Kenn­zeichnung von Lebens­mitteln Etiketten­schwindel

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Falsche Auslobungen und dreiste Werbung täuschen Verbraucher über die wahre Qualität von Lebens­mitteln. Für jedes vierte Etikett gab es in unseren Tests seit 2008 deutliche Kritik.

Die Kenn­zeichnung eines Lebens­mittels ist sein Pass. Falscher Name, fremdes Foto, erschlichener Titel – beim Menschen wäre das Urkunden­fälschung. Bei Lebens­mitteln ist es Verbraucher­täuschung. Wenn zum Beispiel auf einer Eis­packung Vanille­eis steht und das Bild von Vanilleschoten prangt, dann sollte das Eis auch tatsäch­lich Vanille enthalten.

Kenn­zeichnung von Lebens­mitteln - Etiketten­schwindel

© Stiftung Warentest

Doch Fehl­anzeige. Bei unserem Test deckten wir bei 8 von 22 Produkten Vanille-Fälschungen auf (Vanilleeis-Test aus test 6/09). So wurde etwa mit synthetischem Vanillin nachgeholfen. Die Folgen: mangelhaft für Aroma, Deklaration und Gesamt­urteil.

Das Vanille­eis ist ein drastisches Beispiel dafür, wie die Kenn­zeichnung Verbraucher über die wahre Qualität von Lebens­mitteln täuschen kann. Die Stiftung Warentest entlarvt solche Verstöße in fast jedem Test. Für eine Bilanz haben wir die Urteile für die Lebens­mittel­kenn­zeichnung von 30 Tests der Jahre 2008 bis 2010 ausgewertet: 205 der 749 Produkte im Test waren nur ausreichend oder sogar mangelhaft deklariert. Nur ein Prozent, meist natürliche Mineralwässer, kam hier auf Sehr gut. Oft führte unsere Kritik dazu, dass Anbieter ihre Produkte verbesserten und manchmal die amtliche Lebens­mittel­kontrolle eingriff. Davon profitiert der Verbraucher.

Verbraucher können sich beschweren

Doch nicht nur unsere Tests offen­baren falsch und nach­lässig gekenn­zeichnete Lebens­mittel. Auch Nach­richten über „Analogkäse“ mit Pflanzen­fett sowie Lachs- und Nuss­schinken aus Klebe­fleisch haben das Vertrauen der Verbraucher erschüttert.

Ab Früh­jahr will Verbraucher­schutz­ministerin Ilse Aigner ihnen eine Platt­form bieten. Konzipiert und moderiert vom Verbraucherzentrale Bundes­verband und der Verbraucherzentrale Hessen soll dann das Internetportal „www.lebens­mittel­klarheit.de“ starten. Dort können sich Verbraucher beschweren, wenn sie sich von Produkten getäuscht fühlen. Vertreter der Industrie bezeichneten das Portal als „Pranger“.

Wichtig: Genauer Blick aufs Etikett

Mitunter reicht es schon, das Zutaten­verzeichnis zu lesen, um Täuschungen zu erkennen. So priesen die Hersteller auf vielen Smoothies im Test hoch­wertige Früchte im Namen oder auf Bildern an, im Zutaten­verzeichnis rangierten diese Zutaten aber an hinterer Stelle. Dort, so ist es Vorschrift, muss der Anbieter alle Zutaten absteigend nach ihren Gewichts­anteilen auflisten.

Auch bei tiefgekühltem Apfelrotkohl lohnt es sich, aufs Zutaten­verzeichnis zu sehen. Im Test enthielten zwei von sieben Produkten nicht die 10 Prozent Apfel­bestand­teile, die die Leitsätze für Gemüse­erzeug­nisse erwarten lassen (Rotkohl-Test aus test 12/09).

Viele Verstöße erst im Labor entlarvt

Meist offen­baren sich Kenn­zeichnungs­mängel aber erst im Labor. Da kam zum Beispiel beim Test von Räucherlachs ans Licht, dass es sich bei einem teuren „Wildlachs“ in Wirk­lich­keit um Zucht­lachs handelte (Lachs-Test aus test 1/10). Beim Test von Würz­ölen fielen zwei Öle höchst unangenehm auf, die originäres Trüffel- und Steinpilzaroma anpriesen. Ihr Aroma stammte nicht von den edlen Pilzen, sondern aus der Retorte (Würzöle-Test aus test 3/10). Solche Verstöße kann der Verbraucher selbst nicht aufdecken. Daher unter­suchen wir die Lebens­mittel umfang­reich und gründlich, bestimmen Inhalt, Zusammenset­zung, chemische und mikrobiologische Qualität sowie Echt­heit.

Minus­punkte für manche Werbung

Werbung darf nicht in die Irre führen. Was jedoch ist von zuckerreichen Kakao­getränkepul­vern zu halten, die als Kinder­produkte aufgemacht sind, sich mit Nähr­stoff­versprechen aber den Anschein gesunder Lebens­mittel geben? Wir haben neun solcher Kakao­getränkepulver im Test abge­wertet.

Kritisch sehen wir es auch, wenn mit Selbst­verständlich­keiten geworben wird. Ein als „vegetarisch“ und „glutenfrei“ gerühmtes Rapsöl etwa bietet nur vordergründig Vorteile gegen­über der Konkurrenz. Denn alle Pflanzenöle sind so beschaffen (Rapsöle-Test aus test 11/09). Und wenn auf Kartoffel­kloß­pulvern und Tiefkühl­knödeln „ohne Geschmacks­verstärker“ oder „ohne Konservierungs­stoffe“ steht, ist auch das nichts Besonderes: Im Test standen sie bei vergleich­baren Produkten in keinem Zutaten­verzeichnis (Kartoffelklöße-Test aus test 11/10).

Zu kleine Schrift gefährdet Allergiker

Auch mikroskopisch klein gedruckte Zutaten­verzeich­nisse sind keine Lappalie. Allergiker oder Menschen mit Unver­träglich­keiten sind darauf angewiesen, für sie kritische Zutaten wie Milch, Nüsse oder Eier problemlos zu erkennen. Eine unleserliche Schrift ist aber auch ein Ärgernis für Gesunde. Wer auf natur­nahe Kost Wert legt, sollte etwa Zusatz­stoffe oder Aromen leicht entziffern können. Wenn Angaben schlecht zu finden oder zu lesen sind, vergeben wir Minus­punkte in der Deklaration.

Kenn­zeichnung im Umbruch

Der recht­liche Rahmen für die Lebens­mittel­kenn­zeichnung ist im Umbruch. So hat die EU Ende 2010 eine verpflichtende Nähr­wert­kenn­zeichnung beschlossen, damit Verbraucher Zuckerbomben und Fett­quellen besser erkennen können. Seit Juli 2010 müssen Lebens­mittel mit Azofarb­stoffen einen Warnhin­weis tragen, dass sie die Aufmerk­samkeit von Kindern beein­trächtigen können. Inzwischen sind auch gesund­heits­bezogene Aussagen (Health Claims) genehmigungs­pflichtig. Die Europäische Behörde für Lebens­mittel­sicherheit prüft dazu etwa 44 000 solcher Anträge. Etwa die Hälfte ist bereits bewertet, davon knapp 90 Prozent negativ – wie etwa die Aussage, der Immune Balance Drink akti­viere die körper­eigenen Abwehr­kräfte.

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