Die einen fürchten sich vor einer Geldentwertung, die anderen rüsten sich für eine Währungsreform. Dabei gibt es keinen Grund zur Panik.
Griechische Wochen feiern zurzeit die Goldverkäufer in Deutschland. Das Rettungspaket für Griechenland und der schwache Euro sorgen dafür, dass die Nachfrage nach Gold so groß ist, wie schon lange nicht mehr. „ Der Ansturm war deutlich größer als bei der Pleite von Lehman Brothers“, sagt Robert Hartmann, Geschäftsführer der Pro Aurum Filiale in München.
Regelrecht überrannt wurde der Onlineshop www.gold-super-markt.de. „Wir haben unsere Umsätze seit der Griechenlandkrise ungefähr verzwanzigfacht“, sagt Thomas Geissler, Vorstand der Ex Oriente Lux AG, die den Shop betreibt.
Vielen Edelmetallhändlern wird besonders der 14. Mai, der Brückentag nach Himmelfahrt im Gedächtnis bleiben. Der Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, hatte im ZDF öffentlich an der Zahlungsfähigkeit Griechenlands gezweifelt. Im Internet wurden zeitgleich auf Seiten wie hartgeld.com Gerüchte gestreut, dass dieses Wochenende für eine heimliche Währungsreform genutzt werde. Bei www.anlagegold24.de brach an diesem Freitag der Server wegen Überlastung zusammen. Vier Stunden lang war kein Einkauf möglich. Der Internetshop von Pro Aurum war am selben Tag ebenfalls einige Zeit wegen zu großer Nachfrage geschlossen.
Auch Dirk Meier Westhoff spürt Inflationsängste. Er ist Geschäftsführer der Agrarboden GmbH &Co KG, einer der ältesten Land- und Forstgütervermittlungen Deutschlands. „Die Nachfrage hat sich enorm erhöht“, sagt er. Und auch die Preise haben angezogen. „Seit Herbst 2009 je nach Lage und Objekt bis zu 50 Prozent.“
Der Grund für diese Entwicklung: „Derzeit wollen viele Leute ihr Geld in Sicherheit bringen und Land kaufen, weil sie einen Währungsschnitt befürchten. Es gibt aber nur wenige Verkäufer“, sagt Meier Westhoff.
Inflationsrate bei 1,1 Prozent
Wenn Volkswirte von Inflation reden, meinen sie eine „signifikante“ Erhöhung des allgemeinen Preisniveaus und eine damit verbundene Entwertung des Geldes. Inflation dürfte zurzeit eigentlich kein Thema sein. Die Preise sind stabil. Die aktuelle Inflationsrate in Deutschland lag im Mai bei 1,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Von einem starken Anstieg kann also keine Rede sein.
„Die Angst ist irrational. Wir haben den Eindruck, dass viele Sparer die Ursachen von Inflation nicht kennen. Ihnen sind die aktuellen Entwicklungen unheimlich und das schürt Ängste“, sagt Ralf Scherfling von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.
Auch die jüngsten Ergebnisse der repräsentativen Konsumentenklimastudie der Gesellschaft für Konsumentenforschung (GfK) zeigen diese Unsicherheit. Die Studie ergab, dass die Verbraucher eine höhere Inflation erwarten und planen, weniger anzuschaffen.
„Das passt nicht zusammen“, sagt Konjunkturexperte Wolfgang Nierhaus vom Münchener Institut für Wirtschaftsforschung (ifo). „Wenn ich wirklich davon ausgehe, dass morgen alles teuer wird, versuche ich heute noch möglichst viel günstig einzukaufen“, sagt er.
Viele wollen die D-Mark wieder
Andere repräsentative Umfragen zeigen, dass sich die Mehrheit der Deutschen die D-Mark zurückwünscht. Tatsächlich ist der Euro aber viel stabiler, als es die D-Mark je war. Seit der Einführung des Euro-Bargeldes vor zehn Jahren lag die Inflationsrate lediglich in zwei Jahren über 2 Prozent.
Zu D-Mark-Zeiten hingegen war die Inflationsrate in vier Phasen deutlich höher als 4 Prozent: Das war einmal in den 50er Jahren, dann um die erste und die zweite Ölkrise herum und zuletzt nach der Wiedervereinigung. Damals wurden in Ostdeutschland verschiedene Preise wie die bis dahin preisgebundenen Wohnungsmieten schrittweise angehoben. „Das war keine Inflation, sondern eine durch die Grundmietenverordnung vorgegebene Preissteigerung“, sagt Nierhaus vom ifo.
Trotzdem wird der Euro seinen Ruf als Teuro einfach nicht los.
„Das liegt am Phänomen der gefühlten Inflation“, sagt Kerstin Bernoth vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Jeder nimmt in seinem persönlichen Umfeld die Preisentwicklung anders wahr und zieht hieraus seine Schlüsse. „Studien zeigen, dass zum Beispiel die Entwicklung von Restaurant- oder Getränkepreisen einen großen Einfluss auf die subjektive Wahrnehmung der Inflation hat“, sagt Bernoth.
Die Wurzeln der Inflationsängste sehen Experten in den Erinnerungen an die 20er Jahre. „Wenn von Inflation die Rede ist, denken viele vor allem in Deutschland an das Jahr 1923, als die Menschen die Geldbündel in Tüten zum Bäcker schaffen mussten, um sich ein Brot zu kaufen“, sagt Wolfgang Nierhaus vom ifo.
Zwar gibt es nicht mehr viele Leute, die diese Zustände erlebt haben, aber die Angst vor einer Geldentwertung sitzt in Deutschland so tief, dass sie seitdem scheinbar weitergegeben wird.
An die Währungsreform 1948 erinnern sich noch sehr viel mehr Menschen. Damals bekam jeder Bürger bei der Einführung der D-Mark zunächst ein Kopfgeld von 40 D-Mark. Die Hypotheken, also die Immobilienschulden, wurden im Kurs 10 : 1 umgetauscht. Wer Bargeld hatte, stand schlechter da. Für 100 Reichsmark gab es nur 6,50 D-Mark.
Geschäfte mit der Angst
Die Befürchtungen, die Stichwörter wie Inflation und Währungsreform bei vielen Menschen in Deutschland auslösen, nutzen dubiose Anlageverkäufer für ihre Zwecke. Gerade unter den Edelmetallverkäufern gibt es einige, die unseriöse Tipps geben.
Sie empfehlen beispielsweise, Gold in kleinen Einheiten zu kaufen. Die Käufer seien damit im Falle einer Hyperinflation, einer extremen Inflation, eher handlungsfähig. Kleine Einheiten von 0,5 oder 1 Gramm Gold funktionierten eher als Ersatzwährung, argumentieren sie. Ihre Besitzer sollen sich davon im Ernstfall Lebensmittel und andere wichtige Dinge des Lebens kaufen können.
Dass der Kauf von kleinen Einheiten für den Anleger sehr teuer ist, verschweigen sie aber. Der Spread, also der Unterschied zwischen An- und Verkaufskurs ist bei 1 Gramm Gold viel höher als bei einer Unze.
Wir wollen den Geschäften mit der Angst weiter auf die Schliche kommen und starten deshalb einen Leseraufruf.