
Jeans müssen cool sein: Schon beim Kauf sollen sie abgetragen wirken. Arbeiter in Asien, Italien oder der Türkei bearbeiten den Denim dafür. Arbeitsschutz wird dabei oft vernachlässigt. Das zeigt der CSR-Test: test hat untersucht, wie ernst Jeanshersteller ihre soziale und ökologische Verantwortung (Corporate Social Responsibility: CSR) nehmen. Fazit: Die Branche hält vieles unter Verschluss.
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Testergebnisse für 15 CSR Jeans für Männer 10/2011Liste der 15 getesteten Produkte
Größter Textilkonzern der Welt schweigt
15 Jeans – von 10 Euro bis 249 Euro – hat die Stiftung Warentest auf Haltbarkeit, Passform und Schadstoffe untersucht Test Männerjeans. Das überraschende Ergebnis: Gute Denim-Ware gibt es bereits für wenig Geld. Weitere Erkenntnis: Unter welchen Bedingungen die Jeans hergestellt werden, wollten viele Anbieter nicht verraten. Wie wichtig sind der Firma die Mitarbeiter und die Umwelt? „Auskunft verweigert“ hieß es hier bei den Anbietern Diesel, Hugo Boss, Jeans Fritz, Kuyichi und Salsa – ebenso 7 for all mankind, Lee und Wrangler, die zur VF Corporation gehören. Die VF ist nicht irgendwer, sondern das größte Textilunternehmen der Welt, dem viele weitere Marken wie etwa The North Face gehören. Am Ende bekamen die Tester keine einzige chinesische Fabrik zu Gesicht. Dabei ist China der größte Jeansproduzent der Welt.
H&M produziert in Bangladesch
Immerhin sieben Jeansanbieter öffneten ihre Fabriken, darunter H&M und Kik in Bangladesch sowie Levi’s in Pakistan. Ein wirklich starkes Engagement wird aber nirgendwo gelebt. Selbst in Italien, wo G-Star und Nudie produzieren lassen, gab es große Schwachstellen: Lieferanten werden ungenügend kontrolliert, teils fehlt es an Arbeitnehmervertretungen. Am Ende stehen H&M und Zara am besten da, obwohl auch sie nur durchschnittliches Engagement unter Beweis stellen.
Der Arbeitsschutz reicht nicht aus

Oft wird den Jeans mit Sprühpistolen der letzte Schliff gegeben. Hier trägt ein Arbeiter stellenweise Farbe auf.

Eine der kritischsten Stufen in der Produktion ist die Veredlung. Hier werden die Jeans an ihrer Oberfläche stark bearbeitet, um abgetragen auszusehen (used look). Hier kommen Bimssteine, Harz, Sand oder Chemikalien zum Einsatz. Es passiert, dass Arbeiter in Ohnmacht fallen, weil sie bei großer Hitze Chemikalien aufsprühen und die Belüftung ausgestellt wurde. Unzureichender Arbeitsschutz ist ein großes Problem der Branche. Außerdem sind viele Arbeiter unzufrieden mit ihrem Lohn, da sie davon nicht leben können. Das ergaben Interviews in den Produktionsstätten. Auch Überstunden sind außerhalb Europas weiter ein Problem. Sie liegen oft über dem Erlaubten oder werden nicht immer angemessen bezahlt.
Sandstrahlen wird weiter praktiziert

Sandstrahlen mitten in Italien: Trotz des Schutzanzugs besteht Gesundheitsgefahr. Die feinen Sandpartikel gelangen überall hin.
Auch mithilfe von Sandstrahlen können Jeansanbieter ihren Hosen ein abgetragenes Aussehen geben. Der feine Sandstaub kann aber die Lungen der Arbeiter schädigen und schlimmstenfalls zum Tod führen. Besonders in der Türkei sind seit 2004 gehäuft Erkrankungen und Todesfälle aufgetreten. Keine der 15 Jeans im Test wurde mit Sand behandelt, wie ein Experte bestätigte. Dennoch haben die Tester in mehreren Produktionsstätten gesehen, dass das Sandstrahlen weiter praktiziert wird. In der Regel erledigen das Subunternehmer, die für mehrere Auftraggeber arbeiten. H&M etwa hat sich vom Sandstrahlen losgesagt. Doch in der gleichen Fabrik in Bangladesch, wo H&M Jeans produzieren lässt, wurde es für andere Anbieter eingesetzt. Der schwedische Anbieter Nudie bekennt sich zum Sandstrahlen und glaubt, die Schutzanzüge der Arbeiter seien sicher. Kunden sollten beim Einkauf neuer Hosen daher kritisch nachhaken: Tipps.
Suche nach der grünen Jeans

Qualitätskontrolle in Bangladesch: Diese Frauen überprüfen, ob die Hosen sauber genäht wurden. Anschließend wird die Ware verpackt.

Bei der Jeansproduktion fallen viele Mengen an Wasser an. Eine Analyse von Levi’s zeigt, dass neben dem Baumwollanbau auch die Wäscherei am Ende der Produktion betroffen ist – bis zu 42 Liter Wasser werden pro Hose verbraucht. Anbieter feilen darum an umweltfreundlicheren Waschtechniken, die den Wasser- und Chemikalienverbrauch senken. Auch recycelter Denim und Biobaumwolle sollen Jeans grüner machen. Zwei Anbieter im Test, Kuyichi und Nudie, bieten Jeans aus Biobaumwolle an. Nudie konnte das Biozertifikat Gots (Global organic textile standard) vorlegen, ließ aber auch Fragen offen. Die Kuyichi-Philosophie blieb gänzlich im Dunkeln. Die Firma schwieg zu allem. Zudem erwies sich ein Tracking Code in der Kuyichi-Jeans – er soll es möglich machen, dass Produktionsorte im Internet zurückverfolgt werden können – als nutzlos. Er funktioniert nicht. Nicht gerade glaubwürdig für einen selbsternannten Bio-Vorreiter Tracking System für Ökomode: Leere Versprechen.
CSR-Test Jeans: So testete die Stiftung Warentest
Alle projektspezifischen Kriterien zur Bewertung der Unternehmensverantwortung zum CSR-Test Jeans zum kostenlosen Download (pdf, 15 Seiten).
Hinweis: test hat gleichzeitig auch die Jeans selbst auf ihre Passform und ihr Durchhaltevermögen getestet: 15 Männerjeans im Test
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- Hellblaue Businesshemden sind ein Klassiker. Die Stiftung Warentest hat Herstellungsbedingungen sowie die Qualität von 14 Modellen geprüft. Ein günstiges liegt vorn.
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- Nachhaltige Handys, sozial und umweltfreundlich produziert? Im CSR-Test zur Unternehmensverantwortung überzeugen nur zwei der neun Anbieter. Fünf zeigten kaum Engagement.
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- Fünf Textilsiegel im Test, die für Umweltschutz und bessere Arbeitsbedingungen in der Textilbranche stehen. Der Check der Stiftung Warentest zeigt große Unterschiede.
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...bin ich schwer enttäuscht, dass diese Luxusmarke zu allen CSR-Fragen mauert.
Bei den Preisen, die ich bisher angesichts der einzigartigen Paßform mehr oder weniger gerne bezahlt habe, sollten ordentliche Produktionsbedingungen doch wohl selbstverständlich sein.
@juliafriday, @Anleger: Die Stiftung Warentest hat bei den durchgeführten CSR-Tests nicht das ganze Unternehmen, sondern nur den Unternehmensbereich, von dem das getestete Produkt hergestellt bzw. angeboten wird, geprüft. Wir verfolgen einen Produktansatz, das heißt wir berücksichtigen die sozialen und ökologischen Vorgaben des Unternehmens, überprüfen deren Umsetzung entlang des Produktionsweges einer Jeans und besichtigen dazu die wichtigsten Produktionsstufen seiner Lieferanten. Um das ganze Unternehmen zu beurteilen, müssten wir für eine Vielzahl an Produkten auch mehrere hundert Lieferanten samt Fertigungsstätten überprüfen. Das ist schier unmöglich. Dass Zara oder aber H&M mit anderen Lieferanten anderer Produkte Probleme wie etwa die zitierte Zwangsarbeit haben, zeigt nur, dass Vorgaben bei den Lieferanten nicht ausreichend kontrolliert bzw. daraus nicht rechtzeitig Konsequenzen gezogen werden. Bei den überprüften Lieferanten konnten wir derartige Missstände nicht feststellen.
Auch wenn ein Teil der Kritik an Kuyichi und Nudie durchaus berechtigt ist, stellt der CSR-Test im Ergebnis die Verhältnisse auf den Kopf.
Eine Stellungnahme der im "korrekte klamotten Netzwerk" zusammengeschlossenen öko-fairen Mode-Händler gibt es hier:
http://korrekte-klamotten.de/korrekte-klamotten/kritik-an-kuyichi-und-nudie-im-jeans-test-europaischer-verbraucherorganisationen/#comments
Eine differenzierte Bewertung bei Journalistin, Autorin und Greenpeace-Mitarbeiterin Kirsten Brodde:
http://www.kirstenbrodde.de/?p=1498#comments
Test hat die Herstellung der Jeans beschrieben und eine Einschätzung über das soziale und umweltpolitische Engagement der Firmen in dieser Beziehung abgegeben. In Deutschland hat jeder Arbeitnehmer das Recht, seine Vorwürfe von einem unabhängigem Gericht überprüfen zu lassen. Deutsches Recht gilt für jeden Hersteller, Vertreiber und Verkäufer gleichermaßen. Übrigens hat die Kik-Jeans alles andere als positiv abgeschnitten. Zwar war der Stoff der mit Abstand haltbarste im Test, was natürlich sehr gut ist. Allerdings verzog sich die Jeans bereits nach einer Wäsche dermaßen, daß ein Tragender Jeans hinterher praktisch nicht mehr möglich ist. Von einem positiven Gesamtergebnis kann also nun wirklich nicht die Rede sein. In den Herstellungsländern schnitten die Kik-Fabrikanten aber nun mal halbwegs gut ab. Das ist nach den Testergebnissen eine Tatsache. Ob einem die deutschen Vertriebsmethoden gefallen, muß jeder selbst entscheiden.
Normalerweise sind die Testergebnisse eine wichtige Kaufentscheidung für mich. Was ich aber diesmal lesen musste, hat in meinem Kopf ein großes Fragezeichen hinterlassen. Nicht die Ergebnisse, dass die Jeansherstellung alles andere als umweltfreundlich und es für die Arbeiter gesundheitsgefährdend ist, das wusste ich schon.
Viel schlimmer fand ich die relativ positive Einschätzung von KiK. Zum einen sagt einem doch schon der Preis, dass für die, die das Teil herstellen nicht viel übrig bleiben kann. Zum zweiten frage ich mich, hat denn niemand bei Test die Reportage in der ARD gesehen, wo es erschreckende Einblicke in die Firmenpolitik von KiK gegeben hat? Ich gehe davon aus, dass das bei anderen Billigheimern auch nicht besser ist. Ich jedenfalls boykottiere Unternehmen, von denen ich weiß, dass sie gegen Umwelt und/oder die Menschlichkeit verstoßen.