
Anwalt Martin Clausnitzer
Martin Clausnitzer, Fachanwalt für Steuerrecht aus Freiburg im Breisgau, kämpft gegen die von 27 auf 25 Jahre herabgesetzte Altersgrenze für Kindergeld. Er betreut ein Verfahren beim Bundesfinanzhof und unterstützte den Kläger des aktuellen Verfahrens beim Bundesverfassungsgericht (Az. 2 BvR 646/14). Im Interview mit test.de erklärt Clausnitzer, warum er die rückwirkende Beschränkung des Kindergeldanspruchs für verfassungsrechtlich bedenklich hält.
Herabsetzung der Altersgrenze aus finanziellen Gründen
Das Bundesverfassungsgericht wird sich erneut mit der Frage beschäftigen, ob die herabgesetzte Altersgrenze beim Kindergeld verfassungswidrig ist. Was ist Ihre Einschätzung in der Sache?
Clausnitzer: Ich halte es für ein rechtsstaatliches Unding, dass der Gesetzgeber die Herabsetzung der Altersgrenze schlicht aus finanziellen Gründen verfügt hat und nicht wegen einer Änderung des Bildungssystems oder einer tatsächlichen Verkürzung der Ausbildungszeiten. Heute weiß man, dass der Bologna-Prozess keineswegs erfolgreich verlaufen ist und auch die Abkehr vom Turbo-Abi zeigt, dass die Verschlankung der Ausbildung zum Teil gravierende Nachteile mit sich bringt, Auslandsaufenthalte behindert und individuelle Wege der Ausbildung ignoriert. Die rückwirkende Beschränkung des Kindergeldanspruchs „mit der Keule“ durchzusetzen, halte ich deshalb für verfassungsrechtlich äußerst bedenklich – und zudem politisch für das völlig falsche Signal.
Betroffene sollten Ruhen des Verfahrens beantragen
Was können betroffene Eltern tun?
Clausnitzer: Eltern, die durch die Änderung schlechter gestellt sind und weniger Jahre von Kindergeld und Kinderfreibeträgen profitieren, sollten gegen die Bescheide der Kindergeldstelle und des Finanzamts in der Frist von einem Monat Einspruch einlegen. Sie sollten dabei auf das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht hinweisen und das Ruhen des Verfahrens beantragen.
Kann die Kindergeldstelle oder das Finanzamt das Ruhen des Verfahrens ablehnen?
Clausnitzer: Eigentlich nicht, weil der Einspruch sich auf ein laufendes Verfahren bei einem obersten Bundesgericht stützt – ausgeschlossen ist das aber nicht.
Was passiert, wenn eine Behörde das Ruhen des Verfahrens ablehnt?
Clausnitzer: Dann müssen die Betroffenen gegen den Bescheid vor dem Finanzgericht klagen.