Eine Tür schließt sich, eine andere geht auf. Zwar fallen Kindergeld, Kinderfreibetrag und Ausbildungsfreibetrag weg – und allein schon das Kindergeld für ein Kind beträgt 2 388 Euro im Jahr 2019. Doch mit Wegfall dieser kindbezogenen Leistungen können Eltern eine andere Steuervergünstigung für sich nutzen: Wer finanziell für hilfsbedürftige erwachsene Angehörige einsteht, zahlt weniger Steuern.
Außergewöhnliche Belastungen
Das gilt für Eltern, die ihre älteren Kinder absichern, bis sie finanziell auf eigenen Füßen stehen, genauso wie für den Sohn, der die Pflegeheimkosten für den Vater übernimmt, und die Tochter, die ihrer trennungstraumatisierten Mutter Kost und Logis bietet. Sie alle können ihre Aufwendungen als „außergewöhnliche Belastungen“ absetzen (siehe „Unser Rat“).
Über 10 000 Euro steuerlich absetzen
Die Grenze, bis zu der das Finanzamt außergewöhnliche Belastungen anerkennt, liegt im Jahr 2019 bei 9 168 Euro. Über diesen Höchstbetrag hinaus können Eltern noch Ausgaben für Kranken- und Pflegeversicherung für ihr Kind steuerlich geltend machen. Insgesamt sind es so mehr als 10 000 Euro, die sich jährlich für Eltern steuersparend auswirken können. Wir wollten wissen, was das für Eltern finanziell bedeutet. Stellen sie sich eventuell sogar besser?
Wer mehr verdient, wird stärker entlastet
Die kurze Antwort: Vor allem Eltern mit höherem Einkommen, die ihren Kindern finanziell stark unter die Arme greifen, können Kindergeld und Freibeträge steuerlich leicht kompensieren. Zu diesen gehört Olaf Jahn. Wir haben überschlagen: Die Steuererleichterung für ihn wird voraussichtlich mehr als 3 500 Euro betragen und damit Kindergeldzahlung und bisherige Freibeträge locker um 1 100 Euro übertreffen. Das ist fast genug, um auch die zusätzlichen Kosten durch die Krankenversicherung für den Sohn von rund 1 170 Euro auszugleichen.
Eltern mit niedrigen Einkommen müssen ein Minus einplanen
Für Eltern mit niedrigen bis mittleren Einkommen sind Kindergeld und Familienversicherung dagegen teils deutlich günstiger. Sie müssen rechtzeitig ein größeres Minus im Familienbudget einplanen. Zwei Beispiele für unterschiedliche Einkommen:
Bruttoverdienst 60 000 Euro
Die Ehepaare A und B haben jeweils ein Kind, das auswärts studiert und das sie finanziell mit 700 Euro im Monat unterstützen. Sie haben ein mittleres Einkommen. Die Ehepartner verdienen 2019 jeweils 30 000 Euro.
Kind 24 Jahre. Das Kind von Ehepaar A wird im Jahr 2019 erst 24 Jahre alt. Es ist über die Krankenkasse der Mutter familienversichert. Die Eltern bekommen Kindergeld in Höhe von 2 388 Euro, zusätzlich erkennt das Finanzamt den Ausbildungsfreibetrag an. Vom Kinderfreibetrag profitiert die Familie nicht. Dafür ist ihr Bruttoverdienst zu niedrig. Sie zahlen 7 102 Euro an Einkommensteuern und Solidaritätszuschlag im Jahr.
Kind 25 Jahre. Das Kind von Ehepaar B war zu Beginn des Jahres schon 25 Jahre alt. Die Eltern erhalten kein Kindergeld und keinen Ausbildungsfreibetrag, können den Unterhalt von 700 Euro monatlich aber von der Steuer absetzen. Sie geben 97 Euro im Monat für die Krankenversicherung aus, die sie ebenfalls absetzen. Insgesamt zahlen sie 4 743 Euro an Einkommensteuern und Solidaritätszuschlag.
Fast 1 200 Euro weniger. Ehepaar B zahlt 2 359 Euro weniger an Einkommensteuern und Solidaritätszuschlag als Ehepaar A. Zieht man von seiner Steuerersparnis Kindergeld und Krankenkassenbeiträge ab, bleiben 2019 Ehepaar B 1 193 Euro weniger als Ehepaar A.
Bruttoverdienst 100 000 Euro
Es gelten die gleichen Bedingungen wie oben. Der Unterschied: Die Ehepaare C und D gehören zu den Besserverdienenden. Beide Ehepartner verdienen jeweils 50 000 Euro.
Kind 24 Jahre. Ehepaar C profitiert aufgrund des höheren Einkommens vom Kinderfreibetrag. 2019 fallen 18 057 Euro Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag an.
Kind 25 Jahre. Ehepaar D setzt Unterhalt und Krankenversicherung für ihr Kind ab und zahlt 15 308 Euro an Einkommensteuern und Solidaritätszuschlag.
Fast 800 Euro weniger. Ehepaar D zahlt damit 2 749 Euro weniger an Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag für das Jahr 2019 als Familie C. Zieht man von ihrer Steuerersparnis Kindergeld und Krankenversicherungsbeiträge ab, bleiben 803 Euro weniger im jährlichen Budget als bei Familie C.
Kleineres Minus. Das Minus von Ehepaar D mit dem höheren Einkommen fällt nach Wegfall von Kindergeld und anderen Leistungen rund 400 Euro geringer aus als das von Ehepaar B mit dem niedrigeren Einkommen.
Eltern müssen Zahlungen belegen
Neben Geld für Lebenshaltung und Miete erkennt das Finanzamt andere Ausgaben als Unterhalt an, etwa für Strom, Krankenversicherung oder Fahrtkosten. Wichtig: Eltern müssen die Zahlungen belegen – anhand von Überweisungen an Kind, Stromversorger und Krankenkasse oder, im Fall der Fahrtkosten, indem sie die Fahrkarten über ihr Girokonto kaufen. Die Fünfziger, die sie hier und da mal beim Besuch zustecken, zählen nicht.
Bei Nesthockern gilt Höchstbetrag
Anderes gilt, wenn das Kind noch zu Hause lebt. Eltern sind dann – was die Steuer angeht – fein raus. Sie müssen ihre Aufwendungen für das Kind dem Finanzamt nicht einzeln nachweisen. Hier gilt immer der Höchstbetrag. Wäre das bei Familie D der Fall, läge ihre Steuerersparnis noch einmal um gut 270 Euro höher. Damit hätte sie wie Vater Jahn dann fast auch die zusätzlichen Krankenversicherungskosten wieder raus.
Kinder dürfen nur wenig verdienen
Wichtige Voraussetzung, dass das Finanzamt den Unterhalt überhaupt als außergewöhnliche finanzielle Belastung anerkennt: Das Kind selbst darf nicht zu viel eigenes Geld haben. Rabea Sahr überschreitet die Grenze. Die 25-Jährige studiert Luft- und Raumfahrttechnik an der Technischen Universität in Berlin und arbeitet derzeit als Werkstudentin in einem Gasturbinenwerk bei Siemens. Sie ist stolz auf das Geld, das sie verdient – immerhin 1 000 Euro brutto im Monat. Trotzdem übernehmen ihre Eltern erst einmal weiterhin die Miete für ihre Wohnung.
Höchstens 15 500 Euro Vermögen
„Uns wird es wohl nichts bringen, die Kosten für die Miete in der Steuererklärung einzutragen“, sagt Rabeas Mutter Romilda Ritter-Sahr. Übersteigen die eigenen Einkünfte des Kindes 624 Euro im Jahr, rechnet das Finanzamt diese an. Da sie bei Tochter Rabea über 9 168 Euro im Jahr liegen – dem Betrag, den Eltern höchstens steuerlich absetzen können –, ist für Ritter-Sahr beim Finanzamt nichts zu holen. Das Gleiche gilt, wenn das Vermögen des Kindes mehr als 15 500 Euro beträgt. „Der Wegfall des Kindergelds trifft uns schon“, sagt Ritter-Sahr. „Aber immerhin verdient Rabea genug, um ihren Kühlschrank jetzt selbst zu füllen.“
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@AndrH: Unterhaltsleistungen, die an gesetzlich unterhaltsberechtigte Personen wie zum Beispiel die erwachsenen Kinder, gehen, können vom ersten Euro an abgesetzt werden. Einen Eigenanteil wie beim Absetzen anderer außergewöhnlicher Belastungen muss hier nicht getragen werden.
Das hört sich alles sehr schön an. Mir fehlt in dem Beitrag aber ein Hinweis auf die "zumutbare Belastung" nach § 33 Einkommensteuer-Gesetz. Diese fällt bei mittleren und höheren Einkommen oft dermaßen hoch aus, dass sie die steuerliche Absetzbarkeit der Unterhaltsleistungen für Kinder über 25 Jahren erheblich schmälern oder auch "auffressen". Oder ist bei Kinder-Unterhalt keine zumutbare Belastung abzuziehen?
@HelenaMeier: Dies ist nicht der Ort für eine individuelle Steuerrechtsberatung. Sollte Ihr Finanzamt den Ansatz des Ausbildungsfreibetrages nicht anerkennen, empfehlen wir, Einspruch einzulegen und abzuwarten, wie das Finanzamt seine Entscheidung begründet.
Allgemein können wir sagen, dass für ein schwerbehindertes Kind von über 25 Jahren die gleichen Voraussetzungen zum Erhalt von Kindergeld gelten wie für den Ansatz des Ausbildungsfreibetrages. Das ergibt sich aus § 62 Abs. 1 Satz 2 EstG in Verbindung mit § 32 Abs. 4 EstG. § 32 EstG regelt für welche Kinder es welche Freibeträge gibt.
§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 bestimmt, dass als Kind im Sinne der Vorschrift auch ein Kind gilt, das wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Voraussetzung ist, dass die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist. Danach gibt es den Ausbildungsfreibetrag für alle schwerbehinderten Kinder, unabhängig, ob sie über oder unter 25 Jahre alt sind. (maa)
Für meinen Sohn, 26 Jahre alt, beziehe ich noch Kindergeld, da er mehrere Jahre krankheitsbedingt vor dem 24.Lebensjahr sein Studium unterbrochen hatte.
Die Kindergeldkasse prüft jährlich und das Kindergeld wird weitergezahlt, da mein Sohn noch studiert.
Kann ich hier auch weiterhin den Ausbildungsfreibetrag steuerlich als Mutter geltend machen - oder endet dieser in jedem Fall unabhängig vom Kindergeldbezug/der Schwerbehinderung mit Vollendung des 25. Lebensjahres?
Danke für eine qualifizierte Antwort - idealerweise mit Angabe der Rechtsgrundlage - im Voraus!
Helena Meier
@stku: Fällt das Kindergeld innerhalb des Jahres 2020 weg, können Eltern für die restlichen Monate des Jahres Unterhalt in Höhe von 784 € monatlich (zuzüglich der Basisbeiträge für Kranken- und Pflegeversicherung) als außergewöhnliche Belastung absetzten. Für 2021 liegt der Höchstbetrag bei 812 Euro monatlich, bzw. bei 9744 Euro für das gesamte Jahr.
Es kommt ausnahmsweise nicht darauf an, wer die Krankenversicherungsbeiträge bezahlt hat. Eltern können in ihrer Steuererklärung auch Beiträge angeben, die vom Kind bezahlt wurden. Wichtig: In der Steuererklärung des Sohnes dürfen die Beiträge nicht zusätzlich auftauchen. (maa)