
Ernährungswissenschaftlerin Dr. Christina Hartmann
Insekten gelten als die Nahrung der Zukunft – weil sie nachhaltiger produziert werden können als Rind- oder Schweinefleisch und etwa viel hochwertiges Eiweiß liefern. Trotzdem finden nur wenige Gefallen an Grille, Mehlwurm oder Heuschrecke auf dem Teller. Die Ernährungswissenschaftlerin Dr. Christina Hartmann weiß, warum es uns so schwer fällt, Insekten in den Mund zu nehmen. Sie forscht an der ETH Zürich zu Ekel und zur Akzeptanz neuer Lebensmittel.
Insekten im Essen sind für die meisten von uns gewöhnungsbedürftig. Warum?
Ganz früher haben wir Europäer auch Insekten gegessen. Sie sind aber von unserem Speiseplan verschwunden, weil wir mit Getreide und Fleisch ausreichend Eiweiß-Alternativen hatten. Insekten sind bei uns anders als im asiatischen Raum einfach kulturell nicht mehr verankert. Sie lösen oft Ekel und Argwohn aus.
Warum genau ekeln wir uns vor Insekten?
Insekten verbinden wir von klein auf mit Ungeziefer. Sie kommen etwa, wenn Lebensmittel verderben. Wir lernen sie nicht als etwas Essbares kennen, sondern eher als etwas, das wir mit Krankheit und Schmutz assoziieren. In unserem Kulturkreis werden wir in das Fleischessen „hineinsozialisiert“. Bei Insekten müsste man das theoretisch genauso machen: Schon bei Kindern anfangen, sie als Nahrungsmittel zu etablieren. Der kulturelle Hintergrund ist der entscheidende Faktor. Die Fähigkeit, sich zu ekeln, ist angeboren. Die Auslöser sind jedoch kulturell anerzogen.
Wie hoch ist bei uns Europäern die Bereitschaft, Insekten zu essen?
Prinzipiell zeigen Studien, dass sie nicht besonders hoch ist. Wer schon einmal Insekten gegessen hat, ist eher bereit, sie auch wieder zu essen. Aber die erste Hürde, sie überhaupt mal in den Mund zu nehmen und zu probieren, ist relativ hoch. Es gibt natürlich Menschen, die offen sind und neue Dinge ausprobieren. Aber der Großteil der Bevölkerung ist doch eher abgeneigt.
Wie können wir unseren Ekel überwinden?
Insektenessen sollte an Seltenheit verlieren und präsenter werden. Nur wenn Insekten verfügbar sind und die Leute damit konfrontiert werden, haben sie die Möglichkeit, zu probieren. Eine Strategie, die gut funktioniert, ist es, Insekten zu verarbeiten. Und zwar so, dass man Ekelauslöser wie Insektenbeine, Äuglein oder Flügel nicht mehr sieht. Zum Beispiel wird dann nur das Mehl verarbeitet oder die Proteine extrahiert.
Was ich nicht sehe, ekelt mich also weniger?
Genau. Es ist ein erster Schritt, sich dem Insekt als Essen zu nähern. Wir konnten außerdem in einem Experiment zeigen, dass nach dem Konsum von verarbeiteten Insektenprodukten, auch die Bereitschaft steigt, unverarbeitete Insekten zu essen. Verarbeitete Produkte müssen allerdings auch die Geschmacksnerven der Bevölkerung treffen. Werden die Leute beim ersten Versuch nicht vom Geschmack überzeugt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie es wieder probieren natürlich recht gering. Bei uns in der Schweiz gibt es Insektenprodukte zu kaufen und bei vielen schmeckt man vom Insekt eigentlich nichts mehr. Sie sind einfach sehr stark gewürzt. Sagt einem diese Würzung nicht zu, ist man nicht unbedingt gewillt, das noch mal zu kaufen. Oft wird nicht der Geschmack des Insekts betont, sondern mehr übertüncht. Man hat dann nur noch die Idee von zerkleinerten Insekten. Und dann ist die Würzmischung recht entscheidend.
Sind Insekten eine gute Alternative zu klassischem Fleisch?
Insekten sind ernährungsphysiologisch wertvoll. Sie liefern hochwertiges Protein und haben mitunter eine sehr gute Fettsäurezusammensetzung. Auch aus ökologischer Sicht bieten sie Vorteile, zumindest gegenüber Rind- und Schweinefleisch. Im Vergleich zum Hühnchen ist der Unterschied in Bezug auf den ökologischen Fußabdruck nicht ganz so groß. Es kommt darauf an, welche Insektenart produziert und wie sie gefüttert wird.
Sind sich Verbraucher der Umweltauswirkungen von klassischen Fleischprodukten bewusst?
Die meisten unterschätzen, wie viele Ressourcen die Fleischproduktion braucht. Auch wenn man den Konsumenten versucht deutlich zu machen, dass es schlecht für die Umwelt und gesundheitlich bedenklich ist, zu viel Fleisch zu essen, sind die meisten nicht bereit zu reduzieren. Ökologische Argumente allein reichen nicht. Der überzeugte Fleischesser sieht nicht ein, warum er eine Alternative essen soll, wenn er das Fleisch haben kann.
Werden wir bald alle Insekten ohne Ekel essen?
Nein, das glaube ich nicht. Insekten sind ein gutes Beispiel dafür, wie schwer es ist, etwas Neues auf den Speiseplan zu bringen. Sicherlich ist es für Abenteuerlustige ein attraktives Lebensmittel, auch weil sie die Idee dahinter gut finden. In absehbarer Zeit werden Insekten vermutlich nicht auf dem Teller von Herr und Frau Müller landen.
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@osi: ich kann verstehen, dass sich viele davor ekeln, Insekten, egal in welcher Form, zu essen. Wir waren vor 2 Jahren bei einem Insektenkochkurs und gingen auch mit gemischten Gefühlen hin. Letztlich hat es aber alles sehr gut geschmeckt und nachdem der Koch es vorgemacht hatte, habe ich sogar einen lebenden Mehlwurm verzehrt! ;-) Die Insekten wurden alle lebend angeliefert, frischer zubereiten kann man Essen kaum. Zudem enthalten Insekten sehr viel Protein.
Die Menschheit wächst immer weiter, jedes Jahr werden riesige Flächen Urwald gerodet, um Weideflächen für Rinder zu schaffen. Diese Flächen sind für die Produktion von Sauerstoff und Wasser verloren.
Für die Zucht von Insekten wird wesentlich weniger Platz und Futter benötigt und die Zeit von der "Geburt" bis zum Verzehr ist deutlich geringer als bei Schweinen, Rindern oder Geflügel.
Insofern sind Insekten vermutlich der interessanteste Ansatz für die Welternährung.
Mich lockt weder die -etwas- gesündere Zusammensetzung, noch der Preis.
Fürs selbe , bzw. sogar für weniger Geld bekomme ich zwei Rinds- oder Chickenburger ohne Ekelfaktor und entsprechende Bilder im Kopf.
Da man ohnehin kaum mehrmals in der Woche Burger verzehrt, ich vlt. alle zwei Monate, spielen ein wenig mehr Fett und weniger Eiweiß kaum eine Rolle.
Ich bleibe lieber beim klassischem Meat.
Sollen sich doch irgendwelche Hipster mit so etwas vergnügen....
Ich glaube nicht an bleibende bzw. ertragreiche Verkaufserfolge., das ist und bleibt bestimmt ein Nischenprodukt.