Werden Bankkarte und Pin aus der Post gestohlen, haftet die Bank für Schäden. Doch den Ärger haben die Kunden. Das könnten Banken ändern. Bis zu 2 000 Karten im Jahr gehen allein in Berlin verloren. Finanztest ist der Sache nachgegangen und hat Banken und Kreditwirtschaft mit dem Problem konfrontiert.
Karten sind für Diebe leicht zu ertasten
„Behandeln Sie Ihre Karte genau so sorgsam wie Bargeld“, rät das Informationsportal Kartensicherheit.de der Banken und Sparkassen. Klingt gut, dieser Vorsichtstipp für den Umgang mit Plastikgeld. Die Binsenwahrheit „Bargeld niemals in einem normalen Brief verschicken!“ müsste dann auch für Kreditkarten und Girocards (früher EC-Karten) gelten. Doch Banken und Sparkassen halten sich nicht daran und verschicken die Karten in normalen Briefen an ihre Kunden. Die Pin kommt ebenfalls per Normalbrief, in einem neutral aussehenden Umschlag – und aus Sicherheitsgründen zeitversetzt, also ein paar Tage früher oder später. Doch Diebe wissen das. „Die Karten sind im Briefumschlag leicht zu ertasten“, sagt der Leiter des Betrugsdezernats im Landeskriminalamt Berlin, Michael Schultz. „Findige Diebe erkennen auch den separat verschickten Brief mit der Pin.“
Unser Rat
- Ablaufdatum.
- Achten Sie auf das Ablaufdatum Ihrer Kreditkarte und Ihrer Girocard. Bevor eine Karte abläuft, schickt Ihnen Ihre Bank unaufgefordert eine neue. Ist die Folgekarte nicht bis zu vier Wochen vor dem Ablaufdatum eingetroffen, fragen Sie Ihre Bank, ob sie eine neue geschickt hat. Erhalten Sie die Karte nicht binnen einer Woche, lassen Sie sie sperren und bestellen Sie eine neue.
- Verlustrisiko.
- Die Bank trägt das Risiko. Wenn Ihre Karte auf dem Postweg verloren geht und missbräuchlich benutzt wurde, muss Ihnen die Bank den Schaden ersetzen. Lassen Sie sich von Ihrem Geldinstitut nicht hinhalten, sondern bestehen Sie auf raschem Ersatz des gestohlenen Geldes. Erstatten Sie bei der Polizei Anzeige wegen Diebstahls, am besten online, wenn dies an Ihrem Wohnort geht (siehe unser Special Gewusst wie: Online Anzeige erstatten, Finanztest 5/2016).
- Beschwerde.
- Über nicht angekommene Normalbriefe, in denen Karten und Pin verschickt werden, kann sich bei der Post nur der Absender beschweren. Er ist der Auftraggeber. Fordern Sie Ihre Bank auf, dies schriftlich zu tun und lassen Sie sich über das Ergebnis informieren. Nutzen Sie auch das kostenlose Beschwerdeformular der Verbraucherzentralen im Internet (post-aerger.de). Die Verbraucherzentralen sammeln Beschwerden und setzen sich für Abhilfe ein.
Für Geldhäuser „kein Thema“
Margit Schneider, Leiterin des Bereichs Sicherheitsmanagement Zahlungskarten bei Euro Kartensysteme, sieht das anders: Durch die zeitversetzte Versendung sei es „praktisch äußerst schwierig, an Karte und Pin zu gelangen“. Kartendiebstahl auf dem Postweg sei für Banken daher „kein Thema“.
13 Millionen Euro Schaden ...
Euro Kartensysteme ist als Unternehmen der deutschen Kreditwirtschaft für Kartenmanagement zuständig. Für das Jahr 2017 verzeichnet der Dienstleister 813 Fälle von Kartenklau auf dem Postweg. Allerdings tauchen in der Statistik nur Debitkarten auf, also Girocards und Kreditkarten, mit denen das Konto sofort belastet wird – keine Kreditkarten mit späterer Abbuchung. Alle Diebstähle solcher Karten zusammengerechnet, kommt das Unternehmen auf 10 353. Schaden: rund 13 Millionen Euro, davon laut Euro Kartensysteme 2 Millionen durch Verlust auf dem Postweg. *
... oder sogar 30 Millionen?
Laut polizeilicher Kriminalstatistik ist das Ausmaß von Diebstahl, Betrug und Schaden viel größer. Hier fließen die Diebstähle aller Giro- und Kreditkarten ein. Für das Jahr 2016 registrierte die Polizei mehr als 47 000 Betrugsfälle. Schaden: 30 Millionen Euro. Zahlen für 2017 liegen noch nicht vor. Wie viele dieser Karten in Deutschland auf dem Postweg gestohlen wurden, ist unbekannt. Der Berliner Kriminaldirektor Schultz sagt: „Das wird bundesweit nicht erfasst.“
Leseraufruf
Kam Ihre Karte schon mal auf dem Postweg weg oder wollen Sie Hinweise geben? Schreiben Sie uns bitte eine E-Mail an kreditkartenstress@stiftung-warentest.de.
2 000 gestohlene Karten allein in Berlin
Wir haben bei allen 16 Landeskriminalämtern nachgefragt. Am häufigsten werden in Berlin Karten auf dem Postweg gestohlen. „Bis zu 2 000 Karten im Jahr“, so Schultz, fischen Kriminelle in der Hauptstadt aus der Post. Das ist offenbar mehr als anderswo. Die anderen Landeskriminalämter halten sich mit Zahlen zurück. Der Sprecher des LKA Sachsen, Tom Bernhardt, sagt: „Diese Fälle verstecken sich in der erheblichen Menge an Betrugsdelikten.“ Beim LKA Hessen heißt es, weil „der Postweg über unterschiedliche Stationen läuft, können wir hier keinen exakten Tatort herausfiltern und diese Taten somit nicht statistisch erfassen“. Die Polizei im Saarland registrierte 3 147 Anzeigen zum Verlust von Kredit- und Bankkarten. „Eine konkrete Zuordnung auf Delikte wie Raub, Diebstahl, Unterschlagung“ sei aber weder allgemein noch bezogen auf das Klauen aus der Post möglich, so Polizeisprecher Clemens Gergen. Auch die anderen Landeskriminalämter haben keine Zahlen.
Viele erstatten keine Anzeige
Die Dunkelziffer ist hoch, denn viele Geschädigte verzichten auf eine Anzeige bei der Polizei. Vom „eher geringen Anzeigeverhalten der Opfer“ spricht der nordrhein-westfälische LKA-Sprecher Frank Scheulen. Ihnen entstehe „in der Regel kein wirtschaftlicher Schaden“, da die Bank haftet. Das Ehepaar Selver und Önder Demiralay aus dem Rheinland erstattete Anzeige. Selver Demiralays Girocard und Pin wurden auf dem Postweg abgefangen. Der Dieb hob mit der Karte an einem Automaten in Köln 1 000 Euro ab. „Zufällig haben wir das am selben Tag entdeckt, als wir die Umsätze online prüften. Wir ließen die Karte sofort sperren“, sagt Ehemann Önder Demiralay. Knapp drei Wochen später erstatte die Postbank das Geld.
Manchmal dauert es Monate, bis das Geld wieder da ist
Doch es kann auch Monate dauern, bis das Geld wieder da ist. Finanztest berichtete vor einem halben Jahr über einen Fall, in dem die Berliner Volksbank 6 000 Euro Schaden erst nach mehr als zwei Monaten ersetzte (Bankkarte und Pin aus der Post geklaut - ein Opfer erzählt). Die Kosten für Miete, Telefon, Versicherungen und das tägliche Leben laufen weiter. „Dann ist das Konto schnell nicht mehr gedeckt“, sagt Polizist Schultz. „Für die Geschädigten bedeutet dies extremen Ärger.“ Reicht der Dispo nicht, müssen sie womöglich einen Kredit aufnehmen.
Diebe im Postauto
Aus Hausbriefkästen klaute in München ein 2017 festgenommener Seriendieb Briefe mit Karten und Geheimzahlen und hob insgesamt 100 000 Euro ab. In Rostock erbeutete er auf gleiche Weise 15 000 Euro. Doch nicht überall kommen Diebe an einen Briefkasten heran. „Die Post fällt durch einen Schlitz in der Tür unseres Hauses direkt auf den Boden“, sagt Önder Demiralay. „Es ist nahezu unmöglich von außen an die Briefe zu kommen.“ Bleibt der Diebstahl auf dem Zustellungsweg. Ludwig Waldinger, Sprecher des bayerischen LKA sagt: „Die größte Sicherheitslücke ist der Postzusteller.“ Das weist Postsprecher Alexander Edenhofer zurück: „Die Deutsche Post setzt großes Vertrauen in ihre Zusteller.“ Außerdem gebe es „professionelle Aufarbeitung relevanter Vorfälle durch unsere Sicherheitsorganisation“ und „Einsatz moderner Sicherheitstechnik“.
Auf frischer Tat ertappt
Risiken bleiben. In Berlin wurde ein Subunternehmer der Post auf frischer Tat ertappt. Nach Hinweisen auf Kartendiebstahl in einem bestimmten Zustellbezirk observierten Polizeibeamte sein Fahrzeug. Die Polizisten beobachteten, wie zwei Komplizen auf einem Parkplatz in das Postauto stiegen und in aller Ruhe die Briefe durchsuchten.
Was Banken machen könnten
Banken halten am Versand von Plastikgeld per Normalpost fest. Dabei gibt es andere Wege. „Die persönliche Aushändigung der Karte in einer Bankfiliale stellt wohl die sicherste Variante dar“, sagt der saarländische Polizeisprecher Gergen. Doch das würde mehr Kunden in jeder Filiale bedeuten. Dort bauen Banken aber eher Personal ab und Onlinebanken haben gar keine Filiale. Extrakosten entstünden auch bei Versand per Einschreiben.
Kunde sollte Erhalt bestätigen müssen
Günstiger wäre es, die verschickte Karte erst freizuschalten, wenn der Kunde ihren Erhalt bestätigt oder sie online freischalten lässt. Doch das bieten Banken erst an, wenn eine Karte gestohlen wurde – wie bei den Demiralays. Es hat dann noch einmal zwei Wochen gedauert, bis die Karte freigeschaltet war.
Banken reden nicht gern darüber
Und was sagen die Banken? Wir haben bei sechs von ihnen nach Zahlen zum Kartenklau und Gegenmaßnahmen gefragt. Die Stadtsparkasse München sieht „kein Problem“ beim Kartenversand, sie sei „nicht betroffen“. Die Hamburger Sparkasse will sich dazu „grundsätzlich nicht äußern“. Auch die anderen vier Banken gaben sich zugeknöpft.
Für dieses Special haben wir zwei Artikel aus Finanztest zusammengestellt (Ausgaben 9/2017 und 3/2018).
* Passage korrigiert am 13. Februar 2018.
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Kommentar vom Administrator gelöscht. Grund: Spam
Kommentar vom Administrator gelöscht. Grund: Spam
Mich würde da ja mal die Rechtslage interessieren:
(1) Der Bank wird die Karte auf dem Postweg geklaut. Warum muss der Kunde dann die Anzeige bei der Polizei machen, und nicht die Bank?
(2) Der Kontostand auf dem Girokonto zeigt mir die Schulden an, die die Bank bei mir hat. Wenn jemand mit einer (von der Bank) geklauten Karte beim Bankautomaten Geld abhebt, wird die Bank bestohlen, nicht der Kunde. Mit welchem Recht bucht die Bank dann Geld vom Girokonto des Kunden ab, und bucht es erst nach 1 oder 6 Monaten zurück?
Wenn mir jemand Geld klaut, kann ich mir es nicht einfach bei meinem Nachbarn wegnehmen, und ihm sagen, er solle erst einmal bei der Polizei eine Anzeige stellen.
Hier sollten die Verbraucherzentralen einmal ein Musterverfahren durchführen.
Kommentar vom Autor gelöscht.
... muss man wohl schon davon ausgehen, dass die Diebe damit rechnen, dass man eine neue Karte bestellt. Dann brauchen die Verbrecher sich nur auf die Lauer zu legen und auf die Postzustellung warten.
In so einem Fall, wenn den Dieben also die Adressdaten bekannt sind, sollte entweder neue Karte oder neue PIN (am besten beides) an die Bankfiliale gesendet werden. Oder (und bei Online-Banken unbedingt) an die Adresse einer Vertrauensperson bzw. wo möglich an die Büroadresse.
Einschreiben wäre auch möglich (für Bank immerhin kostengünstiger als Schadenserstattung), aber bei gestohlenem Ausweis wiederum mit Restrisiko verbunden...