
Die jungen Hausbewohner machen Lärm, die anderen beschweren sich. Am Ende sind alle Seiten genervt, aber die Kinder meist im Recht. Lachen, weinen, schreien – alle kindlichen Gefühlsregungen sind erlaubt. Auch kindliches Musizieren muss der Nachbar hinnehmen. Allerdings kann das Recht auf Hausmusik eingeschränkt werden. Die Mietrechtsexperten der Stiftung Warentest erklären, was erlaubt ist – und was nicht.
Kinderlärm und Trotzanfälle gehören dazu
Kinder dürfen laut sein. Eine gute Nachricht für die Eltern, eine schlechte für die lärmgeplagten Nachbarn: Kinder dürfen laut sein. Lachen, weinen, schreien – alle kindlichen Gefühlsregungen sind erlaubt. Auch die Trotzanfälle eines Zweijährigen mit Sich-zu-Boden-Werfen und Heulen und die nächtlichen Eskapaden von Kleinkindern und Babys, die nach Mami, Papi oder dem Milchfläschchen rufen. Nachbarn können sich im Regelfall nicht dagegen wehren, ebenso wenig wie die Eltern selbst.
Trampeln ist normal. „Wenn Kinder spielen und laut sind, gehört das noch zum vertragsgemäßen Gebrauch der Mietwohnung“, erklärt Ulrich Ropertz, Geschäftsführer des Deutschen Mieterbundes in Berlin. „Nachbarn müssen das hinnehmen und können nicht etwa die Miete mindern.“ Zum vertragsgemäßen Gebrauch der Wohnung gehört es auch, dass Kinder rennen und fest auftreten – das Landgericht Berlin sieht darin sogar die „normale Fortbewegungsart“ von Kleinkindern. Fahrten mit dem Bobbycar sind genauso erlaubt wie Spaziergänge von kleinen Puppenmüttern mit ihren Kinderwagen.
Nachtruhe beachten. Aber natürlich sind dem bunten Treiben auch Grenzen gesetzt. Kein Nachbar muss es zum Beispiel hinnehmen, dass die Kinder drinnen Fußball oder Tennis spielen, dass sie wie Superman vom Hochbett segeln oder gegen die Heizung klopfen. Außerdem müssen sich die Kinder an Ruhezeiten halten. Zwischen 22 und 6 Uhr gilt Nachtruhe. Deshalb müssen aber nicht sämtliche Fernseher und Stereoanlagen abgeschaltet werden. Nachtruhe bedeutet: Die Mieter müssen Zimmerlautstärke einhalten. Kleinkinder und Babys, die nachts weinen oder schreien, sind von dieser Regel natürlich ausgenommen. „Manchmal regeln Hausordnungen, dass es eine Mittagsruhe zwischen 13 und 15 Uhr gibt“, sagt Ropertz. „Bei solchen Vorschriften ist fraglich, ob sie überhaupt Teil des Mietvertrages sind. Nur dann müssen sie eingehalten werden.“
Wie viel Krach zu viel ist
Nachbarn müssen Kinderlärm nicht grenzenlos hinnehmen. Kommt es ständig zu Ruhestörungen durch Geschrei, Herumtrampeln und Seilspringen in der Wohnung, werden immer wieder Türen laut zugeworfen, Gegenstände fallengelassen oder wird rhythmisch auf den Boden geschlagen, ist das zu viel. Das Amtsgericht München gab einer Eigentümergemeinschaft recht im Verfahren gegen eine Familie, deren vier und sieben Jahre alten Kinder noch weit nach 20 Uhr Krach machten. Der Lärm ging weit über das hinaus, was bei Kindern üblich ist, so das Gericht. Die Eigentümer hatten mehrfach versucht, über eine Lärmreduzierung zu reden. Dann führten sie ein Lärmprotokoll. Darin stand: Auch die Eltern waren laut, hörten nachts Musik und schrien sich lauthals an. Falls die Familie keine Ruhe gibt, muss sie ein Ordnungsgeld zahlen (Az. 281 C 17481/16).
Je verständiger, desto leiser. Je verständiger ein Kind wird, umso mehr müssen die Eltern dafür sorgen, dass sich der Lärmpegel in Grenzen hält. Das gilt zum Beispiel für Jugendliche, die mit ihrer Lieblingsmusik nicht die Nachbarn beschallen sollten.
Rücksicht nehmen. Auch wenn die Eltern mit ihren lärmenden Kindern im Recht sind: Oft meckern die Nachbarn trotzdem. Und das möchten sich die meisten Eltern am liebsten ersparen. Viele ermahnen ihren Nachwuchs ja schon von sich aus zur Ruhe. Für den lärmgeplagten Nachbarn, der immer wieder vor der Tür steht, fehlen dann die Nerven. „Gegenseitige Rücksichtnahme ist oberstes Gebot“, sagt Ropertz. „In Mietshäusern gilt für alle: So wenig Lärm wie möglich machen.“ Nachbarn sollten versuchen, sich ein dickeres Fell wachsen zu lassen. Und Eltern sollten immer wieder auf die Nachbarn zugehen – auch wenn es schwerfällt.
Beschreibung genügt
Wenn Kinderlärm in einem Wohnhaus über längere Zeit immer wieder die Grenzen des Zumutbaren überschreitet, müssen beeinträchtigte Mieter keine detaillierten Lärmprotokolle vorlegen, um einen Anspruch auf Mietminderung zu dokumentieren. Dem Bundesgerichtshof genügt dann „grundsätzlich eine Beschreibung, aus der sich ergibt, um welche Art von Beeinträchtigungen es geht und zu welchen Tageszeiten, über welche Zeitdauer und in welcher Frequenz diese ungefähr auftreten.“ Er hob ein Urteil des Landgerichts Berlin auf, weil es die Argumente einer Mieterin nicht ausreichend berücksichtigt habe (Az. VIII ZR 226/16). Sie hatte die Miete um die Hälfte gemindert. Das Amtsgericht Berlin-Mitte und das Landgericht als Berufungsinstanz hatten ihr das verwehrt. Ob sie die Miete mindern durfte, muss nun eine andere Kammer des Landgerichts Berlin entscheiden.
Tipp: Welche Rechte und Pflichten Mieter und Vermieter haben, beantworten wir in unseren FAQ Mietrecht.
Nachbarn müssen Hausmusik erdulden
Hausmusik ist erlaubt. Nicht nur Eltern bekommen eine Gänsehaut, wenn der Nachwuchs mit der Flöte fiept oder die Geige quietschen lässt. Nachbarn sind davon mindestens ebenso betroffen – und können sich kaum zur Wehr setzen. „Hausmusik ist grundsätzlich erlaubt“, sagt Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund. Und: Das Mietrecht macht kaum einen Unterschied zwischen einer Piccoloflöte und einem Schlagzeug. Das Instrument darf frei gewählt werden, kein Mieter braucht grünes Licht vom Nachbarn.
Einschränkungen sind möglich. Vom Instrument hängt aber ab, wie lange Musikbegeisterte üben dürfen. „Schlagzeuger sind da klar im Nachteil“, sagt Ropertz. Für leisere Instrumente gelten anderthalb bis zwei Stunden täglichen Übens als Richtwert, an Wochenenden sollte weniger gespielt werden. Allerdings kann das Recht auf Hausmusik eingeschränkt werden: zum Beispiel vom Vermieter im Mietvertrag und von Gerichten, wenn der Nachbar geklagt hat. Mietverträge und Gerichte dürfen das Musizieren aber nicht gänzlich verbieten.
Mit den Nachbarn abstimmen. Selbst wenn die musikalische Darbietung zu wünschen übrig lässt, haben Nachbarn keine rechtliche Handhabe, um die Hausmusik untersagen zu lassen. „Es spielt keine Rolle, ob Stümper oder Künstler am Werk sind“, sagt Ropertz. „Aber natürlich ist es für Nachbarn angenehmer, wenn sich eine Melodie ergibt. Tonleitern rauf und runter zu spielen, ist eine echte Geduldsprobe.“ Deshalb gilt: Musizierende Mieter sollten ihre Übungszeiten am besten mit den Nachbarn abstimmen. Außerdem gilt die Nachtruhe von 22 bis 6 Uhr.
Kinderwagen im Hausflur – in der Regel erlaubt
Achtung Stolperfalle. Für die Familie aus dem dritten Stock praktisch, für Hausreinigung, Müllabfuhr und manchmal auch für Nachbarn ein Ärgernis: der Kinderwagen im Treppenhaus. Das Recht ist auch hier wieder auf der Seite der Mieter mit Kind. Sie dürfen ihren Kinderwagen im Treppenhaus abstellen, wenn es ihnen nicht zuzumuten ist, das Gefährt bis in die Wohnung zu schleppen. Wohnen die Mieter nicht im Erdgeschoss, ist das in der Regel der Fall. „Etwas anderes gilt, wenn es einen Aufzug gibt, der die Mieter mühelos mit Wagen bis in ihr Stockwerk bringt“, erläutert Ropertz.
Fluchtweg freihalten. Um den Kinderwagen im Hausflur abstellen zu dürfen, sollte der Flur allerdings nicht zu eng sein. Denn falls es einmal brennt, muss der Fluchtweg jedem Hausbewohner offenstehen. Stellen Vermieter oder Hausverwaltung einen Abstellplatz für Kinderwagen zur Verfügung, müssen die Mieter diesen nutzen.
Pauschale Verbote unwirksam. Manchmal regeln Vermieter per Hausordnung, dass Wagen nicht im Treppenhaus oder Hausflur abgestellt werden dürfen. Solche pauschalen Verbote sind unwirksam.
Zweimal gehen. Anderes gilt für Tretroller, Fahrräder und sonstige Fortbewegungsmittel. „Natürlich ist es praktisch, den gesamten Fuhrpark von Kindern und Eltern außerhalb der eigenen Wohnung im Erdgeschoss abzustellen. Erlaubt ist das aber nicht“, sagt Ropertz. Die Mieter müssen ihre Sachen entweder im Keller, beim Fahrradstellplatz oder in der Wohnung unterbringen. „Wenn Mieter die Roller der Kinder dabeihaben und nicht alles auf einmal zur Wohnung schleppen können, müssen sie eben zweimal gehen.“
Dieses Special ist erstmals am 19. September 2017 auf test.de erschienen. Es wurde seitdem mehrfach aktualisiert, zuletzt am 14. Mai 2018.