der Verbraucherzentralen sind 1 % aller Invaliditätsfälle unfallbedingt, 99 % krankheitsbedingt. Der Wechsel in eine andere Invaliditätsversicherung sollte daher idealerweise in die Berufsunfähigkeitsversicherung erfolgen. Aber noch nicht im Alter von 7 bis 12. In Ihrem Tarif erhalten Ihre Kinder im Invaliditätsfall eine sechsstellige einmalige Kapitaleistung und zusätzlich eine monatliche Rente in Höhe von 1000 Euro, unabhängig davon, ob die Invalidtität unfall- oder krankheitsbedingt eintritt. Eine Unfallversicherung kann aufgrund der sehr hohen Kapitalleistung im Versicherungsfall, eine sinnvolle Ergänzung sein für alle, die sich den Zusatzschutz leisten möchten. Sie kann aber in keinem Fall die Kinderinvaliditäts-, und die Berufsunfähigkeitsversicherung ersetzen.
Wir haben für unsere Kinder ab dem 1. Geburtstag eine gute, aber mit 46 Euro monatlich teure KISS-Kinderinvaliditätsversicherung der Barmenia (mit 1,5% Dynamik) abgeschlossen.
Jetzt ist ein Kind 7 Jahre alt, das andere 12.
Meine Vermutung ist, dass eine Invalidität durch Erkrankung mit zunehmendem Alter seltener wird, da die meisten Erkrankungen bis zum Grundschulalter festgestellt werden. Ich erwäge deshalb den Wechsel zu einer Unfallversicherung, auch um die monatlichen Kosten zu senken.
Trifft meine Vermutung zu? Ab wann ist es dann vertretbar/sinnvoll, zu einer Unfallversicherung zu wechseln?
Natürlich hängt das immer auch vom individuellen Budget und Sicherheitsbedürfnis ab, aber gibt es einen Zeitpunkt, zu dem statistisch Erkrankungen als Invaliditätsgrund deutlich abnehmen?
@Andre2609: Sie können nicht davon ausgehen, dass eine Berufsunfähigkeitsversicherung beim Abschluss im Alter von 10 Jahren den gleichen Schutz bietet, wie eine gute Kinderinvaliditätsversicherung. Wir raten zwar zum frühen Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung, solange noch keine Vorerkrankungen vorliegen. Aber für 10-jährige gehört die Berufsunfähigkeitsversicherung nicht zum Grundschutz. (Auch die Kinderinvaliditätsversicherung gehört nicht zum notwenigen Grundschutz eines Kindes.)
Wichtig: Eltern sollten auf jeden Fall zuerst auf die eigene Absicherung achten. Tritt bei ihnen eine Berufsunfähigkeit ein, hat das natürlich auch finanzielle Auswirkungen auf die gesamte Familie. Für Eltern gehört die Risikolebensversicherung und die Berufsunfähigkeitsversicherung zum Grundschutz.