
SMS, E-Mail oder Brief vom Inkassounternehmen? Panik ist in solchen Fällen fehl am Platz.
Wenn Inkassofirmen Geld eintreiben, müssen sie klare rechtliche Grenzen einhalten. Doch es gibt reichlich schwarze Schafe. Briefe und Mails von unseriösen Unternehmen sind gespickt mit Drohungen: So werden Hausbesuche angekündigt oder die eigenmächtige Pfändung von Wertgegenständen. Das sind reine Abzockversuche. Seriöse Inkassounternehmen arbeiten anders. test.de erklärt, woran Sie unseriöse Geldeintreiber erkennen können – und wie Sie auf Inkasso-Post reagieren sollten.
Das Wichtigste in Kürze
Berechtigte von unberechtigten Forderungen unterscheiden
Problem. Unseriöse Inkassobüros verschicken Zahlungsaufforderungen, die Verbraucher verunsichern.Häufig geht es um Gewinnspiele oder Erotikdienste. Die Forderungen sind völlig aus der Luft gegriffen. Empfänger können sie ignorieren, auf keinen Fall sollten sie sie bezahlen.
Prüfen. Wenn Sie ein Inkassoschreiben erhalten, überlegen Sie, ob die Forderung berechtigt ist. Sehen Sie unter rechtsdienstleistungsregister.de nach, ob der Absender behördlich registriert ist. Nur dann darf er Geld eintreiben. Ist das Unternehmen registriert, wirkt das Schreiben aber trotzdem betrügerisch, ist der Briefkopf vielleicht gefälscht. Rufen Sie nicht die dort genannte Nummer an, sondern die aus dem Rechtsdienstleistungsregister. Rat finden Sie bei Verbraucherzentralen.
Bezahlen. Ist die Inkassorechnung insgesamt richtig, bezahlen Sie sie schnell. Sonst drohen Mehrkosten.
Widersprechen. Kennen Sie die Forderung nicht, halten Sie ihre Höhe oder die Gebühren für falsch, widersprechen Sie schriftlich gegenüber dem Inkassobüro, am besten per Einschreiben mit Rückschein oder – bei Postfachadresse – mit Einwurfeinschreiben. Einen Musterbrief bietet der Verbraucherrechtsanwalts Thomas Hollweck. Löschen Sie betrügerische Inkassomails und -kurznachrichten. Öffnen Sie Anhänge nicht.
Mahnung meist vorher, aber nicht immer
Das Geschäft von Inkassofirmen ist das Eintreiben von unbezahlten Forderungen. Inkassobüros werden für Gläubiger tätig. Manchmal kaufen sie die Forderung und treten selbst als Gläubiger auf. Hat ein Kunde übers Internet etwa einen Laptop gekauft und bezahlt ihn nicht, wird der Verkäufer Schritte unternehmen, um an sein Geld zu kommen. Meist verschickt er zunächst Mahnungen. Er kann aber auch direkt Hilfe bei einem Inkassounternehmen suchen.
Regeln für Inkassobüros
Nicht jeder darf Geld eintreiben. Inkassofirmen müssen bei Amts- oder Landgerichten zugelassen und registriert sein. Zuständig ist das Gericht an ihrem Geschäftssitz, auch für ihre Aufsicht. Für die Zulassung müssen Inkassounternehmer beispielsweise rechtliches Fachwissen nachweisen. Gut für Kunden: Jeder kann im Internet unter rechtsdienstleistungsregister.de sofort kostenlos nachsehen, ob ein Unternehmen gelistet ist. Nur dann darf es berechtigte Forderungen eintreiben. Auch auf einen Blick ersichtlich: Aus dem Schreiben muss die Registrierung hervorgehen. Ein Muss sind auch „Abtretungserklärung“ oder „Inkassovollmacht“, unterschrieben vom Gläubiger. Empfänger können diese Dokumente im Original verlangen. Schon im ersten Schreiben muss außerdem stehen, wer was wofür möchte.
Unseriöse Inkassounternehmen erkennen
Unseriöse Eintreiber haben oft keine Erlaubnis. Sie versuchen, mit falschen Inkassoforderungen Geld zu kassieren. Ein Beispiel: Kürzlich warnte die Verbraucherzentrale Niedersachsen vor der Firma CC collections & consulting. Sie verschickte Zahlungsaufforderungen für Winners 49 & Topp 400 Millionenrente und gaukelte den Empfängern vor, das sie noch Beträge in Höhe von 244,54 Euro aus einer angeblichen Mitgliedschaft in einer Spielgemeinschaft zahlen müssten. Diese sollten sie auf ein bulgarisches Konto überweisen. Das nicht registrierte Unternehmen drohte damit, dass die Empfänger ansonsten bei Gericht mit Kosten in Höhe von 616,09 Euro sowie mit einem gerichtlichen Mahn- und Vollstreckungsverfahrens rechnen müssten. Weiteres Beispiel: Aktuell kursieren Inkassoschreiben verschiedener Firmen (etwa BESTCOM, PAYCOM und EMVECO), die Forderungen für angebliche erotische Dienstleistungen eintreiben wollen. Das Geld, meisten 90 Euro, sollen Empfänger beispielsweise in bar per Einschreiben nach Tschechien schicken
Bei Zahlungsaufforderungen aus dem Ausland genau hinsehen
Ein Sitz im Ausland oder eine ausländische Bankverbindung können verdächtig sein – müssen es aber nicht. In einigen Ländern ist der Begriff „Inkassobüro“ im Titel einer ausländischen Behörde enthalten. Wer Zahlungsaufforderungen aus dem Ausland erhält, beispielsweise wegen eines Knöllchens, sollte genau hinsehen, ob das Schreiben nicht von einer Behörde stammt (siehe auch Verkehrsverstöße im Ausland: Das sind die Regeln).
Falscher Rechnung widersprechen
Ob seriös oder unseriös – liegenbleiben sollte ein Inkassobrief nie. Hält der Empfänger die Forderung für falsch, sollte er dem Brief sofort schriftlich widersprechen. Nur betrügerische Mails kann jeder sofort löschen. Unseriöse Unternehmen schicken oft trotz Protest weitere Mahnungen mit höheren Kosten. Sie gehen auf den Widerspruch nicht ein. Das ist nicht rechtens. Wenn der Angeschriebene dargelegt hat, dass und warum er nicht zahlen wird, dürfen nicht unnötig Kosten in die Höhe getrieben werden. Ein gut vorgebrachter Widerspruch muss reichen. Noch mal schreiben muss man nicht.
Seriöse Inkassofirmen reagieren auf Einwände
Eine unberechtigte Forderung kann aber auch von einem seriösen Inkassobüro kommen. Inkassounternehmen sind nicht verpflichtet, die Forderungen rechtlich genau zu prüfen. Seriöse Unternehmen werden allerdings zumindest prüfen, ob eine Forderung juristisch nachvollziehbar erscheint und späteren Einwänden nachgehen.
Verbraucher, die Schulden schnell begleichen oder nur mit bis zu 50 Euro im Verzug sind, werden bei Geschäfts- und Einigungsgebühren entlastet. Gläubiger und Inkassodienstleister müssen Verbraucher außerdem besser über die Konsequenzen von Zahlungsvereinbarungen aufklären.
Berechtigte Forderung zahlen
Schuldet der Betroffene dem Gläubiger das Geld tatsächlich, muss er zahlen. Hat der Empfänger eine Rechnung nicht rechtzeitig bezahlt oder auf eine Mahnung nicht reagiert, ist er im Zahlungsverzug. Dann können auch Inkassogebühren als sogenannter Verzugsschaden von ihm verlangt werden.
Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, dass Inkassokosten erst dann verlangt werden dürfen, wenn der Gläubiger zuvor wenigstens eine Mahnung geschickt hat. Das ist zwar die Grundregel, aber es gibt Ausnahmen. Folgende drei seien genannt:
- 30-Tage-Regelung bei Geldschulden. Weist zum Beispiel der Händler den Käufer eines Handys in der Rechnung darauf hin, dass „die Rechnung sofort fällig ist“ und er in Zahlungsverzug ohne Mahnung gerät, wenn er nicht „innerhalb von 30 Tagen nach Zugang der Rechnung“ zahlt, tritt ab dem 31. Tag Verzug ein. Folge: Würde der Handy-Verkäufer nach 30 Tagen ohne Geldeingang sofort ein Inkassobüro zum Eintreiben der Forderung einschalten, hätte der Kunde neben dem Handypreis auch die Inkassokosten zu bezahlen.
- Zahlungszeit nach Kalender bestimmt. Ein Verbraucher tritt außerdem ohne Mahnung in Verzug, wenn er sich zuvor mit dem Gläubiger auf die Zahlung zu einem bestimmten Termin geeinigt hatte („spätestens bis zum 30. April 2019“ oder „Zahlung bis Ende April“) und dann nicht fristgerecht zahlt. Wichtig: Manchmal gibt der Gläubiger erst in der Rechnung einen festen Zahlungstermin vor. Diese einseitige Festlegung gilt nicht als Vereinbarung zwischen den Parteien. Heißt: Es bedarf doch noch einer Mahnung, bevor Verzug eintreten kann.
- Zahlungsvereinbarung ohne exakte Kalenderbestimmung. Ferner gerät der Schuldner in Verzug, wenn er eine Zahlungsfrist verstreichen lässt, auf die sich Gläubiger und Schuldner zuvor geeinigt hatten und die sich nach dem Kalender bestimmen lässt („Zahlbar innerhalb von 14 Tagen nach Lieferung“).
Inkassokosten genau prüfen
Ein genauer Blick auf die Inkassokosten lohnt sich. Inkassobüros dürfen nur so viel verlangen, wie auch ein Anwalt nehmen darf, wenn er Inkasso betreibt. Nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) richtet sich der Betrag, den ein Anwalt für ein Mahnschreiben fordern kann, nach der Höhe der Summe, um die gestritten wird, sowie nach dem RVG-Gebührensatz. Der hängt davon ab, wie umfangreich oder schwierig ein solches Schreiben ist. Zwischen Verbraucherschützern und Inkassofirmen ist umstritten, welcher Gebührensatz Inkassofirmen für ihre Mahnschreiben zusteht. Die Verbraucherzentrale Brandenburg sieht solche Briefe in der Regel als „Schreiben einfacher Art“ an, die nur einen Gebührensatz von 0,3 rechtfertigen. Nach RVG hieße das: 15 Euro bei einem Streitwert von bis zu 500 Euro. Die Inkassofirmen halten 1,3 und damit 58,50 Euro für angemessen. Bei Streitigkeiten, die vor Gericht landen, entscheiden die Amtsgerichte mal so und mal so. Zu den Kosten kommen noch 20 Prozent Auslagenpauschale für Post- und Telekommunikationskosten (maximal 20 Euro) hinzu.
Tipp: Bei einer ursprünglichen Forderung von bis zu 500 Euro sollte ein seriöses Inkassounternehmen insgesamt nicht mehr als 70,20 Euro (58,50 Euro plus 11,70 Euro Auslagenpauschale) verlangen.
Was nicht erlaubt ist
Einige Kosten können Inkassofirmen gar nicht abrechnen, etwa Vernunftsappellgebühr oder Evidenzhaltungskosten. Auch Kosten für Beratung und Verwaltung sind unzulässig, ebenso für Kontoführung, Bonitätsauskunft, Identitätsfeststellung. Muss der Inkassodienst eine Adresse ermitteln, darf er verlangen, dass der Schuldner die ihm entstandenen Recherchekosten – etwa für die Adressermittlung – ersetzt. Hält der Schuldner Rechnungsposten für fragwürdig, sollte er widersprechen und Nachweise verlangen. Wenn der Gläubiger die Forderung an die Inkassofirma verkauft hat, muss der Schuldner gar keine zusätzlichen Inkassokosten zahlen. Ob das der Fall ist und die Inkassofirma der neue Gläubiger ist, steht im Schreiben.
Zinsforderungen haben Grenzen
Für Zinsforderungen muss das Schreiben Zeitraum und Zinssatz nennen. Der Zinssatz darf in der Regel maximal 5 Prozentpunkte über dem Basiszins liegen. Der beträgt zurzeit minus 0,88 Prozent. Also sind 4,12 Prozent Zinsen drin. Einen höheren Satz muss das Inkasso begründen. Die Firma UGV verlangte 13,25 Prozent „wegen Anlageverlust“. Diese Begründung war dem Oberlandesgericht Zweibrücken zu lapidar (Az. 4 U 100/17).
Nicht einschüchtern lassen
Unseriöse Inkassofirmen kennen viele unfaire Mittel. In fast jedem Schreiben will man die Opfer einschüchtern. Pfändung, Zwangsvollstreckung, Gerichtsvollzieher – solche Drohungen sind üblich. Einige legen den Entwurf einer Klageschrift bei. Andere kündigen Hausbesuche an: „Wir haben Sie nicht vergessen.“ Oder man verweist auf eine Spezialdetektei mit dem vielsagenden Namen „Faust“. Gern werden Opfer mit Anrufen drangsaliert. Panik ist in solchen Fällen fehl am Platz. Erst mit einem Gerichtsurteil oder Vollstreckungsbescheid kann eine Zwangsvollstreckungsmaßnahme eingeleitet werden. Das Inkassobüro kann also weder den Gerichtsvollzieher schicken noch den Lohn pfänden. Der Angeschriebene muss auch erst mal keinen Schufa-Eintrag befürchten, wenn er der Forderung widerspricht.
Verbraucherzentralen prüfen Beschwerden
Seriöse Inkassofirmen bedrohen niemanden. Nächtliche Anrufe, plötzliche Hausbesuche und Erkundigungen bei den Nachbarn sind für sie tabu. Fällt ein registriertes Unternehmen durch unsaubere Arbeit auf, kann es seine Zulassung verlieren. Beschwerden nehmen die Gerichte entgegen, auch zu nicht registrierten Inkassobüros. Ob per Post oder per E-Mail: Der Ärger über Inkassofirmen ist ein Dauerthema. Ärger mit Inkassobüros haben Hunderttausende Bürger. Das Internetportal Inkasso-Check.de der Verbraucherzentralen nutzten nach seinem Start monatlich rund 10 000 Betroffene. Auf der Seite können sie Inkassobriefe prüfen lassen. Vielen hilft der Online-Check sofort. „Über 20 Prozent der Inkassoforderungen stuft der Check auf Basis der Nutzerangaben als unberechtigt ein“, berichtet Christian A. Rumpke, Geschäftsführer der Verbraucherzentrale Brandenburg (VZB).
Dieses Special ist erstmals am 20. Oktober 2015 auf test.de erschienen. Wir haben es zuletzt im Januar 2020 aktualisiert.
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