Studien bescheinigen jungen Leuten mangelhafte Finanzkompetenz. Dabei sind viele durchaus interessiert. Sie brauchen nur Hilfe.
In Finanzdingen hält sich die 17-jährige Nesha Usai für „einigermaßen fit“. Themen wie Bank, Versicherung und Rente sind für sie kein Buch mit sieben Siegeln.
Wie viele Jugendliche verdient Nesha Usai sich neben der Schule etwas dazu. Sie jobbt als Reinigungskraft und investiert das Geld in Tennisstunden. „Fürs Sparen bleibt meistens nichts übrig“, sagt die Kölnerin. „Das Geld ist ziemlich schnell ausgegeben.“
Fast die Hälfte der jungen Leute zwischen 17 und 27 Jahren schätzt wie Nesha Usai die eigene finanzielle Kompetenz „gut“ ein. Das ist ein erfreuliches Ergebnis der aktuellen Metallrente Studie 2010, für die Forscher junge Erwachsene nach ihrer finanziellen Lebensplanung fragten.
Doch Selbsteinschätzung und Wirklichkeit passen kaum zusammen. Unter der Leitung des Bildungs- und Sozialforschers Klaus Hurrelmann befragte das Marktforschungsinstitut TNS Infratest Sozialforschung junge Leute nach ihrer Wirtschaftskompetenz. Geht es um konkretere Finanzfragen oder gar um die Altersvorsorge, ist das Ergebnis ernüchternd: Viele Jugendliche sind im Alltag überfordert und tun sich schwer, die richtigen finanziellen Weichen für die Zukunft zu stellen.
Betriebliche Altersvorsorge zum Beispiel ist für junge Erwachsene ein Fremdwort, selbst wenn sie schon im Job sind. Dabei werden sie viel mehr für die Zukunft sparen müssen, als es ihre Eltern tun.
Mit dem Guthabenkonto ins Minus
Nesha Usai tappte kürzlich in eine Kostenfalle der Sparkasse KölnBonn. Die 17-Jährige führt mit Zustimmung der Eltern ein Girokonto plus Girocard (ec-Karte) auf Guthabenbasis.
Solche Konten bieten viele Banken schon minderjährigen Kindern und Jugendlichen an, aber auch volljährigen Auszubildenden oder Studenten. Meist ist die Kontoführung kostenlos. Doch Nesha soll nun Gebühren zahlen, weil sie in die Miesen geriet.
Die 17-Jährige bezahlte während der Fußball-Weltmeisterschaft auf der Fanmeile in der Kölner Arena 8,90 Euro für Pommes und Wasser mit ihrer Girocard. Sie war sich nicht sicher, ob ihr Konto gedeckt war. Aber: „Normalerweise war die Karte gesperrt, wenn nicht genug Geld da war“, sagt die 17-Jährige.
Sie wusste nicht, dass die Sperre nur am Geldautomaten klappt. Am Pommes-Stand konnte die 17-Jährige mit ihrer Karte zahlen. Die Sparkasse buchte 8,90 Euro ab und anschließend wieder zurück, weil Usai mit rund 1 Euro ins Minus gerutscht war. Das darf sie bei einem Guthabenkonto nicht. Für die Benachrichtigung verlangte die Sparkasse 5,50 Euro Entgelt.
Zusätzlich wollte die Lanxess Arena in Köln zunächst Bearbeitungsentgelte von 38,12 Euro haben. Das Unternehmen verzichtetete darauf, als es erfuhr, dass Frau Usai noch minderjährig ist. Die Stadtsparkasse KölnBonn bleibt dagegen bei ihrer Gebühr und teilte Finanztest mit: „Zu Lastschriftrückgaben kann es bei jedem Girokonto kommen, sofern es nicht die nötige Deckung aufweist, unabhängig vom Alter des Kontoinhabers oder davon, ob es sich um ein Guthabenkonto handelt.“
Da Nesha noch minderjährig ist, hat ihre Mutter die Sache einem Anwalt übergeben. Schließlich sind Kinder und Jugendliche bis zu ihrem 18. Geburtstag im Rechtsverkehr besonders geschützt. Ohne Zustimmung der Eltern sind Verträge nicht wirksam. Nur im Rahmen ihres Taschengeldes dürfen Minderjährige frei über Geld verfügen.
Eltern sind auch die wichtigsten Ratgeber der jungen Leute, zeigt die Metallrente-Studie, sie liegen deutlich vor den Banken. Weit abgeschlagen sind Finanzberater und Versicherungsvertreter. Ihnen vertrauen die jungen Kunden nicht (siehe Infografik).
Erst sparen – dann kaufen
Kaum Kenntnisse über vertragliche Pflichten und wenig Wissen über Wirtschaft stellt auch der Bundesverband der Inkassounternehmen bei jungen Erwachsenen fest. Diese Unwissenheit sei ein wesentlicher Grund für die zunehmende Überschuldung von 18- bis 24-Jährigen.
Schuldnerberatungen bieten mittlerweile gezielt Projekte für Jugendliche an. „Bei jungen Menschen, die in die Beratungsstellen kommen, sind Überschuldungen zwischen 20 000 Euro und bis zu 30 000 Euro gängig“, sagt die Schuldnerberaterin Bettina Heine aus Berlin. Auf Kredit gekaufte Wohnungseinrichtungen, Reisen und Autos haben oft dazu geführt.
Schon jungen Menschen bleibt manchmal nichts anderes übrig, als die private Insolvenz anzumelden. Nach sechs Jahren Wohlverhalten ist dann ein schuldenfreier finanzieller Neuanfang möglich.
Schuldenfalle Handy und Internet
Der Einstieg in die Schuldenfalle sind häufig nicht bezahlte Mobilfunkrechnungen. 97 Prozent der 14- bis 19-Jährigen haben ein eigenes Handy, bei den 10- bis 13-Jährigen bereits gut die Hälfte. Jugendliche, die ihre Handy-Rechnungen nicht mehr bezahlen, sind im Durchschnitt zwischen 1 000 Euro und 2 000 Euro verschuldet, beobachten die Schuldnerberatungsstellen.
Im Internet fallen Jugendliche immer wieder auf Abofallen herein. Sie erkennen nicht, wenn sie ein kostenpflichtiges Angebot nutzen, weil dubiose Firmen ihre Gebühren verstecken.
Aus Leserzuschriften weiß Finanztest, dass Eltern häufig die Rechnung für ihre minderjährigen Kinder bezahlen, obwohl sie widersprechen könnten. Schließlich haben sie dem Geschäft nicht zugestimmt.
Vater Frank Schmall überwies schnell rund 50 Euro, als die 14-jährige Tochter Milena nach einem Internetdownload zur Kasse gebeten wurde: „Ich wollte die Sache vom Tisch haben.“ Außerdem hatte sich Milena im Internet als 18-Jährige ausgegeben.
Jugendliche wollen lernen
Das kleine Einmaleins der Marktwirtschaft ist Jugendlichen kaum bekannt, mit dem Begriff „Soziale Marktwirtschaft“ verbinden sie zum Beispiel nichts Bestimmtes. Dies zeigt eine Studie des Bankenverbandes aus dem Jahre 2009.
Gleichzeitig haben rund drei Viertel der befragten Jugendlichen Interesse an Finanzen und befürworten ökonomische Bildung als Rüstzeug für ihre Zukunft. Schließlich ist nahezu jeder Lebensbereich – ob privater Haushalt, Beruf oder gesellschaftliches Engagement – mit ökonomischen Fragen verflochten. Der Bankenverband fordert schon lange ein Schulfach Wirtschaft, die Schüler hätten offenbar nichts dagegen.
Wirtschaftsfreier Raum Schule
An den meisten allgemeinbildenden Schulen gehören lebenspraktische Themen über Finanzen, Geld, Konsum, Produktion und Dienstleistungen nicht zum Bildungskanon – nicht einmal an Gymnasien. Nur in einigen Bundesländern wird das Fach Ökonomie unterrichtet.
Wenige Wirtschaftsgymnasien oder andere weiterführende Schulen vermitteln wirtschaftliche Kompetenzen. Die Deutsche Gesellschaft für Ökonomische Bildung, ein Fachverband der Lehrkräfte und Ausbilder vor allem an berufsbildenden Schulen, setzt sich seit einigen Jahren dafür ein, ökonomische Bildung als Allgemeinbildung in den Bildungskanon aller Schulen aufzunehmen.
„Eine solche Initiative kann ich nur begrüßen“, sagt der 26-jährige Lehramtsreferendar Benjamin Hagenauer. Er unterrichtet Mathe, Sport und Religion an einer Grundschule im hessischen Zimmersrode. „In meinem Studium spielte Finanzkompetenz keine Rolle.“
Das eigene – mittlerweile solide – Finanzwissen hat sich Hagenauer selbst erarbeitet, vor allem über das Internet. Mit Finanzberatern hat er nicht nur gute Erfahrungen gemacht: „Ich habe den Eindruck, dass ich nicht immer zu meinem Vorteil beraten wurde.“ Mittlerweile schließt er einen Fondssparplan lieber direkt im Internet ab, auch, weil das günstiger ist.
Im Unterricht vermittelt der Referendar spielerisch den Umgang mit Taschengeld oder erklärt den Unterschied zwischen einem Vertrags- und einem Prepaid-Handy. Spricht er mit der Klasse über persönliche Ziele und Wünsche der Schüler, staunt er immer wieder, „wie konsumorientiert die Kleinen schon sind“.
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