Viele Jeanshersteller mauern. Sie verweigern Auskünfte über die Produktionsbedingungen ihrer Hosen, darunter auch Diesel, Hugo Boss, Lee und Wrangler.
Testergebnisse für 15 CSR Jeans für Männer 10/2011
Es wird gescheuert, geschmirgelt, zerrissen, Harz aufgetragen, mit Sand gestrahlt oder mit Chemikalien gesprüht. Wenn es darum geht, Jeans einen coolen abgetragenen Stil zu geben, kennt die Kreativität keine Grenzen. Hauptsache, das Ergebnis sieht natürlich aus. Das machen alle großen Produzenten so – egal ob in China, Bangladesch, der Türkei oder Italien.

Oft wird den Jeans mit Sprühpistolen der letzte Schliff gegeben. Hier trägt ein Arbeiter stellenweise Farbe auf.

Die speziellen Handgriffe werden im Fachjargon Veredlung genannt – neben der Wäscherei eine der kritischsten Stationen der Jeansproduktion. Oft sind es junge Leute um die 20 Jahre, die auf dem blaugetränkten Denim herumschrubben. Sie arbeiten in kargen Hallen ohne jeden Schick. Rundherum liegen Stapel an Jeans, hier sehen sie billig aus. Später werden sie für viel Geld als Markenware verkauft.
Arbeiter fallen in Ohnmacht

Manuelles Abschleifen des Indigos in der Türkei: Danach wird die Hose gewaschen.

Eigentlich müssten die jungen Arbeiter Atemschutzmasken und Handschuhe tragen. Viele tun es aber nicht. Sie sagen, es behindere sie und bringe sie ins Schwitzen. Es passiert, dass einige in Ohnmacht fallen, weil sie bei großer Hitze Chemikalien aufsprühen und die Belüftung ausgestellt wurde. Solch ein Vorfall wurde uns berichtet, als wir Jeansfabriken besichtigten. Wir wollten wissen, wie ernst Anbieter ihre soziale und ökologische Verantwortung (Corporate Social Responsibility, CSR) nehmen. Unser Eindruck: Unzureichender Arbeitsschutz ist ein großes Problem der Branche.
Der größte Jeansproduzent der Welt

So entsteht die Jeans: Eine türkische Näherin fügt den Denim zu einem Stück zusammen. Für Jeans wird erst das Garn mit Indigo gefärbt, dann der Stoff gewebt. Üblicherweise ist das bei Textilien genau umgekehrt.
Überhaupt scheint die Jeansbranche einiges verstecken zu wollen. Mehr als jeder zweite Jeanshersteller aus dem Warentest (siehe „Männerjeans“ aus test 10/2011) wollte bei diesem freiwilligen CSR-Test nicht mitmachen: Diesel, Hugo Boss, Jeans Fritz, Kuyichi und Salsa – ebenso 7 for all mankind, Lee und Wrangler, die zur VF Corporation gehören. Dieser US-Konzern ist das größte Textilunternehmen der Welt. Auch über die Herstellung seiner Jeans konnten wir nichts erfahren. Warum wollen so viele Anbieter nichts zu den Produktionsbedingungen sagen?
Am Ende haben wir jedenfalls keine einzige chinesische Fabrik zu Gesicht bekommen. Dabei ist China der größte Jeansproduzent der Welt. Allein in Xintang, einem Industrieort in der Provinz Guangdong, soll es 4 000 Jeansfabriken geben.
H&M und Zara engagierter als Levi’s

In der Produktion kommen industrielle Großwaschmaschinen zum Einsatz.
Sieben Jeansanbieter öffneten uns ihre Fabriken: von H&M und Kik in Bangladesch über Levi’s in Pakistan, Jack & Jones in der Türkei, Zara in Marokko bis hin zu G-Star und Nudie in Italien. Ein wirklich starkes Engagement fanden wir nirgendwo.
Selbst in Italien, dem Hauptproduzenten für Jeans in Europa, gab es große Schwachstellen: Lieferanten werden ungenügend kontrolliert, teils fehlt es an Arbeitnehmervertretungen. Auch Nudie, ein Ökojeans-Anbieter, hat es sich bequem gemacht und kann sein Engagement nicht ausreichend belegen. Am Ende stehen H&M und Zara am besten da. Selbst Jeans-Urgestein Levi’s können wir nur CSR-Ansätze bescheinigen. Levi’s verlangte zudem, dass wir eine Vertraulichkeitserklärung unterschreiben.
Dutzende Arbeiter befragt
In den Produktionsstätten befragten wir Dutzende Arbeiter. Fast alle sind unzufrieden mit ihrer Situation. Obwohl ihre Gehälter dem jeweiligen gesetzlichen Mindestlohn entsprechen oder leicht darüber liegen, deckt das nicht die Lebenskosten. Etwa in Bangladesch: Dort wurde 2010 nach Arbeiterstreiks der Mindestlohn von 20 auf rund 28 Euro im Monat erhöht. Für ein ordentliches Leben werden aber rund 115 Euro gebraucht, berechnete das südostasiatische Bündnis Asia Floor Wage Alliance.
Hinzu kommt: Außerhalb Europas sind Überstunden in der Produktion weiter ein Problem. Sie liegen oft über dem Erlaubten oder werden nicht angemessen bezahlt.
Sandstrahlen wird weiter praktiziert

Sandstrahlen mitten in Italien: Trotz des Schutzanzugs besteht Gesundheitsgefahr. Die feinen Sandpartikel gelangen überall hin.
Mithilfe von Sandstrahlen können Jeansanbieter ihren Hosen ein abgetragenes Aussehen geben. Der feine Sandstaub kann aber die Lungen der Arbeiter schädigen (siehe „Ausgewaschene Jeans“). 2004 tauchten erste geheimnisvolle Krankheitsfälle in der Türkei auf. Es stellte sich heraus, dass die betroffenen Männer in Jeansfabriken ohne Schutzkleidung mit Sand gestrahlt und in denselben Räumen geschlafen hatten. Bis heute wird darüber gestritten, ob es überhaupt eine geeignete Schutzkleidung geben kann. Die Türkei hat Konsequenzen gezogen und das Sandstrahlen 2009 verboten.
Nudie glaubt, Arbeiter seien sicher
Keine der Hosen im Test wurde mit Sand behandelt, bestätigte uns ein Experte. Dennoch haben wir in mehreren Produktionsstätten gesehen, dass Sandstrahlen weiter praktiziert wird. In der Regel erledigen das Subunternehmer, die für mehrere Auftraggeber arbeiten – mal mit, mal ohne Sand.
H&M hat sich vom Sandstrahlen losgesagt. Doch in der gleichen Fabrik in Bangladesch, wo H&M Jeans produzieren lässt, wurde es für andere Anbieter eingesetzt. Nudie bekennt sich zum Sandstrahlen und glaubt, die Schutzanzüge der Arbeiter seien sicher. In der Produktion eines anderen Anbieters im Test ergab eine Untersuchung unter den Arbeitern, dass bereits jeder Vierte an Atemwegserkrankungen leidet.
Tipp: Mit bloßem Auge sieht man nicht, ob eine Jeans gesandstrahlt wurde. Wer es ausschließen will, muss sich über die Produktionspraktiken der Jeansmarke informieren (siehe www.saubere-kleidung.de) oder unbehandelten Denim kaufen.
Tüfteln an der grünen Jeans

Qualitätskontrolle in Bangladesch: Diese Frauen überprüfen, ob die Hosen sauber genäht wurden. Anschließend wird die Ware verpackt.

In vielen Fabriken wird noch zu wenig gegen die Umweltverschmutzung getan. Alle Jeansanbieter im Test bekamen auffällig wenig Punkte, was die Umwelt betrifft. Dabei bastelt die Branche bereits an einer „grünen“ Jeans. Eine Analyse von Levi’s zeigt, dass neben dem Baumwollanbau auch in der Wäscherei viel Wasser verbraucht wird – bis zu 42 Liter pro Hose. Umweltfreundlichere Waschtechniken sollen nun den Wasser- und Chemikalienverbrauch senken. Levi’s hat eine Technik entwickelt, die rund 30 Prozent des üblichen Wasserverbrauchs einsparen soll. Seine „waterless“-Kollektion ist seit Mitte 2011 auch bei uns zu haben. Auch recycelter Denim und Biobaumwolle sollen Jeans grüner machen. Kuyichi und Nudie bieten Jeans aus Biobaumwolle an. Nudie konnte das Biozertifikat Gots vorlegen, ließ aber auch Fragen offen. Die Kuyichi-Philosophie blieb ganz im Dunkeln. Die Firma schwieg. Nicht gerade glaubwürdig für jemanden, der sich als Vorreiter für Biojeans sieht.
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- Hellblaue Businesshemden sind ein Klassiker. Die Stiftung Warentest hat Herstellungsbedingungen sowie die Qualität von 14 Modellen geprüft. Ein günstiges liegt vorn.
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- Unser Schweizer Partnermagazin KTipp hat 16 Jeans getestet. Bekannte Marken wie Levis enttäuschen. Nur drei Damen- und eine Herrenhosen überzeugen.
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...bin ich schwer enttäuscht, dass diese Luxusmarke zu allen CSR-Fragen mauert.
Bei den Preisen, die ich bisher angesichts der einzigartigen Paßform mehr oder weniger gerne bezahlt habe, sollten ordentliche Produktionsbedingungen doch wohl selbstverständlich sein.
@juliafriday, @Anleger: Die Stiftung Warentest hat bei den durchgeführten CSR-Tests nicht das ganze Unternehmen, sondern nur den Unternehmensbereich, von dem das getestete Produkt hergestellt bzw. angeboten wird, geprüft. Wir verfolgen einen Produktansatz, das heißt wir berücksichtigen die sozialen und ökologischen Vorgaben des Unternehmens, überprüfen deren Umsetzung entlang des Produktionsweges einer Jeans und besichtigen dazu die wichtigsten Produktionsstufen seiner Lieferanten. Um das ganze Unternehmen zu beurteilen, müssten wir für eine Vielzahl an Produkten auch mehrere hundert Lieferanten samt Fertigungsstätten überprüfen. Das ist schier unmöglich. Dass Zara oder aber H&M mit anderen Lieferanten anderer Produkte Probleme wie etwa die zitierte Zwangsarbeit haben, zeigt nur, dass Vorgaben bei den Lieferanten nicht ausreichend kontrolliert bzw. daraus nicht rechtzeitig Konsequenzen gezogen werden. Bei den überprüften Lieferanten konnten wir derartige Missstände nicht feststellen.
Auch wenn ein Teil der Kritik an Kuyichi und Nudie durchaus berechtigt ist, stellt der CSR-Test im Ergebnis die Verhältnisse auf den Kopf.
Eine Stellungnahme der im "korrekte klamotten Netzwerk" zusammengeschlossenen öko-fairen Mode-Händler gibt es hier:
http://korrekte-klamotten.de/korrekte-klamotten/kritik-an-kuyichi-und-nudie-im-jeans-test-europaischer-verbraucherorganisationen/#comments
Eine differenzierte Bewertung bei Journalistin, Autorin und Greenpeace-Mitarbeiterin Kirsten Brodde:
http://www.kirstenbrodde.de/?p=1498#comments
Test hat die Herstellung der Jeans beschrieben und eine Einschätzung über das soziale und umweltpolitische Engagement der Firmen in dieser Beziehung abgegeben. In Deutschland hat jeder Arbeitnehmer das Recht, seine Vorwürfe von einem unabhängigem Gericht überprüfen zu lassen. Deutsches Recht gilt für jeden Hersteller, Vertreiber und Verkäufer gleichermaßen. Übrigens hat die Kik-Jeans alles andere als positiv abgeschnitten. Zwar war der Stoff der mit Abstand haltbarste im Test, was natürlich sehr gut ist. Allerdings verzog sich die Jeans bereits nach einer Wäsche dermaßen, daß ein Tragender Jeans hinterher praktisch nicht mehr möglich ist. Von einem positiven Gesamtergebnis kann also nun wirklich nicht die Rede sein. In den Herstellungsländern schnitten die Kik-Fabrikanten aber nun mal halbwegs gut ab. Das ist nach den Testergebnissen eine Tatsache. Ob einem die deutschen Vertriebsmethoden gefallen, muß jeder selbst entscheiden.
Normalerweise sind die Testergebnisse eine wichtige Kaufentscheidung für mich. Was ich aber diesmal lesen musste, hat in meinem Kopf ein großes Fragezeichen hinterlassen. Nicht die Ergebnisse, dass die Jeansherstellung alles andere als umweltfreundlich und es für die Arbeiter gesundheitsgefährdend ist, das wusste ich schon.
Viel schlimmer fand ich die relativ positive Einschätzung von KiK. Zum einen sagt einem doch schon der Preis, dass für die, die das Teil herstellen nicht viel übrig bleiben kann. Zum zweiten frage ich mich, hat denn niemand bei Test die Reportage in der ARD gesehen, wo es erschreckende Einblicke in die Firmenpolitik von KiK gegeben hat? Ich gehe davon aus, dass das bei anderen Billigheimern auch nicht besser ist. Ich jedenfalls boykottiere Unternehmen, von denen ich weiß, dass sie gegen Umwelt und/oder die Menschlichkeit verstoßen.