
Etwa jeder zehnte Deutsche hat Probleme, den Urin zu halten. Dennoch ist Inkontinenz ein Tabu. Mit unserem Test wollen wir dazu beitragen, dass sich das ändert. Er zeigt, welche Windeln, Pants oder Vorlagen sicher und komfortabel sind – und ermutigt Betroffene, aktiv zu werden. Im Test: 19 Inkontinenzprodukte, darunter teure Herstellerprodukte und günstige Kassenprodukte (Stückpreise: 0,34 bis 1,46 Euro). Neunmal vergaben die Tester die Note gut. Vor allem teure Einmalhosen überzeugen.
Angst vor peinlichen Erlebnissen
Inkontinenz – so lautet der Fachbegriff für ungewollt abgehenden Urin und Stuhl. Wer betroffen ist, fürchtet ständig peinliche Momente. Flecken auf der Hose, Knistern beim Laufen, strenger Geruch – das möchte garantiert keiner erleben, der mit Hilfsmitteln unterwegs ist. Knapp 200 Männer und Frauen, die aktiv im Leben stehen und unter mittlerer Inkontinenz leiden, prüften für uns im Alltag die Tauglichkeit 19 verschiedener Produkte: 8 Vorlagen, 8 Windelslips und 3 Einmalhosen, Pants genannt.
Inkontinenz in Zahlen
Jeder Zehnte ist betroffen.
9 Millionen Menschen in Deutschland leiden unter Inkontinenz.
60 Prozent scheuen den Arztbesuch.
Bis zu 40 Prozent der 60- bis 79-Jährigen sind betroffen. Bis 2040 wird diese Altersgruppe deutlich wachsen.
1,5 Millionen gesetzlich Versicherte bekommen von Krankenkassen aufsaugende Hilfsmittel erstattet.
0,2 Prozent der Gesamtausgaben der gesetzlichen Krankenkassen entfallen auf aufsaugende Inkontinenzprodukte.
Quellen: Deutsche Kontinenz Gesellschaft, GKV Spitzenverband, Bundesverband Medizintechnologie.
Komplizierte Versorgung von Patienten
Wir wählten Produkte von Herstellern mit hoher Marktbedeutung aus und solche von Anbietern, die Vertragspartner großer Krankenkassen sind. Wer gesetzlich versichert ist und eine Verordnung vom Arzt hat, bekommt die Kosten für Hilfsmittel von der Kasse erstattet. Welches Produkt er konkret erhält, entscheidet der Versorger, mit dem die Kasse einen Vertrag hat. Das kann zum Beispiel ein Apothekenverbund, ein Hersteller oder ein Home-Care-Unternehmen sein.
Günstige Produkte laufen häufiger aus
Das Testergebnis zeigt: Wer sicher und komfortabel durch Tag und Nacht kommen will, muss etwas tiefer in die Tasche greifen und eher die teuren Produkte kaufen. Von den acht Windeln und Vorlagen, die nur ausreichend abschneiden, kosten fünf viel weniger als der Durchschnitt. Diese fünf halten nicht dicht und trocken. Sie laufen häufiger aus und geben Harn wieder an die Haut ab.
Versicherte oft unzufrieden
Für gesetzlich Versicherte heißt das: Sie bleiben häufig auf der Strecke. Betroffene berichten oft, sie bekämen meist nur günstige Produkte. Darum verhandeln viele Versicherte lange mit ihrer Kasse, um bessere Hilfsmittel zu erhalten. Häufig zahlen sie aus freien Stücken mehr, um höherwertige Produkte zu erhalten. Daran wird sich vorläufig wohl nichts ändern. Denn etliche Krankenkassen haben die Pauschalen, die sie den Versorgern monatlich zahlen, deutlich gesenkt. Übrigens: Bei Streit um Hilfsmittel mit der Krankenkasse bieten die Verbraucherzentralen in Berlin, Hamburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz eine spezialisierte Patientenberatung an.
Höhe Anforderungen an Produkte
Etwas aber wird sich ändern: Ab 10. März 2017 müssen Aufsaughilfen, die als medizinisches Hilfsmittel gelten, höhere Qualitätsstandards erfüllen. Bisher reichte es für die Zulassung, wenn sie im Labortest Mindestanforderungen bestanden. Erstmals seit 23 Jahren treten jetzt neue Kriterien in Kraft: Zulässig sind dann nur noch Produkte, die im Labortest schneller als bisher Flüssigkeit aufnehmen, weniger Flüssigkeit an die Haut abgeben und Gerüche besser absorbieren. Das neu verabschiedete Gesetz zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung soll künftig dazu beitragen, dass Versicherte zu Hilfsmittel wie Inkontinenzprodukten besser beraten werden und stets die Wahl zwischen verschiedenen Produkten haben.
„Hoffnungslose Fälle sind selten“
Etwa 60 Prozent der Betroffenen gehen aus Scham nicht zum Arzt. Dabei gibt es heute zahlreiche Behandlungsmöglichkeiten. Die Deutsche Kontinenz Gesellschaft schätzt, dass Inkontinenz zu 30 bis 50 Prozent heilbar ist und zu 80 Prozent linderbar. Auf der Webseite der Deutschen Kontinenz Gesellschaft findet jeder über die Postleitzahlsuche Experten in seiner Nähe: Beratungsstellen, Kontinenz- und Beckenbodenzentren sowie Selbsthilfegruppen. „Hoffnungslose Fälle sind selten“, macht Gisele Schön den Betroffenen Mut. Das komplette Interview mit der erfahrenen Kontinenzberaterin können Sie lesen, wenn Sie den Artikel freischalten.
Das bietet der test-Artikel
- Testergebnisse zu 19 Inkontinenzprodukten
- Ratschläge zu häufigen Problemen mit Versorgern, Apotheken und Krankenkassen
- Ein Interview mit einer erfahrenen Kontinenzberaterin
- Vier Fallbeispiele von Betroffenen, die offen von ihren Problemen berichten
Ratgeber der Stiftung Warentest

Unser Buch Inkontinenz gibt auf 176 Seiten Empfehlungen für Therapieformen, Medikamente und alternative Behandlungen. Der Ratgeber kostet 19,90 Euro (E-Book: 15,99) und kann im Buchhandel oder im test.de-Shop bestellt werden.