Fast alles lässt sich heute vernetzen – von Autos und Kühlschränken über Puppen bis hin zu Herzschrittmachern. Das ist Segen und Fluch zugleich: Die smarten Dinge können unseren Alltag bequemer, sicherer, gesünder und umweltschonender gestalten. Doch sie sammeln auch Unmengen von Daten und gefährden so unsere Privatsphäre und Sicherheit. test erklärt, was das Internet der Dinge ist und warum es sowohl Chancen als auch Risiken mit sich bringt.
Per Internet das Auto lahmlegen
Andy Greenberg tritt aufs Gas. Mit aller Kraft. Doch der Jeep reagiert nicht. Im Gegenteil: Das Auto wird immer langsamer, kriecht im Schneckentempo über den Highway. Im Rückspiegel sieht Greenberg einen tonnenschweren Lkw auf sich zudonnern. „Das war es für Dich“, schreit eine Stimme aus den Lautsprechern des Wagens. Sie gehört einem der Computerspezialisten, die den Jeep aus der Ferne gekapert haben. Per Internetverbindung war es den Hackern Charlie Miller und Chris Valasek möglich, das Getriebe sowie Motor und Bremsen lahmzulegen.
Hacker weisen auf Sicherheitslücken hin
Greenberg kam mit dem Schrecken davon. Der Journalist vom US-Technikmagazin „Wired“ wusste zwar, dass die Attacke stattfinden sollte – aber nicht wann. Mit der Aktion wollten die Hacker keinen Schaden anrichten, sondern gemeinsam mit Greenberg gravierende Sicherheitslücken aufzeigen. Der Effekt war enorm: Der Jeep-Mutterkonzern Fiat Chrysler rief 1,4 Millionen Autos zurück, um deren Netzwerksicherheit nachzubessern.
Im Netz, ohne es zu wissen
Zunächst war das Internet vor allem ein Netz der Computer, später auch der Smartphones und Tablets. Heute agieren dank moderner Funktechniken und kleiner, billiger und effizienter werdender Chips auch Autos, Uhren, Fernseher und viele andere Geräte im Netz. Ihnen ist oft nicht anzusehen, dass sie online sind – daher bewegen sich viele Nutzer, ohne es zu merken, im Internet der Dinge (Englisch: „Internet of Things“, abgekürzt „IoT“, Was ist das Internet der Dinge?). Der Informatiker Hervais Simo vom Fraunhofer-Institut für Sichere Informationstechnologie spricht vom „versteckten Internet, in dem die Computer und ihre Datenerfassung kaum wahrnehmbar sind“.
Sechs Milliarden Dinge sind schon online
Laut dem Marktforschungsinstitut Gartner sind heute weltweit rund 6 Milliarden solcher Dinge online. In vier Jahren sollen es 21 Milliarden sein. Die smarten Produkte erfassen mit integrierten Sensoren Körper- oder Raumtemperaturen, bemerken, wenn die Kinder aus der Schule kommen und registrieren Vollbremsungen von Autos. Viele können auch Aktionen auslösen: So melden manche Drucker dem Hersteller, wenn sie feststellen, dass ihnen die Tinte bald ausgeht. Der Anbieter schickt Kunden mit Tinten-Abo dann Nachschub (Test Tintenkombidrucker, test 4/2016).
Gefahr für die Privatsphäre
Die Geräte übertragen die gesammelten Daten oft an Hersteller und deren Partnerfirmen. Das ermöglicht viele nützliche Dienste – von personalisierten Filmvorschlägen auf dem Smart TV bis zu individuellen Gesundheitstipps des Fitnesstrackers (Test Fitnessarmbänder, test 1/2016). Die Schattenseiten: Die Vernetzung macht Geräte anfälliger für Manipulationen. Und die Intensität, mit der Firmen das Nutzerverhalten überwachen, steigt ebenso wie das Risiko, zum Opfer von Datendieben zu werden. „Die schöne neue Welt der totalen Vernetzung schafft spannende Produkte. Sie bedroht aber auch die Privatsphäre, die Selbstbestimmung und mitunter sogar die Sicherheit von Verbrauchern“, meint Forscher Simo.
Mehr Komfort im Alltag
Ein Versprechen der Hersteller lautet: mehr Bequemlichkeit. Ein vernetztes Auto etwa bietet Musikstreaming und Zugang zu sozialen Netzwerken für Beifahrer. Es schlägt zudem in Echtzeit alternative Routen vor und hält den Fahrer so von Staus fern. Ebenfalls praktisch: Per App lassen sich viele Geräte fernsteuern. Siemens etwa wirbt für Backöfen, die der Hausherr vorheizen kann, während er noch in der U-Bahn sitzt. Und für Kühlschränke, die dem Besitzer dank eingebauter Kamera erlauben, vom Supermarkt aus online nachzusehen, ob noch Milch da ist.
Schutz und Sicherheit
Ein weiterer Vorteil vernetzter Gegenstände: Sie können das Leben sicherer machen. Schon heute melden sich Autos der Oberklasse beim Hersteller, falls die Sensoren Reparaturbedarf messen. Ab 2018 werden in der EU alle neuen Modelle vernetzt und mit eCall ausgestattet sein. Das Notrufsystem kontaktiert bei Unfällen automatisch Rettungsstellen via Mobilfunk. Viele Autohersteller, aber auch der Internetriese Google arbeiten sogar an intelligenten Modellen, die komplett selbstständig fahren und damit den größten Risikofaktor – den Menschen – aus dem Verkehr ziehen sollen. Auch andere vernetzte Gegenstände sorgen für mehr Sicherheit im Alltag: Smart-Home-Geräte etwa können Nutzer per Nachricht aufs Smartphone über Einbrüche, Wasserschäden oder Alarmsignale von Rauchmeldern informieren.
Gesund und selbstbestimmt leben
Profitieren können Verbraucher auch in Sachen Gesundheit. Fitnessarmbänder erfassen körperliche Aktivitäten und motivieren mit spielerischen Anreizen zu mehr Sport. Auch manche Herzschrittmacher und Insulinpumpen sind bereits vernetzt. Sie liefern dem Arzt permanent Patientendaten. So lassen sich überflüssige Termine vermeiden und Warnsignale des Körpers früh erkennen. Alten und gebrechlichen Menschen können in Teppiche eingebaute Fallsensoren das Leben retten. Ein vom Bundeswirtschaftsministerium ausgezeichneter Bodenbelag ruft nach Stürzen automatisch den Rettungsdienst. Künftig sollen Roboter Menschen mit Handicaps im Alltag unterstützen. Das kann den Umzug ins Pflegeheim verhindern oder verschieben.
Energie sparen, die Umwelt schonen
Das Internet der Dinge soll zudem Geldbeutel und Umwelt schonen. Städte können durch vernetzte Verkehrssysteme den Ausstoß von Abgasen reduzieren, indem sie Fahrer zu freien Parkplätzen führen. Heizungen brauchen im Winter nicht mehr ständig auf niedriger Stufe zu arbeiten. Der Hausherr kann sie tagsüber abstellen und zwei Stunden vor Feierabend per App vom Büro aus wieder einschalten. Auch Smart Meter – vernetzte Verbrauchsmessgeräte, die Verbrauchern erlauben, ihren Energiebedarf fast in Echtzeit zu überwachen – sollen zum Stromsparen beitragen. Wie sehr sie wirklich helfen, ist umstritten. Kontrovers diskutiert werden auch die Überwachungsmöglichkeiten, die sich aus ihrer Datenerfassung ergeben (siehe Meldung Digitale Stromzähler: Nutzen fraglich).
Das Internet der gehackten Dinge
„Wach auf, du kleine Schlampe!“ Diesen Satz hörte ein Vater aus Houston, als er das Zimmer seiner zweijährigen Tochter betrat. Laut Medienberichten hatte ein Hacker die Babykamera gekapert, über die die Eltern das Wohl des Mädchens im Blick behalten wollten. Der virtuelle Eindringling konnte nicht nur das Kind beschimpfen, sondern auch die Kamera steuern. Die Stiftung Warentest stieß bei Babycams auf ähnliche Probleme (Spektakuläre Sicherheitslücken). Die Liste der Sicherheitslücken im Internet der Dinge ist lang: Über eine spezielle Suchmaschine fanden Experten online angreifbare Verkehrsampeln, medizinische Geräte und sogar Kernkraftwerke.
Zugriff auf weitere Geräte möglich
Wer ein vernetztes Produkt hackt, kann nicht nur das Gerät selbst manipulieren, sondern mitunter auch weitere Dinge im selben Netzwerk – etwa Computer, Smartphones und Tablets. So erbeutet der Hacker möglicherweise dort gespeicherte Daten wie zum Beispiel Kreditkartennummern, Passwörter, medizinische Informationen oder private Fotos.
Angreifer haben oft leichtes Spiel
Zwar lässt sich kein vernetztes Produkt vollständig gegen Angriffe sichern, doch viele Geräte sind erschreckend leicht zu attackieren. Etliche arbeiten ohne Verschlüsselung, verzichten auf Passwörter oder nutzen leicht zu erratende Standardkombinationen. Und Antivirenprogramme lassen sich auf smarten Produkten meist nicht installieren. Software-Updates, die Sicherheitslücken stopfen, stellt längst nicht jeder Anbieter zur Verfügung. Diese Defizite erklären sich teils dadurch, dass Hersteller ihre Produkte möglichst schnell und billig auf den Markt bringen wollen. Für effektive Sicherheitstests fehlen oft Zeit, Geld oder Wissen. Viele Anbieter kommen zudem aus Branchen, die mit IT bisher wenig zu tun hatten.
Der durchleuchtete Verbraucher
Computer und Smartphones haben bisher vor allem unser Surfverhalten erfasst. Geräte aus dem Internet der Dinge messen und melden nun viele Parameter, die Dritte bisher kaum ermitteln konnten. Unseren Puls. Unseren Fahrstil. Wie gut wir Zähne putzen – oder auf welcher Seite unseres E-Books wir besonders lange verharren. „Je mehr solcher Datenquellen man kombiniert, desto vollständiger wird das Persönlichkeitsbild“, sagt Andreas Sachs vom Bayerischen Landesamt für Datenschutzaufsicht. Mitunter lassen sich aus diesen Daten auch Rückschlüsse auf persönliche Vorlieben, Gewohnheiten, Krankheiten oder Stimmungen ziehen.
Des einen Freud ...
Dieses Wissen ist für Firmen interessant, weil sie so ihre Kunden und deren Bedürfnisse noch genauer kennenlernen und dadurch neue Produkte, Werbemöglichkeiten oder Partnerschaften mit anderen Unternehmen entwickeln können. Gerade für Versicherungen, Banken, Vermieter, Arbeitgeber und Auskunfteien sind detaillierte Persönlichkeitsprofile nützlich – etwa um die Höhe von Beiträgen und Zinsen individuell anzupassen oder über die Vergabe von Krediten, Wohnungen und Jobs zu entscheiden.
... ist des anderen Leid
Für Verbraucher kann genau das allerdings ein Nachteil sein, etwa wenn sie aufgrund ihrer Profile mehr zahlen müssen oder ihnen manche Leistungen verweigert werden. Dass sich auch Staaten für die großen Datenmengen aus dem Internet der Dinge interessieren, ist spätestens seit dem NSA-Überwachungsskandal bekannt. Der amerikanische Geheimdienstdirektor James Clapper gab das im Februar dieses Jahres gegenüber dem US-Senat offen zu: „Zukünftig könnten Geheimdienste das Internet der Dinge zur Identifikation, Überwachung, für Monitoring, Ortung, zum Anwerben von Personal und für den Zugriff auf Netzwerke und die Anmeldedaten von Nutzern verwenden.“
Smart heißt nicht immer schlau
Auch die Technik selbst kann zum Risiko werden. Zum Beispiel lassen sich nicht alle vernetzten Geräte bei Strom- oder Netzwerkausfällen manuell bedienen. Erst im Januar klagten einige US-Kunden der zu Google gehörenden Firma Nest, dass ihre Thermostate nicht mehr funktionierten und die Heizungen sich nicht einschalten ließen – mitten im Winter. Bei smarten Türschlössern oder vernetzten medizinischen Geräten könnten Ausfälle und Fehlfunktionen noch gravierendere Folgen haben.
Stichwort Interoperabilität
Für Verbraucher ist zudem wichtig, dass sie Produkte verschiedener Hersteller miteinander verbinden können. So sollten etwa smarte Fensteröffner nur dann aktiv werden, wenn es draußen nicht stark regnet oder friert – dafür muss ihnen ein anderes Gerät das Wetter mitteilen. An dieser Interoperabilität mangelt es aktuell aber oft. Die Anbieter streiten noch über Standards. Derzeit kommen daher unterschiedliche Techniken zum Einsatz, die nicht immer kompatibel sind.
Viele Jobs könnten bald automatisierbar sein
Das Internet der Dinge könnte auch enorme gesellschaftliche Folgen haben. Zwar dürfte es in einigen Branchen neue Arbeitsplätze schaffen. Andererseits prognostizieren einige Experten, dass die fortschreitende Automatisierung durch Computer und Internet die Arbeitslosenzahlen erhöhen wird: Eine Studie der Universität Oxford geht davon aus, dass in 10 bis 20 Jahren rund 47 Prozent aller Jobs in den USA automatisierbar sein werden. Und die Zukunft hat bereits begonnen: Schon heute lassen Presseagenturen – etwa in den USA – manche Meldungen von Computern statt von Journalisten schreiben.
Werden uns die Geräte irgendwann überstimmen?
Je mehr smarte Dinge Alltagsprozesse übernehmen, desto drängender wird die Frage, ob und wie der Mensch noch intervenieren und die Geräte überstimmen kann. Einige Modelle von Googles selbstfahrendem Auto haben etwa kein Lenkrad eingebaut – der Mensch soll und kann also nicht mehr in den Straßenverkehr eingreifen. Entsprechend dazu wäre es denkbar, dass der Fernseher irgendwann bestimmt, dass ein Horrorfilm angesichts aktueller Daten des Herzschrittmachers keine gute Idee ist. Oder dass der Kühlschrank der Zukunft sich verriegelt, wenn ihm das Fitnessarmband mangelnde sportliche Aktivitäten des Nutzers meldet.
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@micha.schade: Man muss schon genau rechnen: 0,5 W/Gerät * 24h * 365Tage = 4,38kWh/a oder etwas mehr als 1,09 Euro/a Stromkosten/Gerät bei rund 0,25Euro/kWh ... klingt nicht viel, kann sich aber auch Summieren.
@mikesch_x. In Mathe nicht aufgepasst? Bei 0,5 W müssten 2000 Geräte eine Stunde in Betrieb sein, um 1 kWh zu "verbrauchen". Ich glaube, Stromverbrauch taugt als Argument nicht so recht. Außerdem ist das Internet beim Smart Home nicht zwingend erforderlich. Ein gut abgesichertes WLAN sollte reichen. Wem das nicht reicht, stellt um auf KNX. Ist die Frage ob man Smart Home will oder nicht. Wenn man's nicht will - ist okay. Aber dann sollte man andere, die's wollen nicht als Blödmänner hinstellen o. ä. Ich kaufe mir ja auch keine VR-Brille, bin aber mit Leuten befreundet, die eine haben und freu mich mit ihnen. Jedem Tierchen sein Plaisirchen!
war stolz you tube auf meinem Fernseher an Router angeschlossen zu haben!!
WM-Handball BRD/Ungarn konnte ich dennoch nicht ganz sehen, irgendwer fühlte sich bei den Rechten wieder auf den Schwanz getreten... technischer Verstand nützt nicht immer!!
Alle Smart-Geräte im Haus gehen üblicherweise übers WLAN ins Internet und müssen im Router konfiguriert sein.
Fall1: Ohne Voranmeldung gibt der Router seinen Geist auf und muss ausgetauscht werden. Wer seine aktuellen Routereinstellungen nicht aktuell gesichert hat und das sind fast alle Nutzer, der hat jetzt richtig viel zu tun, damit sein Home wieder smart wird.
Fall 2: Die WLAN-Technologie entwicklet sich zügig weiter. Mal gibts neue Normen, mal andere Übertragungstechnologien, mal andere Frequenzbänder. Werden die Smart-Home-Geräte austauschbare Netzmodule haben oder muss ich deswegen gleich den Kühlschrank auswechslen, damit das WLAN-Netz keine Geschwindigkeitsbremser bekommt?
Der Trend der Hersteller ist leider nicht mehr, dass der Kunde möglichst lange Freude am Produkt hat, sondern dass die Produkte möglichst schnell erneuert werden. Un wer soll das dann bitte noch bezahlen können, bei den stagnierenden Gehaltssteigerungen der Arbeitnehmer.
Z. B. alle neueren BMWs. Es wird alles mögliche gespeichert, insbesondere wo das Auto ist. Es gibt damit keine Privatsphäre mehr, es ist noch viel schlimmer als beim Handy. Die Autos sind aus dem Netz angreifbar, weil alles am selben Bus hängt. Viele Daten werden unverschlüsselt übertragen. Das ist etwas, was ich nicht will. In meinen Augen ist das auch illegal, weil ich es nicht unterbinden kann. Einen Mac kann man wenigstens komplett abdichten, das geht beim Auto nicht. Siehe dazu http://www.heise.de/ct/ausgabe/2016-9-Was-moderne-Autos-speichern-und-wie-man-an-die-Informationen-herankommt-3166885.html