
Erst ganz allmählich wird das ganze Ausmaß der Ineas-Pleite sichtbar. In den vergangenen Wochen trudelten bei Hunderten von Ex-Kunden der Pleite-Versicherung Werkstattrechnungen ein, die der Versicherer angeblich nicht mehr bezahlt hat. Jetzt sollen die Kunden persönlich einspringen. test.de informiert.
Innovation Group fehlen 600 000 Euro
Eins der betroffenen Unternehmen: die Innovation Group AG. Sie wickelte im Auftrag von Versicherungen und Werkstätten Versicherungsschäden ab. In rund 300 Fällen blieb das Unternehmen auf offenen Rechnungen sitzen, als die International Insurance Corporation (IIC) mit ihren Ineas- und LadyCarOnline-Autoversicherungen zahlungsunfähig wurde und Insolvenz anmeldete. Etwa 600 000 Euro fehlen dem mittelständischen Unternehmen nach Darstellung von Vorstandsmitglied Jürgen Schmidt. Jetzt sollen die Ineas- und LadyCarOnline-Kunden zahlen. Die Innovation Group hat ihnen in den vergangenen Wochen Rechnungen geschickt. Außerdem betroffen: Zahlreiche Werkstätten, die nach Reparaturen direkt mit der Versicherung abrechnen wollten. Und selbstverständlich: Noch mehr Versicherte, die ihre Reparaturrechnung selbst zahlten und dann vergeblich auf Entschädigung von der Versicherung warteten.
Rechtslage kompliziert
Die Rechtslage ist kompliziert. Fest steht: Wer Werkstattrechnungen selbst bezahlt hat, kann nur hoffen, dass beim IIC-Insolvenzverfahren doch noch was für ihn abfällt. Wahrscheinlich ist das nicht. Ebenfalls klar: Bei Ineas-Kunden, die für ihre Kasko-Police Werkstattbindung vereinbart hatten, gehen die Werkstätten leer aus. Laut Versicherungsbedingungen ist die Versicherung Auftraggeber für die Reparatur und muss sie dann selbstverständlich auch bezahlen. Die Ineas-Kunden sind fein raus. Schwierig wirds bei den übrigen Ineas-Versicherten mit Kasko-Schäden.
- Erste Variante: Ineas-Versicherte haben sich für die Reparatur eines Kasko-Schadens selbst eine Werkstatt gesucht und diese hat sich bereit erklärt, direkt mit der Versicherung abzurechnen. In diesen Fällen wird die Werkstatt sich meist noch an den Versicherten halten können, wenn die IIC die Rechnung wegen der Pleite nicht mehr bezahlt hat. Typische Vertragsklausel für Reparaturaufträge: Der Autobesitzer tritt seine Ersatzforderung gegen die Versicherung an die Werkstatt ab. Die verzichtet dafür auf sofortige Barzahlung und rechnet mit der Versicherung ab, darf sich allerdings wieder an den Auftraggeber wenden, wenn die Versicherung nicht zahlt – aus welchen Gründen auch immer.
- Zweite Variante: Ineas-Versicherte haben den Schaden der Versicherung gemeldet und haben den Schaden in einer von der Versicherung empfohlenen Werkstatt reparieren lassen. Hier ist die Rechtslage noch unklar. Entscheidend ist, wie Ineas-Kunden das Reparaturangebot der von der Versicherung empfohlenen Werkstatt verstehen durften. Wenn sie sich laut Versicherungs- und Werkstattaussagen bei Wahl der empfohlenen Werkstatt darauf verlassen durften, mit der Rechnung nach Bezahlung der Selbstbeteiligung nichts mehr zu tun zu haben, bleibt die Werkstatt auf ihrer offenen Rechnung sitzen. Wenn auch in solchen Fällen die Abrechnung mit der Versicherung aus der Sicht des Kunden mehr als komfortabler Service erscheint, dann können die Werkstatt oder ein Dienstleister wie die Innovation Group die Zahlung der Rechnung jetzt doch auch wieder vom Ineas-Versicherten verlangen – wenn sie nicht inzwischen verjährt ist oder dem Kunden sonst ein Leistungsverweigerungsrecht zusteht.
Stets zu beachten: Forderungen eines Unternehmens wie der Innovation Group AG setzen nicht nur eine wirksame Forderung der Werkstatt voraus. Die Forderung muss außerdem wirksam abgetreten sein. Darlegen und gegebenenfalls beweisen muss das der Forderungsinhaber. Soweit das Unternehmen die Werkstatt bezahlt hat, ist es gut möglich, dass die Zahlung als Erfüllung der vertraglichen Zahlungspflicht im Auftrag der Versicherung zu werten ist. Forderungen gegen die Ineas-Versicherten sind dann nicht mehr möglich.
Tipps für Betroffene
- Werkstattbindung. Verweigern Sie die Zahlung auf jeden Fall, wenn Sie eine Ineas- oder LadyCarOnline-Versicherung mit Werkstattbindung hatten.
- Prüfung. Wenn ein Ihnen unbekanntes Unternehmen die Zahlung einer Rechnung anmahnt, bestehen Sie darauf, dass das Unternehmen seine Berechtigung genau erklärt und nachweist. Schreiben Sie außerdem, dass Sie die Angelegenheit für erledigt halten und nicht prüfen können, ob die Rechnung tatsächlich unbezahlt blieb. Soweit die Werkstatt ihr Geld erhalten hat, ist die Forderung im Auftrag der Versicherung erfüllt und Sie nicht mehr in der Pflicht. Weisen Sie gegebenenfalls darauf hin, dass Sie sich nach der Empfehlung der Werkstatt durch die Versicherung und wegen der Aussagen der Werkstatt darauf verlassen haben, dass die Werkstatt ausschließlich mit der Versicherung abrechnet. Ergänzen Sie, dass die Versicherungsleistung möglicherweise ja nur deshalb ausgeblieben ist, weil sich die Abrechnung verzögert hat und das bei Abwicklung des Schadens durch Sie persönlich wohl kaum geschehen wäre.
- Rechtsberatung. Schalten Sie möglichst bald einen im Vertragsrecht erfahrenen Rechtsanwalt ein, wenn Sie Post vom Gericht erhalten. Wenn Sie auf gerichtliche Schreiben nicht rechtzeitig oder falsch reagieren, können Sie allein deshalb einen Rechtsstreit verlieren. Bis zum Erhalt gerichtlicher Schreiben ist Rechtsberatung noch nicht so wichtig. Möglicherweise klärt sich die Rechtslage in der Zwischenzeit zu ihren Gunsten oder verzichten mutmaßliche Gläubiger darauf, vor Gericht zu ziehen.
[Update 30.11.2011] Inzwischen haben offenbar mehrere Amtsgerichte auf Klagen der Innovation Group AG hin auch Ex-Ineas-Versicherte mit Werkstattbindung zur Zahlung der offenen Rechnungen verurteilt. Hintergrund: Die Werkstätten ließen sich bei Ablieferung oder Abschleppen beschädigter Autos offenbar noch ein Formular unterzeichnen, in dem die Versicherten persönlich einen Auftrag erteilen und sich zur Zahlung verpflichten. Genaueres ist allerdings noch nicht bekannt.
[Update 23.03.2012] Das Amtsgericht Bremen-Blumenthal hat eine Klage der Innovation Group AG gegen einen Ex-Ineas-Versicherten auf Bezahlung der rund 2 500 Euro hohen Werkstattrechnung für die Reparatur eines Kasko-Schadens abgewiesen (Urteil vom 21.03.2012, Aktenzeichen: 45 C 1020/11). Das hat Rechtsanwalt Dr. Gabbey aus Bremen mitgeteilt. Die Urteilsbegründung liegt noch nicht vor. In der mündlichen Verhandlung hatte der Richter bezweifelt, ob die Werkstatt ihre Werklohnforderung wirksam an die Innovation Group AG abgetreten hat. Die meisten Gerichte haben bisher allerdings zugunsten der Innovation Group entschieden. Laut Unternehmen liegen rund 20 Urteile gegen Ex-Ineas-Versicherte vor. In 25 weiteren Fällen habe es Vergleiche, Anerkenntnis- oder Versäumnisurteile gegeben.
[Update 10.04.2012] Inzwischen hat auch das Amtsgericht Schöneberg eine Klage der Innovation Group AG gegen einen Ex-Ineas-Versicherten abgewiesen (Urteil vom 28.03.2012, Aktenzeichen: 9a C 169/11). Begründung der Richterin: Das Unternehmen habe die Abtretung der Werkstattforderung nicht schlüssig dargelegt. Die Vorlage einer nachträglichen Bestätigung der Werkstatt reiche dafür nicht aus.
[Update 10.04.2012] Auch die Begründung des Amtsgerichts Bremen-Blumenthal liegt inzwischen vor. Der Richter dort hielt ein Schreiben der Werkstatt an den Ex-Ineas-Kunden für entscheidend, in dem die Werkstatt erklärte, die Versicherung habe gezahlt und die Sache sei erledigt. Auch ohne dieses Schreiben hätte er die Klage abgewiesen, weil auch in diesem Fall nur eine nachträgliche Bestätigung der Abtretung vorlag und nicht der Original-Vertrag. Unterdessen hat die Innovation-Group test.de noch keine Informationen zu für sie günstigen Urteilen geliefert.
[Update 13.04.2012] Entgegen ihrer früheren Zusage weigert sich die Innovation Group AG nunmehr, Daten und Aktenzeichen zu bisher ergangenen Urteilen zu nennen. Das hätten die Rechtsanwälte empfohlen, die das Unternehmen vertreten. Ob und unter welchen Umständen die Innovation Group AG tatsächlich in 20 Fällen Verurteilungen von Ex-Ineas-Kunden zur Zahlung erreicht hat und 25 weitere Fällen durch Vergleiche, Versäumnis- und Anerkenntnisurteile erledigt wurden, lässt sich daher nicht prüfen. Erst recht bleibt offen, ob Betroffene in diesen Fällen ihre Verteidigungsmöglichkeiten ausgeschöpft haben, gut beraten waren und die Urteilsbegründungen überzeugend sind.
[Update 08.05.2012] Das Bremer-Urteil gegen die Innovation Group AG ist rechtskräftig geworden. Offenbar glaubt das Unternehmen nicht an einen Erfolg in der zweiten Instanz. Betroffene, deren Verfahren noch offen sind, sind sollten sich unbedingt auf die beiden Klagabweisungen berufen.
[Update 29.05.2012] Das Landgericht Würzburg hat auf die Berufung einer Ex-Ineas-Versicherten hin ein Amtsgerichtsurteil aufgehoben die Klage der Innovation auf Zahlung einer Werkstattrechnung wegen eines Kaskoschadens abgewiesen (Urteil vom 02.05.2012, Aktenzeichen: 43 S 240/12). Das Gericht hat keine Revision zugelassen. Das hat Rechtsanwalt Ralph Schmitt aus Würzburg mitgeteilt. Begründung für die Abweisung der Klage: Die Zahlung der Innovation Group an die Werkstatt sei als Erfüllung der Werklohnforderung zu werten. Sie ging dadurch unter konnte nicht mehr abgetreten und gegen die Versicherte geltend gemacht werden.
[Update 20.08.2012] Eine weitere Klage der Innovation AG gegen einen Ex-Ineas-Versicherten hat das Amtsgericht Bremen abgewiesen (Urteil vom 25.05.2012, Aktenzeichen: 2 C 0362/11). Die Abtretung der Werkstattforderung an die Innovation AG sei nicht nicht wirksam, begründet der Richter seine Entscheidung. Erstritten haben das Urteil Rechtsanwälte Reinhold & Linke aus Leipzig.
[Update 03.09.2012] Auch das Amtsgericht Dürkheim hat eine Innovation AG-Klage auf Zahlung der Werkstattrechnung abgewiesen (Urteil vom 31.05.2012, Aktenzeichen: 2 C 455/11)
[Update 06.09.2012] Rechtsanwalt Peter Steffen aus Hattingen teilt mit: Das Amtsgericht Leipzig hat eine Klage der Innovation AG auf Zahlung einer rund 1 200 Euro teuren Werkstattrechnung gegen eine Ex-LadyCarOnline-Versicherte abgewiesen (Urteil vom 30.08.2012, Aktenzeichen: 114 C 1196/12).
[Update 06.12.2012] Das Amtsgericht Eberswalde (Urteil vom 15.05.2012, Aktenzeichen: 2 C 379/11) und auf die Berufung der Innovation AG hin das Landgericht Frankfurt/Oder (Urteil vom 21.11.2012, Aktenzeichen: 16 S 128/12) haben eine Klage des Unternehmens gegen Edeltraut 0. auf Zahlung von knapp 1 200 Euro Werkstattkosten für einen Kasko-Schaden abgewiesen. Rechtsanwalt Henry Schlenker vertrat die Ex-Ineas-Kundin.
[Update 02.05.2013] Auch das Amtsgericht Sondershausen hat die Innovation AG mit einer Klage gegen Ex-Ineas-Kunden mit Werkstattbindung abblitzen lassen (Urteil vom 28.02.2013, Aktenzeichen: 5 C 250/12). Rechtsanwälte Reinhold & Linke aus Leipzig hatten das Ineas-Opfer vertreten. Entscheidender Grund: Die Forderung war erloschen, nachdem die Innovation AG an die Werkstatt gezahlt hatte. Sie konnte danach nicht mehr abgetreten werden.
Ineas- und LadyCarOnline-Pleite:Ende mit Schrecken
Nach der Insolvenz:Zahlen für nichts