
© Stiftung Warentest
Die Stiftung Warentest hat in Kamillentee der französischen Marke Kusmi Tea äußerst hohe Schadstoffgehalte festgestellt. Es handelt sich dabei um Pyrrolizidinalkaloide (PA). Im Tierversuch haben sich Pyrrolizidinalkaloide als eindeutig krebserregend und erbgutschädigend erwiesen. Die Tester warnen davor, den Tee dieser Charge zu trinken. Sie haben den Vertreiber für den deutschen Markt und die amtliche Lebensmittelaufsicht informiert. Der Anbieter hat den Tee zurückgezogen.
Tester warnen vor Kusmi Tea Kamille
Bereits während der Testphase für den Test von 64 Kräutertees stellte sich heraus, dass der geprüfte Kamillentee von Kusmi Tea extrem mit Pyrrolizidinalkaloiden belastet war. Der nachgewiesene Gehalt von insgesamt 73,2 Milligramm pro Kilogramm Tee ist gesundheitlich so bedenklich, dass die Tester bereits im Januar, also zwei Monate vor Veröffentlichung des ganzen Tests, vor dem Genuss dieses Tees gewarnt haben:
Name: Kusmi Tea Camomille/Chamomille/Kamille
Verpackung: 20 sachets mousseline/20 muslin tea bags, 44 g
Mindesthaltbarkeitsdatum: 10/2019
Chargennummer der Karton-Verpackung: LOT: 161031
Chargennummer der Teebeutel: LOT: KUS163121
Preis pro Packung im Online-Shop von Kusmi Tea: 11,40 Euro
Kusmi hat Kamillentee vom Markt genommen
Die Charge des betroffenen Kamillentees von Kusmi Tea ist seit Januar nicht mehr auf dem Markt. Der Vertreiber auf dem deutschen Markt – die Firma Orientis im baden-württembergische Kehl – hatte sämtliche Kamillentees der Marke europaweit zurückgezogen, nachdem ihn die Stiftung Warentest über die Testergebnisse informiert hatte. Die Tester hatten die kritischen Befunde während der Prüfphase für den Test von 64 Kräutertees gemacht. Die Firma erklärte uns gegenüber dass von der belasteten Charge nur 73 Packungen nach Deutschland gelangt seien. Die zuständige Lebensmittelüberwachungsbehörde in Stuttgart teilte mit, sie habe mithilfe einer Kundenliste von Orientis weitere Behörden in Deutschland, Österreich und Frankreich informiert.
Krebserregende Schadstoffe
Pyrrolizidinalkaloide sind natürliche Inhaltsstoffe vieler Wildkräuter aus den Familien der Korbblütler, Borretschgewächse und Hülsenfrüchtler. Seit 2013 ist bekannt, dass die Wildkräuter auch in Tee geraten können – etwa wenn sie bei der Kamillenblütenernte mitgeerntet und nicht aussortiert werden. Das ist bedenklich: Einige Pyrrolizidinalkaloide zeigten sich in Versuchen mit Ratten als eindeutig krebserregend und erbgutschädigend. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) geht davon aus, dass die Substanzen „auch beim Menschen kanzerogen wirken können“. Hinzu kommt, dass hohe Gehalte an Pyrrolizidinalkaloiden die menschliche Leber chronisch oder sogar akut schädigen können.
Noch gibt es keinen Höchstgehalt
Einen gesetzlichen Höchstgehalt für Pyrrolizidinalkoloide in Lebensmitteln gibt es noch nicht. Es ist auch noch nicht abschließend geklärt, welche der rund 660 bekannten Vertreter besonders kritisch sind. Wissenschaftler des BfR und der Europäischen Lebensmittelbehörde Efsa haben daher als Übergangslösung für die Summe der Pyrrolizidinalkaloide eine Tageszufuhr berechnet, die laut BfR „hinsichtlich möglicher Krebsrisiken als wenig bedenklich angesehen“ wird. So sollte ein 60 Kilogramm schwerer Erwachsener langfristig nicht mehr als 0,42 Mikrogramm täglich aufnehmen und ein 16 Kilogramm schweres Kleinkind nicht mehr als 0,11 Mikrogramm. Experten gehen davon aus, dass sich Pyrrolizidinalkaloide aus Tee gut im Aufguss lösen und vollständig übergehen können.
380-mal mehr als „wenig bedenklich“
Die Stiftung Warentest hat den Kamillentee von Kusmi auf 28 verschiedene Pyrrolizidinalkaloide untersucht. Das Ergebnis: Der Inhalt eines einzigen Teebeutels enthält 161 Mikrogramm an Pyrrolizidinalkaloiden. Das ist das 380-Fache der langfristig wenig bedenklichen Tageszufuhr für einen Erwachsenen. Zwar sind sofortige Vergiftungen durch diese Belastung bei Erwachsenen und Kindern unwahrscheinlich, aber der regelmäßige Genuss birgt chronische Risiken wie die Entstehung von Leberzirrhosen und Tumoren.
Anbieter sieht keinen Handlungsbedarf
Unmittelbar nachdem wir die Gehalte an Pyrrolizidinalkaloiden im Labor abgesichert hatten, informierten wir die Firma Orientis im baden-württembergischen Kehl. Sie vertreibt den Tee der Pariser Firma Kusmi Tea in Deutschland. Orientis hat inzwischen reagiert und beruft sich allgemein auf die Efsa: Demnach „könnten Nebenwirkungen bei einem 60 kg schweren Menschen erst dann auftreten, wenn der Verzehr von Alkaloiden höher als 120 mg pro Tag liegt. Die Untersuchungsergebnisse der Stiftung Warentest, sollten sie bestätigt werden, würden daher bedeuten, dass ein Verbraucher mehr als 1,6 Kilogramm Kamillentee, etwa 730 Tassen, verzehren müsste, damit eine Nebenwirkung eventuell auftreten könnte.“ Wir können diese Argumentation nicht nachvollziehen. Bei unserer Warnung stützen wir uns auf zwei wissenschaftliche Empfehlungen: Die eine ist der Wert für eine wenig bedenkliche Tageszufuhr hinsichtlich der Kanzerogenität, den der Tee von Kusmi mit nur einem Beutel um das 380-Fache überschreitet. Darüber hinaus ist auch der auf die chronische Leberschädlichkeit ausgerichtete sogenannte Health Based Guidance Value um das 27-Fache überschritten. Auf diesen Wert haben sich die Überwachungsbehörden geeinigt. Die betroffene Charge dürfte demnach nicht verkauft werden.
Problematische Wildkräuter müssen aussortiert werden
Das BfR appelliert schon seit einigen Jahren an die Anbieter von Kräutertees, bei Anbau und Ernte von Pflanzen für die Kräutertee- und Teeherstellung Sorgfalt walten zu lassen. So müssten zum Beispiel Wildkräuter, die hohe Gehalte an Pyrrolizidinalkaloiden aufweisen, erkannt und aussortiert werden. Auch andere Lebensmittel können damit belastet sein, etwa Salatmischungen, Honig oder andere Tees. So stieß die Stiftung Warentest im Test von grünem Tee (test 10/2015) auf sechs Produkte mit überhöhten Gehalten, beim Test von schwarzem Tee (test 11/2014) gab es ein kritisches Produkt. Doch der PA-Gehalt im Kamillentee von Kusmi liegt rund 100-mal höher als die bisher von uns in Tees gemessenen Werte.
Diese Meldung ist ursprünglich am 17. Januar 2017 erschienen und wurde seitdem mehrfach aktualisiert, zuletzt am 29. März 2017 anlässlich der Veröffentlichung unseres Tests von Kräutertees.
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Schon interessant wie der Hersteller in seiner Stellungsnahme auf Facebook mit der Wahrheit umgeht. Der "Health Based Guidance Value" wird gar nicht erwähnt. Die Stiftung Warentest schreibt dagegen:
" Die betroffene Charge dürfte demnach nicht verkauft werden."
Wem soll ich glauben dem Hersteller oder der unabhängigen Stiftung Warentest? Tja. Und lustig wie andere Kunden noch darüber diskutieren dass es ja pflanzliche Stoffe sind, die können doch gar nicht gefährlich sein...
Verstehe auch nicht warum Leute so extrem teuren Tee kaufen. Kann fast nur an der Verpackung liegen, die wirklich sehr schön gestaltet ist. Aber sonst? Der Inhalt ist ja nicht mal Bio-Tee. Zu einem Bruchteil des Preises bekommt man u.a. im Dm Bio-Tee.
Ich habe bisher häufig den Tee der Fa. Kusmi gekauft. Wer so leichtfertig mit der Gesundheit seiner Kunden umgeht, sollte bestraft werden - durch Abbruch der Geschäftsbeziehungen. Produkte der Fa. Orientis und Kusmi-Tee kaufe ich nicht mehr.
20 Teebeutel Kamillentee für über €11? Eine von mir sehr ernst gemeinte Frage: Wer um alles in der Welt kauft so etwas?