
Hühnereier könnten bereits monatelang mit Fipronil belastet gewesen sein, bevor der aktuelle Skandal das Problem öffentlich machte. Ende 2016 gab es Hinweise, dass das illegale Insektizid bei der Desinfektion von Hühnerställen zum Einsatz kam. Mancher Bundesbürger sorgt sich, längere Zeit gesundheitskritische Eier gegessen zu haben. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat berechnet, ob bei kurz- oder längerfristigem Verzehr von betroffenen Eier eine gesundheitliche Gefährdung vorliegt – und gibt Entwarnung.
Entwarnung auch für die Kleinsten
Fipronil in Millionen Eiern – diese Nachricht hat Ende Juli 2017 einen Skandal ausgelöst. Offenbar ist ein Mittel zur Stallreinigung und Stalldesinfektion verbotenerweise mit dem Insektizid vermischt worden. Es gelangte über Belgien an eine niederländische Reinigungsfirma, die es in Ställen von Legehennen einsetzte. Die Tiere nahmen Fipronil auf. Dass das kritische Desinfektionsmittel in Legebetrieben angewandt wurde, sollen niederländische Behörden bereits Ende 2016 erfahren haben. Das heißt: Verbraucher haben möglicherweise über Monate hinweg mit Fipronil belastete Eier, Hühnerfleisch und daraus zubereitete Lebensmittel gegessen. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat aktuell in einer Stellungnahme für verschiedene Altersgruppen berechnet, ob der Verzehr von belasteten Lebensmitteln eine gesundheitliche Gefährdung birgt. Die Behörde hält das für unwahrscheinlich – selbst für Kleinkinder.
Zu viel Fipronil ist giftig
Zur Schädlichkeit von Fipronil: Im Tierversuch erwiesen sich hohe Gehalte als toxisch für das Nervensystem und teils auch für die Leber. Dabei war es egal, ob die Tiere das Insektizid verzehrt, inhaliert oder über die Haut aufgenommen hatten. Bei erwachsenen Tieren können die Effekte wieder nachlassen. Hinweise auf krebs- und erbgutverändernde Wirkungen von Fipronil liegen nicht vor. Es wird in der Tiermedizin als Mittel gegen Parasiten wie Flöhe, Zecken, Läuse, Schaben und Milben genutzt, zum Beispiel bei Hunden und Katzen. Bei lebensmittelliefernden Tieren darf es nicht eingesetzt werden. Daher müssen alle damit belasteten Lebensmittel aus dem Verkehr gezogen werden – egal wie hoch sie mit dem Insektizid belastet sind.
Ein belastetes Ei am Tag – kein akutes Risiko für Einjährige
Wie gefährlich sind die Fipronil-Gehalte, die aktuell in Eiern nachgewiesen wurden, für den Menschen? Das BfR hat die Risiken sowohl für den kurzzeitigen als auch für den längerfristigen Verzehr berechnet. Die Basis dafür sind unter anderem wissenschaftlich erhobene Verzehrsdaten und der bislang höchste Gehalt, der in Eiern aus Belgien ermittelt wurde: 1,2 Milligramm pro Kilogramm. Von derart belasteten Eiern könnte ein etwa ein Jahr altes, zehn Kilogramm schweres Kind ein Stück am Tag essen, ohne dass der gesundheitliche Richtwert – die akute Referenzdosis (ARfD) – überschritten wird. Bei einem Kleinkind von 16,5 Kilogramm wären rein mathematisch 1,7 Eier am Tag tolerierbar, bei einem 65 Kilogramm schweren Erwachsenen 7 Eier. Auch bei dauerhaftem Verzehr der belasteten Eier hält das BfR eine Gesundheitsgefährung für unwahrscheinlich. Selbst Zwei- bis Vierjährige, die – bezogen auf ihr Körpergewicht – am meisten Fipronil aufnehmen, schöpfen somit laut BfR die duldbare tägliche Dosis nur bis zu 76 Prozent aus.
Behörde hat auch Hühnerfleisch untersucht
Die amtliche Lebensmittelkontrolle hat inzwischen auch einige Proben Hühnerfleisch aus Lege- und Junghennen-Ställen auf Fipronil untersuchen lassen. Auch hier sei eine akute gesundheitliche Gefährdung, einschließlich kleiner Kinder, unwahrscheinlich – so das BfR. Die Tiere aus Lege- und Junghennenbetrieben spielen als Fleischlieferanten keine große Rolle. Legehennen kommen vorwiegend als Suppenhühner auf den Markt. Das meiste Hähnchenfleisch stammt aus anderen Betrieben, die sich auf die Fleischmast spezialisiert haben. Dem BfR liegen nach eigenen Angaben bislang keine Hinweise vor, dass Fipronil in reinen Mastställen eingesetzt wurde.
In Niedersachsen keine weiteren Legebetriebe belastet
Das Risiko, dass belastete Eier auf den Markt kommen, scheint gebannt: In Deutschland wurden die fünf niedersächsischen Höfe, auf denen das fipronilhaltige Desinfektionsmittel zum Einsatz kam, gesperrt. Laut Niedersachsens Agrarminister Christian Meyer (Grüne) untersuchten Fachleute der Behörden einige Tage nach Bekanntwerden des Skandals 300 Proben aus Legehennenbetrieben und Eier-Packstationen auf Fipronil – sie waren nicht belastet. Auch der Verein für kontrollierte alternative Tierhaltungsformen KAT, dem rund 2 400 Legebetriebe mit mehr als 5 400 Ställen angehören, hatte in der Neuen Osnabrücker Zeitung erklärt, dass keine belasteten Eier mehr frisch in den Handel gelangten. Der Lebensmittel-Discounter Aldi hält dennoch daran fest, „dass nur noch Eier an Aldi geliefert werden, für die ein negativer Fipronilnachweis aus einer amtlichen Probenahme oder von einem akkreditierten Labor vorliegt“, wie es in einer Aldi-Pressemitteilung heißt.
Vorräte älterer Eier kontrollieren
Das vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit betriebene Portal www.lebensmittelwarnung.de warnt weiterhin vor belasteten Eiern in allen Bundesländern und listet betroffene Chargen auf seiner Homepage auf. Wer also vor längerer Zeit Eier gekauft hat, sollte den Stempelaufdruck mit den genannten Chargen vergleichen. Betroffene Eier sollten nicht verzehrt, sondern über den Restmüll entsorgt werden. Möglicherweise nehmen Geschäfte die Ware aber auch zurück.
Rückruf von eierhaltigen Produkten
Inzwischen ist bekannt, dass auch eierhaltige Produkte von dem Fipronil-Skandal betroffen sind. Der Hersteller Neue Mayo Feinkost GmbH aus Lübeck rief Salate zurück, in denen er mit Fipronil belastete Eier in gekochter und geschnittener Form verarbeitet hatte:
- Porreesalat Toscana: MHD 20.08.2017
- Gosch Sonntagsfrühstück: MHD 28.08.2017
- Oma‘s Pellkartoffelsalat: MHD 16.08.2017
- Eiersalat klassisch: MHD 18.08.2017
- Hofgut Eiersalat: MHD 16.08.2017
- Hofgut Thunfischsalat: MHD 16.08.2017
Laut Niedersachsens Agrarminister Meyer soll geprüft werden, ob mit Fipronil belastete Eier zur Herstellung weiterer Lebensmittel – etwa Nudeln und Fertigkuchen – verwendet worden sind. Ebenso will man untersuchen, ob von Geflügelfleisch eine Gefahr ausgeht. Bislang gebe es darauf aber keine Hinweise, so Meyer.
Belastete Eier in vielen Ländern gehandelt
Zunächst waren insgesamt etwa 2,9 Millionen mit Fipronil belastete Eier aus den Niederlanden nach Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen geliefert worden. Laut Umweltministerum NRW sind davon knapp 900 000 in den Handel gelangt. Sie wurden zurückgerufen. Weitere 1,3 Millionen Eier seien über die Packstellen nach Niedersachsen gelangt und verkauft worden, gab das niedersächsische Agrarministerium bekannt. In den vier betroffenen niedersächsischen Betrieben haben Hühner nach Angaben von Landesagrarminister Meyer etwa 16 Millionen mit Fipronil kontaminierte Eier gelegt, die entweder verkauft oder zurückgerufen worden. Mittlerweile sind in 20 EU-Ländern, sowie mehreren Drittländern wie der Schweiz belastete Eier aufgetaucht.
So erkennen Sie betroffene Eier
In Deutschland wurde Fipronil in Eiern mit folgenden Stempelaufdrucken nachgewiesen (Quelle Lebensmittelwarnung.de):
- Beginnend mit 0:
- 0-DE-0360521, 0-NL-4170101, 0-NL-4310001, 0-NL-4352602, 0-NL 4385501, 0-NL 4392501, 0-NL-4031001, 0-NL-4352601, 0-NL-4370301, 0-NL-4048602, 0-NL-4263501, 0-NL-4263502, 0-NL-4293801, 0-NL-4293801
- Beginnend mit 1:
- 1-DE-0357731, 1-DE-0358001, 1-NL 4128604, 1-NL-4167902, 1-NL 4286001, 1-NL-4322401, 1-NL-4331901, 1-NL-4339301, 1-NL-4339912, 1-NL-4359801, 1-NL-4385701, 1-NL-4035701, 1-NL-4056701, 1-NL-4074606, 1-NL-4112901, 1-NL-4117601, 1-NL-4117602, 1-NL-4205102, 1-NL-4315402, 1-NL-4359801, 1-NL-4385701, 1-NL-4394301, 1-NL-4402101,
1-NL-4044401, 1-NL-4044402, 1-NL-4044403
- Beginnend mit 2:
- 2-DE-0358621, 2-NL-4212103, 2-NL-4272201, 2-NL-4272202, 2-NL-4272301, 2-NL-4322402, 2-NL-4332601, 2-NL-4332602, 2-NL- 4385702, X-NL-4022701, 2-NL-4041202; 2-NL-4056702, 2-NL-4074605, 2-NL-4167901, 2-NL-4205101, 2-NL-4207903, 2-NL-4275603, 2-NL-4360502, 2-NL-4383803, 2-NL-4383804, 2-NL-4395001, 2-NL-4022701, 2-NL-4044402, 2-NL-4044403, 2-NL-4044404, 2-NL-4270802, 2-NL-4037602, 2-NL-4343401
- Besonders belastete Eier in den Niederlanden:
- In den Niederlanden sind weit mehr Eier belastet: Wer dort kürzlich Eier gekauft hat, findet eine Übersicht über alle Stempelnummern der belasteten niederländischen Eier auf der Website der niederländischen Überwachungsbehörde NVWA.
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* Diese Meldung ist erstmals am 1. August 2017 auf test.de erschienen. Sie wurde seitdem mehrmals aktualisiert, zuletzt am 28. August 2017.
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wurden noch belastete Eier in Niedersachsen gefunden-
zu lesen in der Hessisch- Niedesächsischen Allgemeinen
Die Lebensmittelkontrollbehörden in Europa, aber auch speziell in Deutschland kontrollieren nicht richtig. Das musste ich in einem eigenen Fall bereits feststellen, bei dem ich bei dem zuständigen Lebensmittelüberwachungsamt Bittermandeln in einem Bio-Studentenfutter von Aldi Nord reklamierte. Das zuständige Lebensmittelüberwachungsamt hatte nach seinen Bekunden keine Möglichkeit die Mandeln auf Cyanid zu untersuchen und musste erst mal herausfinden, welches Amt im Land das kann. Es dauerte mehr als 7 Wochen bis das Ergebnis mitgeteilt wurde. Es wurden cyanidhaltige Mandeln im Studentenfutter gefunden, die Zahl der Bittermandeln im Studentenfutter war aber nicht so groß, dass die gesetzlichen Bestimmungen, nach denen max. 4 % Bittermandeln unter den Süßmandeln sein dürfen, überschritten wurde. Wäre der Anteil der Bittermandeln zu hoch gewesen, hätte das für Konsumenten schlimm ausgehen können. Aus diesem Grunde wundert mich nicht, dass es immer wieder zu Lebensmittelskandalen kommt.
Finde es wieder mal lustig wie viele bei so einem Skandal mit Reflexen reagieren. "Die Verbraucher sind schuld die wollen ja alle billig". "Klar dass passiert bei Massentierhaltung." So wird hier und anderswo geschrieben, dabei waren die Ursachen noch gar nicht geklärt. Jetzt scheint es so zu sein, dass ein Hersteller von Reinigungsmitteln für die Ställe, sein Mittel gepanscht hat. Also nix mit "weil die Verbraucher billig wollen" und "wegen der Massentierhaltung".
Generell ist der Vorwurf gegen die Verbraucher nicht zu halten. Klar wollen die Verbraucher billig, genauso wie Bauern, die Zwischenhändler und die Einzelhändler. Warum sollten die Verbraucher auch mehr zahlen wenn sie nicht sicher sein können auch mehr Qualität oder mehr Tierschutz zu bekommen?
...oder auf Bio setzen und dann an EHEC sterben.
Ich wollte einfach mal genauso verallgemeinern wie sie.
Und was dahinter steckt:
https://www.swr.de/marktcheck/bioeier-von-vermeintlich-gluecklichen-huehnern/-/id=100834/did=19466444/nid=100834/b9utt2/index.html