
Rosenquarzroller. Sie sollen das Gesicht verschönern, doch für das Mineral werden Menschen ausgebeutet. © Getty Images
Der Handel mit Rosenquarzrollern boomt. Journalistin Nadja Mitzkat hat die Missstände recherchiert, unter denen das Mineral abgebaut wird. Wir haben sie dazu befragt.

Nadja Mitzkat. Die Journalistin hat für eine NDR-Fernsehreportage zum Abbau von Rosenquarz recherchiert. © Markus Golla
Wie sind Sie auf das Thema aufmerksam geworden?
Edelsteine mit vermeintlicher Heilwirkung werden in sozialen Medien wie TikTok, Youtube und Instagram stark beworben. Sie sind mir irgendwann gefühlt überall begegnet: als Dekoration fürs Schlafzimmer, Schmuck oder Gesichtsroller gegen Falten und für schöne Haut. Aber es gibt kaum Informationen dazu, wo etwa Rosenquarz eigentlich herkommt. Auf den Webseiten der Anbieter sieht alles schön und ganz natürlich aus, aber sie sagen nichts zum Abbau und den Arbeitsbedingungen. Da steht nichts zu fairer Arbeit oder Ähnlichem. Das ist mir immer wieder aufgefallen.
Sie sind nach Madagaskar gereist und waren dort in Rosenquarzminen. Was haben Sie gesehen?
Madagaskar ist ein sehr armes Land. Die Regierung schafft es nicht, bestimmte Mindeststandards und Regeln durchzusetzen. Für den Abbau, die Verarbeitung und den Verkauf von Rosenquarz müsste der Staat theoretisch Lizenzen vergeben. Aber diese Lizenzen gibt es schon lange nicht mehr – seit über zehn Jahren. Der ganze Sektor ist deshalb informell organisiert und nicht reguliert. Gleichzeitig versuchen viele Menschen in diesem Bereich Geld zuverdienen.
Welche Arbeitsbedingungen haben Sie in den Minen vor Ort vorgefunden?
Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll: Das Gestein ist extrem scharfkantig, aber die Menschen tragen Flipflops, keine Helme, keine Schutzbrillen. Das ist gefährlich. Auch Kinderarbeit ist ein Problem. Eigentlich dürfen Jugendliche in Madagaskar erst ab 18 Jahren in Minen arbeiten, eben weil es so gefährlich ist. Wir haben aber 13- und 15-Jährige dort gesehen. Sie können nicht zur Schule gehen, weil ihre Familien zu arm sind. Viele Familien in den Minen-Regionen können sich die Schulgebühren nicht leisten. Oft müssen die Kinder schon von klein auf ihren Beitrag zum Haushaltseinkommen leisten. Ein weiteres Problem sind die Preise: Mitunter erhalten die Arbeiterinnen und Arbeiter für ein Kilo Rosenquarz nur umgerechnet 10 Cent. Im Gegensatz dazu werden Gesichtsroller hier zum Teil für bis zu 40 Euro verkauft.
Sie haben den Arbeiterinnen und Arbeitern einen Rosenquarzroller gezeigt und ihnen auch den Preis genannt. Wie haben diese reagiert?
Die Arbeiter, denen meine Kollegin und ich den Roller gezeigt haben, hatten so ein Produkt noch nie gesehen. Den Roller an sich fanden sie ganz spannend. Aber sie waren extrem überrascht, wie viel diese Produkte in Deutschland kosten. Ein Arbeiter sagte, dass sie dann doch eigentlich auch mehr verdienen müssten. Aber die Macht dieser Menschen ist so gering, es gibt keine Instanz, an die sie sich wenden könnten. Und wenn sie die Arbeit für das wenige Geld nicht machen wollen, haben sie im Zweifel gar kein Einkommen mehr.
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Kann das Lieferkettengesetz, das im Januar 2023 in Kraft tritt, etwas ändern?
Nein, das glaube ich nicht. Der ursprüngliche Gesetzentwurf hätte helfen können, aber er wurde in den Verhandlungen stark abgeschwächt, auch durch den Einfluss des Wirtschaftsministeriums und großer Wirtschaftsverbände. Die Anbieter hierzulande müssen nur auf die Zustände bei ihren direkten Zulieferern gucken – das wären bei den Rosenquarzrollern die Zwischenhändler in China. Bis zu den Minenarbeitern und -arbeiterinnen in Madagaskar müssen sie nicht schauen. Und selbst wenn Unternehmen von Missstände dort hören, ist es ihnen selbst überlassen, ob sie die Zusammenarbeit mit den jeweiligen Zulieferern abbrechen. Ich rechne deshalb nicht damit, dass sich für die Menschen in Madagaskar grundsätzlich etwas ändert.
Mit welchem Gefühl sind sie aus Madagaskar abgereist?
Es war bedrückend und seltsam. Es gibt zurzeit keine Aussicht auf Veränderung. Nicht mal Verzicht, also dass wir die Steine nicht mehr kaufen, hilft den Menschen vor Ort. Denn dann bricht ihr Einkommen vollkommen weg. Es müssten bestimmte Standards und Regularien eingeführt werden, so etwas wie ein Fairtrade-Siegel, damit sich die Bedingungen ändern und mehr Geld bei den Arbeiterinnen und Arbeitern ankommt. Aber das ist nichts, was morgen passiert. Helfen kann hoffentlich eine kritische Öffentlichkeit, die weiter nachfragt und Missstände nicht einfach hinnimmt.
Tipp: Die vollständige NDR-Fernsehreportage „Rosenquarz, Gua Sha, Crystals: Kinderarbeit für Schönheit?“ von Nadja Mitzkat und Zita Zengerling finden Sie hier.
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