Ineas- und LadyCarOnline-Pleite: Löcher im Haftpflichtschutz
Fünf Wochen nach Beginn der Krise bei der International Insurance Corporation (IIC) steht jetzt fest: Autofahrern mit Ineas- oder LadyCarOnline-Versicherung droht nach von ihnen verschuldeten Unfällen die persönliche Haftung. Hohe Schadenersatzforderungen sind möglich.
Garantiefonds in der Pflicht
Bislang hatte es stets geheißen: Die Verkehrsopferhilfe als Garantiefonds springt ein, um Opfer von Unfällen mit Ineas- oder LadyCarOnline-Versicherten zu entschädigen, so dass Haftpflichtschäden abgedeckt seien. Kaskoschäden dagegen übernehme die Verkehrsopferhilfe nicht. Was Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) und Verkehrsunfallhilfe dabei nicht sagten: Nicht abgedeckt sind auch Kasko-Schäden am Auto des schuldlosen Opfers. Solche sind gleichzeitig auch Haftpflichtschäden, für die sonst stets der Unfallfahrer und seine Haftpflichtversicherung einzustehen haben.
Kasko vom Unfallopfer geht vor
Ein irritierter test.de-Leser berichtete: Ein Ineas-versicherter Autofahrer ist ihm ins Heck gefahren. Reparaturkosten: Knapp 4 000 Euro. Den Schaden meldete er bei der Verkehrsopferhilfe. Die überraschende Antwort: Das zahlt der Garantiefonds nicht. Begründung: Diesen Schaden ersetze die Vollkasko-Versicherung des test.de-Lesers. Tatsächlich: Der Kaskoversicherer bestätigte seine Einstandspflicht. Die sonst bei Vollkaskoschäden fällige Rückstufung des Schadenfreiheitsrabatts entfällt bei fremdverschuldeten Unfällen. Soweit Unfallopfer einen Vollkasko-Tarif mit Selbstbeteiligung abgeschlossen haben, zahlt die Verkehrsopferhilfe Schadenersatz in Höhe der fälligen Selbstbeteiligung. Der test.de-Leser erhält also letztlich vollen Schadenersatz. Einziger Nachteil für ihn: Er muss den Schaden nicht nur der Verkehrsopferhilfe melden, sondern auch seinem Vollkasko-Versicherer.
IIC-Versicherte in der persönlichen Haftung
Der Ineas-versicherte Unfallfahrer allerdings läuft jetzt Gefahr, nicht nur den eigenen Schaden, sondern auch für die Reparatur am Wagen des Unfallopfers zahlen zu müssen. Auch wenn das laut GDV Theorie ist und praktisch bei Abwicklung von Verkehrsopferhilfe-Unfällen keine Rolle spielt: Wenn ein Versicherer einen Schaden reguliert, den jemand anders als der Versicherte verursacht hat, gehen alle Ersatzansprüche gegen den Schädiger auf das Unternehmen über. Nach Zahlung der knapp 4 000 Euro Reparaturkosten kann der Vollkasko-Versicherer also Ersatz vom Unfall-Fahrer verlangen. Mit anderen Worten: Ineas- und LadyCarOnline-Versicherte haben wegen der Zahlungsschwierigkeiten der International Insurance Corporation ein empfindliches Loch im Haftpflichtschutz - zumindest theoretisch.
Unabsehbare Folgen
Schlimmer noch: Das gleiche gilt auch für den Anspruch von Unfallopfern auf Ersatz von Lohnausfall oder Krankenbehandlungskosten. Die Verkehrsopferhilfe darf Schadenersatz auch verweigern, soweit das Unfallopfer Ansprüche auf Lohnfortzahlung oder Leistungen der gesetzlichen Sozialversicherung und damit auch der Kranken- und Unfallkassen hat. Auch dort gilt: Soweit Arbeitnehmer und Sozialversicherungsträger Leistungen übernehmen, für die Dritte haftpflichtig sind, gehen Schadenersatzforderungen auf sie über. Sozialversicherungsträger sind in der Pflicht, alle Einnahme-Möglichkeiten auszuschöpfen. Soweit sie erfahren, dass ein Dritter ersatzpflichtig ist, machen sie Regressforderungen auch geltend - unabhängig davon, ob der Schädiger eine Haftpflichtversicherung hat oder nicht.
Ruinöse Forderungen
Weiteres Risiko für IIC-Versicherte: Das Unfallopfer kann von ihnen persönlich vollen Schadenersatz verlangen, sie verklagen und den Gerichtsvollzieher schicken. Normalerweise gilt: Der Unfallverursacher kann von seinem Haftpflichtversicherer verlangen, ihn davon frei zu halten. Wegen der Zahlungsschwierigkeiten bei der IIC nützt dieser so genannte Freistellungsanspruch Ineas- und LadyCarOnline-Versicherten nichts mehr. Die Verkehrsopferhilfe können Kunden einer insolventen Haftpflichtversicherung nicht einschalten. Die unter Umständen ruinöse Konsequenz: Sie müssen in voller Höhe selbst zahlen. Erst nach Entschädigung des Opfers können sie bei der Verkehrsopferhilfe Ersatz verlangen. Zahlen wird diese allerdings nur, was das Opfer nicht von Kasko-Versicherung, Arbeitgeber oder Sozialversicherungsträgern hätte bekommen können.
Gesetz mit Mängeln
Klar ist: Das ist indiskutabel. Kunden eines insolventen KfZ-Haftpflichtversicherers haften danach in einer unabsehbaren Zahl von Fällen persönlich. Der Umfang der Haftung hängt noch dazu davon ab, ob und wie das Unfallopfer versichert ist. Unfallverursacher stehen absurderweise um so günstiger da, je schlechter das Opfer versichert ist. Versicherungsrechtler wie Achim Schmid vom Institut für Versicherungswissenschaft der Uni Köln vermuten als Hintergrund für die insoweit krass ungerechte Regelung: Bundesregierung und Bundestag haben die Unstimmigkeiten bei der Abwicklung von Haftpflichtschäden nach einer Versicherungsinsolvenz bei Erlass des Pflichtversicherungsgesetzes übersehen. Hauptsächlich dient das Gesetz dem Schutz von Unfallopfern, wenn der Verursacher keine Haftpflichtversicherung hatte, den Unfall absichtlich herbeigeführt hat oder unerkannt geflüchtet ist. Ersatzansprüche gegen die Verkehrsopferhilfe gibts daher grundsätzlich nur, soweit nicht irgend ein anderer Ersatz erreichbar ist. Gegen Unfallfahrer mit insolventer Haftpflichtversicherung begrenzt das Pflichtversicherungsgesetz Rückgriffsansprüche auf 2 500 Euro. Dass er nach allgemeinen Regeln für Schäden, für die die Verkehrsopferhilfe laut Pflichtversicherungsgesetz gar nicht einzustehen hat, in voller Höhe haftet, blieb bislang möglicherweise unentdeckt. Schließlich gab es in Deutschland noch nie einen Fall wie die IIC-Pleite.
Keine Korrektur in Sicht
Der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft (GDV) ist sich offenbar noch nicht darüber schlüssig, ob die Mitglieder des Verbands Kunden einer insolventen Haftpflichtversicherung jenseits der lückenhaften Regeln im Pflichtversicherungsgesetz vor ruinösen Forderungen schützen sollen. Von Rechts wegen stehe fest: „Es ist nicht Aufgabe der Verkehrsopferhilfe, den Schädiger selbst zu schützen“, erklärte GDV-Sprecherin Ulrike Pott gegenüber test.de. Immerhin: Sie glaubt, dass Kasko-Versicherer auch weiterhin auf Regress beim Unfallverursacher verzichten werden, wenn sie in Verkehrsopferhilfe-Fällen schuldlose Unfallopfer zu entschädigen hatten.
Ineas-Pleite:Das können Betroffene tun
Versicherungsinsolvenz:Verkehrsopferhilfe greift ein
Analyse Kfz-Haftpflichtversicherung:Kfz-Versicherungsvergleich