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Gutes tun und fremde Länder sehen – das Angebot an internationalen Hilfsdiensten ist groß. Es gibt hunderte Projekte im sozialen, ökologischen und kulturellen Bereich, in Europa wie in Übersee. Hilfswillige können in Kolumbien Straßenkinder betreuen oder in Afrika die Natur schützen. Doch nicht alle Anbieter sind seriös.
Improvisationstalent ist gefragt
Was die Zeit nach ihrem Abitur bringen sollte, das wusste Lina Finkelnburg genau: Sie wollte etwas von der Welt sehen und anderen Menschen helfen. Das hat geklappt. Ein Jahr lang absolvierte die heute 21-Jährige einen Freiwilligendienst in einer Schule im indischen Karnataka. „Viele Kinder hatten ein wirklich hartes Schicksal. Einige waren Waisen, andere waren misshandelt worden oder hatten in Fabriken gearbeitet“, erzählt sie. Die Berlinerin, die wenige Wochen zuvor ihr Abitur bestanden hatte, hat gemeinsam mit anderen Freiwilligen eine Klasse mit 35 bis 40 Kindern in Englisch, Musik und Kunst unterrichtet. „Oft musste ich mich ganz schön durchwurschteln“, erzählt sie. „Doch nach sieben Monaten lernte ein Mädchen plötzlich lesen – das war mein persönlicher Glücksmoment.“
Nach dem Schulabschluss erst einmal etwas Sinnvolles tun
Solche Erlebnisse wünschen sich immer mehr Schulabgänger. Rund 8 800 Freiwillige waren 2014 bei Freiwilligendiensten im Einsatz, berichtet der Arbeitskreis Lernen und Helfen in Übersee (AKLHÜ). Internationaler Freiwilligendienst ist ein Sammelbegriff für ehrenamtliche Arbeitseinsätze in Europa und Übersee. Es gibt hunderte Projekte im sozialen, ökologischen und kulturellen Bereich. In Kolumbien Straßenkinder zu betreuen fällt ebenso darunter wie die Mitarbeit in afrikanischen Naturschutzstationen oder ein Praktikum beim Auslandsrundfunk Deutsche Welle in Moskau. Die meisten Einsätze gibt es in Indien, Südafrika, Großbritannien, Frankreich und Peru.
Freiwillige leisten keine Entwicklungshilfe
„Entwicklungshilfe leisten Freiwillige nicht“, stellt Adelheid Schultze von der Organisation Engagement Global klar, einem Informations- und Servicedienst für Entwicklungsinitiativen. „Auslandsaufenthalte dienen vor allem der Weiterbildung und der persönlichen Entwicklung der Freiwilligen.“ Schultze fügt hinzu: „Allerdings wird ihr Einsatz vor Ort sehr geschätzt und trägt zur Völkerverständigung bei.“
Günstig in ferne Länder
Für viele junge Menschen ist es auch die Chance, günstig ins Ausland zu kommen und nebenbei Englisch zu lernen. Das kann gelingen, wenn man sich wie Lina Finkelnburg rechtzeitig um eine Stelle bemüht. Sie hatte sich in dem Jahr vor ihrem Abitur informiert und im Frühjahr beworben. Nach einem mehrmonatigen Auswahlverfahren flog sie im August 2013 nach Indien. Für ihr Jahr zahlte sie rund 2 000 Euro und erhielt ein Taschengeld von monatlich 100 Euro. Organisiert wurde ihr Aufenthalt von Weltwärts, dem Freiwilligendienst des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Unter dem Dach von Weltwärts entsenden auch Organisationen wie Brot für die Welt und das Deutsche Rote Kreuz Freiwillige ins Ausland. Der Dienst arbeitet eng mit Hilfsorganisationen vor Ort zusammen.
Luxus-Workcamp auf den Fidschi-Inseln
Unter die Begriffe Freiwilligendienst und ehrenamtlicher Einsatz fallen auch sogenannte Workcamps. Die Teilnahme kann man über kommerzielle Anbieter auch kurzfristig buchen. Hauptunterschied: Die Aufenthalte in den Ländern dauern nur wenige Wochen oder Monate. Diese Workcamps werden oft mit blumigen Worten beworben. Auf der Internetseite des Anbieters Praktikawelten heißt es: „Das Paradies in der Südsee ist einfach atemberaubend. Eine umwerfende Unterwasserwelt, weiße Sandstrände, wie man sie nur von Postkarten kennt, und türkises Meer: Welcome to the Fiji Islands!“ Für vier Wochen auf die Fidschi-Inseln zu reisen, um Korallen zu zählen – auch das ist möglich.
5 000 Euro für Naturschutzprojekt
So ein Freiwilligendienst de luxe ist teuer: Rund 5 000 Euro kostet etwa ein zwölfwöchiger Aufenthalt auf den Galapagos-Inseln. Dazu kommen Kosten für Flüge, Versicherungen und Impfungen. Längst nicht alle Angebote sind seriös und sinnvoll. „Uns sind Fälle von Freiwilligen bekannt, die etwa in Südafrika am Flughafen gelandet sind und nicht abgeholt wurden“, sagt Karoline Wiemers-Meyer vom AKLHÜ. Interessierte sollten unter anderem darauf achten, dass die Programme pädagogisch begleitet werden (Unser Rat).
Langeweile in Ghana
Die 22-jährige Maria Weiß* aus Potsdam reiste über einen privaten Anbieter acht Wochen nach Ghana. Sie sollte Grundschülern bei den Hausaufgaben helfen. Mit der Betreuung vor Ort und ihrer einfachen Unterkunft war sie zufrieden. Trotzdem äußert sie sich kritisch. „Wir waren zu viele Freiwillige und haben uns oft nur gelangweilt“, sagt sie. „Im Nachhinein glaube ich, dass dieses Projekt geschaffen wurde, um reiche Kids zu beschäftigen.“ Freiwilligendienste von Anbietern wie Weltwärts dauern 6 bis 24 Monate – in der Regel ein Jahr. Expertin Schultze erklärt: „Erst bei einem längeren Aufenthalt können die Teilnehmer Kultur, Sprache und Projektarbeit verstehen und so ein Projekt im Ausland wirksam unterstützen.“
Abenteuerlust gehört dazu
Weitere Vorteile für Teilnehmer staatlich geförderter Programme wie Weltwärts oder dem Unesco-Programm Kulturweit: Sie haben Unfall- und Krankenversicherungsschutz. Oft bekommen sie Reisekosten und Taschengeld bezahlt. Jugendliche mit Berufsausbildung haben die besten Chancen, genommen zu werden – auch wenn es sehr viele Abiturienten ins Ausland zieht. Wer sich für einen Freiwilligendienst in einem Entwicklungs- oder Schwellenland entscheidet, sollte Interesse für fremde Kulturen und Abenteuerlust mitbringen. Denn nicht immer läuft alles nach Plan.
Zur Nachahmung empfohlen
Als Lina Finkelnburg nach Indien kam, musste sie feststellen, dass ihre Unterkunft noch nicht bezugsfertig war. Deshalb schlief sie zunächst einige Nächte in einer Reiskammer, später teilte sie sich mit einer anderen Freiwilligen ein winziges Zimmer. „Wir hatten keinerlei Privatsphäre, aber daran haben wir uns gewöhnt“, erzählt sie. Bereut hat sie ihr Jahr in Indien noch nie. „Eigentlich sollte jeder einige Zeit in einem Land verbringen, in dem Menschen ganz anders leben“, findet sie. Ihr nächstes Ziel: ein Naturschutzprojekt in Kenia.
*Name von der Redaktion geändert.
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- Der Kinderkonten-Vergleich der Stiftung Warentest informiert, ob und zu welchen Bedingungen Kinder, Schüler, Auszubildende und Studenten ein Konto eröffnen können.
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- Mit Entfernungspauschale, Unfall- und Reisekosten Steuern sparen: Wer ins Büro fährt, setzt die Pendlerpauschale ab. Wer auswärts unterwegs ist, rechnet noch mehr ab.
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- Arbeitgeber können ihren Angestellten bis zu 3 000 Euro Prämie steuerfrei auszahlen. Solche geldwerten Vorteile bringen mehr als eine Gehaltserhöhung. 14 Beispiele.
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Jährlich gehen rund 3.500 junge Menschen weltwärts und engagieren sich zwischen sechs und 24 Monaten bei einer lokalen Partnerorganisation. Seit 2013 können auch junge Menschen aus den Partnerländern über die sog. Süd-Nord-Komponente an weltwärts teilnehmen.
Beratung zu weltwärts bietet die Engagement Global, bei der die Koordinierungsstelle weltwärts angesiedelt ist, sowie auch die zahlreichen Entsendeorganisationen, die weltwärts -Freiwillige in ihre Partnerorganisationen entsenden. Auf der weltwärts-Website können alle aktuell ausgeschriebenen Projektplätze eingesehen werden:
http://www.weltwaerts.de/de/einsatzplatzboerse.html
Neben weltwärts gibt es zahlreiche weitere Möglichkeiten, sich als Einzelperson oder als Verein entwicklungspolitisch zu engagieren. Die Mitmachzentrale der Engagement Global berät dazu unter 0800 188 7 188 oder info@engagement-global.de.
Eurodesk berät Interessierte kostenlos und neutral zu Wegen ins Ausland über www.rausvonzuhaus.de oder telefonisch unter 0228-9506-250. Eurodesk ist ein Projekt der Fachstelle für Internationale Jugendarbeit der Bundesrepublik Deutschland (IJAB) und wird vom Bundesjugendministerium und der EU gefördert.
Für mehrmonatige Freiwilligendienste gibt es gesetzlich geregelte und geförderte Freiwilligenprogramme. Neben weltwärts und kulturweit gibt es z.B. den Europäischen Freiwilligendienst und den Internationalen Jugendfreiwilligendienst. Kommerzielle Angebote sollten sorgfältig geprüft werden, insbesondere Angebote, die Freiwilligentätigkeit und Sightseeing kombinieren („Voluntourismus“). VORSICHT gilt besonders bei kommerziellen, kurzzeitigen sozialen Projekten im Ausland, insbesondere bei der Arbeit mit Kindern. Dagegen gibt es im Bereich der Workcamps auch Angebote von gemeinnützigen Organisationen: www.workcamps.de. Weitere Infos hierzu unter www.rausvonzuhaus.de/programmarten.
Hi, ich bin im Moment in einem Freiweilligenprojekt im Norden Perus, in einem winzigen Küstenvorort von Chiclayo, in Pimentel. Ich kann nun aus eigener Erfahrung bestätigen, das wirklich nicht alles immer so ist, wie es angeboten wird. Das fängt beim gebuchten Spanischunterricht als Vorbereitung an (kein ausgebildetes Lehrpersonal und null Lehrerfahrung) bis hin zur chaotischen Organisation. Ich sollte Kinder unterrichten, aber meistens sitzte ich nur rum, weil kein Unterricht stattfindet oder sonstwas nicht funktioniert.
Also aus meiner Erfahrung heruas muss ich sagen: Organisationen nur mit größter Vorsicht aussuchen - und nicht darauf verlassen was einem erzählt wird. Oft wird viel versprochen und wenig gehalten; Erfahrungsberichte im Internet geschönt und selbst geschrieben. Mein Tipp: wie bereits im Artikel hier empfohlen: auf Qualitätszertifikate wie http://quifd.de achten oder sich an den "DAA Deutscher Akademischer Austauschdienst" wenden.