Unserer Redakteurin Eugénie Zobel-Kowalski wird erst die Geldbörse gestohlen, dann Bankkarte und Pin aus der Post geklaut und damit Geld abgehoben. Sozusagen analoges Phishing. Auf 6 000 Euro beläuft sich der Schaden. Wochen vergehen, ohne dass unsere Kollegin etwas Neues hört. Sie bangt, denn oft genug bleiben Karteninhaber auf ihrem Schaden sitzen. Dann meldet sich die Polizei – und kurz darauf die Berliner Volksbank.
Schock am Morgen
Ein Montagvormittag im Mai. Ich starte die Banking-App der Berliner Volksbank, um die Umsätze meines Girokontos zu checken. Wie an jedem Wochentag. Doch diesmal versetzt mir der Blick auf die Zahlen einen Schock: Über das Wochenende ist das Guthaben um mehr als 1 000 Euro geschrumpft. Das Smartphone zeigt zwei Buchungen an: 930 Euro und 140 Euro. Abgehoben an zwei Bankautomaten in Berlin. Nicht von mir.
Neue Karte, neue Geheimnummer
Knapp zwei Wochen vorher habe ich per Onlinebanking eine neue Karte für mein Girokonto bestellt, weil mir mein Portemonnaie im Bus gestohlen wurde. Der Versand der neuen Karte und der persönlichen Identifikationsnummer (Pin) sollte zeitversetzt und wenige Tage nach Bestellung erfolgen. Wann genau, stand dort nicht. Also hieß es warten. Doch nichts kam, weder Karte noch Pin.
Mehr als 6 000 Euro gestohlen
Nach dem Blick auf mein Konto rufe ich sofort den Kundenservice der Volksbank an. Während des Gesprächs ploppen weitere Abhebungen auf meinem Konto auf, erklärt mir der geschockte Mitarbeiter am Telefon. Mehr als 6 000 Euro wurden abgehoben. Der oder die Täter waren viel unterwegs – vor allem nachts. Die Route durch die Berliner Bezirke Neukölln, Mitte, Marzahn und Schöneberg lässt sich nachvollziehen. Freitagabend wurde das erste Mal Geld an einem Bankautomaten abgeholt, am Montagvormittag das letzte Mal. Danach wäre eh Schluss gewesen: Mein Dispositionskredit hat sein Limit erreicht.
Sofort sperren und Diebstahl anzeigen
Schnelles Handeln ist gefragt. Ohne Guthaben und Dispokredit kann nichts mehr vom Konto abgebucht werden. Lastschriften, etwa aus Handy- und Versicherungsverträgen, würden zurückgehen, erklärt der Mitarbeiter. Damit das nicht passiert, stockt die Volksbank meinen Dispo um einige Hundert Euro auf. Noch während des Telefongesprächs sperrt der Kundendienst meine Karte. Ich stelle online Strafanzeige bei der Internetwache der Polizei. Dafür muss ich ein Formular mit meinen Daten ausfüllen und Fragen zum Geschehen beantworten.
Auch ich stehe unter Verdacht
Für die Schadenmeldung bei der Bank muss ich schleunigst in meine Filiale. Dort kann ich allerdings nicht viel sagen: Ich hatte weder Karte noch Pin jemals in den Händen. Ob sie tatsächlich im Briefkasten gelandet sind, weiß ich nicht. Bei den Fragen, was ich an dem Wochenende gemacht habe und ob es dafür Zeugen gibt, bemerke ich, dass auch ich unter Verdacht stehe, mein Konto geräumt zu haben. Die Bankerin beruhigt mich aber: Sie kann zwar keine hundertprozentige Garantie geben, aber in der Regel bekommen Kunden ihr Geld wieder. Bei ihrem letzten Fall, einem Kreditkartendiebstahl, dauerte es zwei Wochen.
Der Täter weiß, wer ich bin
Langsam weicht der Schock einem Gefühl der Hilflosigkeit. Jemand hat über mein Konto und mein Geld verfügt – ohne mein Wissen und mein Einverständnis. Jemand hat sich meiner Daten bemächtigt: Der Täter könnte nun wissen, wo ich arbeite, wo ich einkaufe, wer mein Mobilfunkanbieter ist, wo ich versichert bin. Eine gruselige Vorstellung.
Was sagt die Schufa?
Ich erinnere mich an einen Artikel zum Identitätsdiebstahl, Finanztest 1/2017. Dabei greifen Unbefugte personenbezogene Daten ab und missbrauchen sie zum Beispiel für Warenbestellungen. Um zu überprüfen, ob jemand in meinem Namen etwas bestellt und ein Händler eine Bonitätsabfrage gestellt hat, bestelle ich einen Schufa-Auszug. Auskunfteien wie die Schufa sammeln Finanzdaten von Privatleuten. Der Auszug zeigt: Alles ist in Ordnung.
Ist der Börsendieb auch der Kartendieb?
Die Frage, wie es zum Diebstahl kommen konnte, lässt mir keine Ruhe. Wurden Karte und Pin aus dem Briefkasten gefischt? Wurden beide bereits auf dem Postweg abgegriffen? Oder steckt der Dieb meines Portemonnaies auch hinter dem Kartendiebstahl?
Mein Fall ist kein Einzelfall
Das Landeskriminalamt Berlin sagt mir, dass allein in Berlin jährlich Tausende von Karten und Pins auf dem Postweg verloren gehen. Ich recherchiere weiter und stoße im Internet auf Berichte zu ähnlichen Fällen. Im Jahr 2010 hat ein Berliner Postbote Briefe unterschlagen. Dabei nahm er Sendungen an sich, mit denen Banken und Sparkassen ihren Kunden EC- oder Kreditkarten zuschickten. Er merkte sich die Empfänger und wartete, bis Tage später mit gesonderter Post die dazugehörige Geheimnummer kam.
3 000 Euro erstattet
2012 fischten zwei Diebe in Hannover eine EC-Karte und die Pin aus dem Briefkasten eines Ehepaares. 3 000 Euro erbeuteten die Täter. Die Hannoversche Volksbank erstattete den Opfern schnell den verlorenen Betrag.
Nach zwei Wochen Brief der Bank
Von der Berliner Volksbank erhoffe ich mir eine ähnliche Reaktion. Doch weit gefehlt: Zwei Wochen nach dem Vorfall erhalte ich ein Schreiben der Verwaltung: „Da die beiden Medien (Karte und persönliche Geheimzahl Pin) seit einiger Zeit durch verschiedene Postdienstleister zeitversetzt zugestellt werden, liegt die Postverlustquote auf dem Transportweg bei null Prozent.“ Die Ursache für Verluste liege fast ausschließlich in der unberechtigten Zugriffsmöglichkeit zum Briefkasten. Ich soll nun mitteilen, wer außer mir einen Briefkastenschlüssel hat. Erstmals kommt mir der Gedanke, dass ich mein Geld vielleicht nicht wiedersehen werde.
Mangelnde Vorsicht wird unterstellt
Oft genug bleiben Karteninhaber auf ihrem Schaden sitzen. Nämlich dann, wenn sie belegen müssen, dass sie nicht unvorsichtig mit Karte und Pin umgegangen sind – und es nicht können. Doch wie kann ich grob fahrlässig gehandelt haben, so heißt das im Juristendeutsch, wenn weder das eine noch das andere je in meinem Besitz waren?
Wieso kommen Karte und Pin nicht per Einschreiben?
Banken tragen das sogenannte Versendungsrisiko. Können sie nicht nachweisen, dass Bankkarte und Pin angekommen sind, haften allein sie für alle Verluste, die entstehen, bevor der Kunde beides nachweislich in den Händen hat. Umso unverständlicher ist es, dass die meisten Banken Karten und Pin per Standardpost versenden anstatt etwa per Einschreiben mit Rückschein.
Videoaufnahmen bei der Polizei
Wochen vergehen, ohne dass ich etwas Neues höre. Mein Konto bleibt im Dispo, Sollzinsen werden abgebucht. Dann informiert mich die Polizei, dass sie Videoaufnahmen der Täter hat, die ich mir ansehen soll. Beim Termin im Landeskriminalamt kann ich den Ermittlern nicht weiterhelfen. Die zwei jungen Männer auf den Videos habe ich noch nie gesehen. Tage vergehen. Fast täglich rufe ich bei meiner Bank an. Ich will wissen, wie der Stand der Dinge ist und werde immer wieder vertröstet.
Plötzlich ist das Geld wieder da
Mehr als zwei Monate sind seit dem Diebstahl verstrichen. Wie jeden Tag prüfe ich mein Konto. Plötzlich ist das Geld wieder da. Als wäre nichts gewesen. Am nächsten Tag erhalte ich einen Brief: Die Berliner Volksbank erstattet alles. Natürlich brauche ich eine neue Karte. Ich bitte meine Beraterin ausdrücklich darum, Karte und Pin nun in die Filiale zu schicken. Das klappt nicht. Doch diesmal landet beides immerhin in meinem Briefkasten.
Unser Rat
- Briefe.
- Haben Sie eine neue Bankkarte bestellt, warten Sie nicht länger als eine Woche. Kommen weder Karte noch Pin an, fragen Sie bei Ihrer Bank nach.
- Verlust.
- Wurde Ihre Karte gestohlen, lassen Sie sie sofort sperren. Nutzen Sie den Kundenservice Ihrer Bank oder die kostenlose Sperrnummer 116 116. Zeigen Sie den Diebstahl bei der Polizei an. Heben Sie das Aktenzeichen auf.
- Erstattung.
- Haben Sie Karte und Pin nicht erhalten, muss die Bank nachweisen, dass Sie Ihnen zugegangen sind. Kann sie das nicht, haftet sie alleine für unberechtigte Abhebungen und muss erstatten. Haben Sie aber Karte und Pin bekommen, müssen Sie nachweisen, dass Sie nicht nachlässig mit den hochsensiblen Daten umgegangen sind. Das ist etwa der Fall, wenn Sie Pin und Karte im Portemonnaie aufbewahrt und so einem Nichtberechtigten den Zugriff ermöglicht haben.
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Kommentar vom Administrator gelöscht. Grund: Spam
Kommentar vom Administrator gelöscht. Grund: Spam
Mich würde da ja mal die Rechtslage interessieren:
(1) Der Bank wird die Karte auf dem Postweg geklaut. Warum muss der Kunde dann die Anzeige bei der Polizei machen, und nicht die Bank?
(2) Der Kontostand auf dem Girokonto zeigt mir die Schulden an, die die Bank bei mir hat. Wenn jemand mit einer (von der Bank) geklauten Karte beim Bankautomaten Geld abhebt, wird die Bank bestohlen, nicht der Kunde. Mit welchem Recht bucht die Bank dann Geld vom Girokonto des Kunden ab, und bucht es erst nach 1 oder 6 Monaten zurück?
Wenn mir jemand Geld klaut, kann ich mir es nicht einfach bei meinem Nachbarn wegnehmen, und ihm sagen, er solle erst einmal bei der Polizei eine Anzeige stellen.
Hier sollten die Verbraucherzentralen einmal ein Musterverfahren durchführen.
Kommentar vom Autor gelöscht.
... muss man wohl schon davon ausgehen, dass die Diebe damit rechnen, dass man eine neue Karte bestellt. Dann brauchen die Verbrecher sich nur auf die Lauer zu legen und auf die Postzustellung warten.
In so einem Fall, wenn den Dieben also die Adressdaten bekannt sind, sollte entweder neue Karte oder neue PIN (am besten beides) an die Bankfiliale gesendet werden. Oder (und bei Online-Banken unbedingt) an die Adresse einer Vertrauensperson bzw. wo möglich an die Büroadresse.
Einschreiben wäre auch möglich (für Bank immerhin kostengünstiger als Schadenserstattung), aber bei gestohlenem Ausweis wiederum mit Restrisiko verbunden...