
Die Stiftung Warentest erklärt, wie Sie Fehler in Kreditverträgen erkennen und wie Sie davon profitieren.
Viele Immobilienkredite sind fehlerhaft. Bauherren und Hauskäufer können sie widerrufen. Die Stiftung Warentest erklärt, wann und wie sie Tausende Euro sparen können.
Rechtlicher Hintergrund: Widerrufsrecht seit 2002
Seit November 2002 steht Verbrauchern auch bei Abschluss von Immobilienkreditverträgen immer ein Widerrufsrecht zu. Die Banken müssen über das Widerrufsrecht und vor allem den Beginn der Widerrufsfrist deutlich, richtig und verständlich informieren. Das gelang den Banken und Sparkassen schon vor 2010 mehr schlecht als recht. Für bis 10. Juni 2010 abgeschlossene Immobilienkreditverträge ist das Widerrufsrecht inzwischen erloschen, nachdem der Bundestag auf Wunsch der Kreditwirtschaft eine Gesetzesänderung verabschiedet hat. Dabei bleibt es auch nach dem neuen Urteil des Europäischen Gerichtshofs (vom 26.03.2020, Aktenzeichen: C-66/19). Praktisch alle danach bis 20. März 2016 geschlossenen Verträge sind nach den Ansagen der Richter aus Luxemburg widerruflich, so lange sie nicht vollständig getilgt und abgewickelt sind. Vom 21. März 2016 an geschlossene Verträge sind auch oft fehlerhaft, sie können aber nach einer Gesetzesänderung nur höchstens ein Jahr und zwei Wochen lang widerrufen werden, sofern die Information über das Widerrufsrecht nicht vollständig fehlt.
Gewinn durch Widerruf
Für betroffene Kreditnehmer erfreuliche Folge der unzureichenden Verbraucherinformationen: Sie können ihren Vertrag auch Jahre nach Vertragsschluss noch widerrufen. Er bringt Betroffenen oft viele Tausend Euro; gar nicht selten sind 30 000 Euro oder sogar mehr drin. Hauptgrund: Die Zinsen jetzt sind viel niedriger als in früheren Jahren.
Ablösung ohne Vorfälligkeitsentschädigung
Wer seinen Kredit etwa wegen des Verkaufs von Haus oder Wohnung kündigen möchte, muss eigentlich eine Vorfälligkeitsentschädigung zahlen. Sie soll der Bank den Verlust der bis zum Ende der Zinsbindungsfrist fälligen Zinsen ausgleichen. Die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung hängt vor allem vom Unterschied zwischen vereinbartem und aktuell üblichem Zinssatz sowie der verbleibenden Dauer der Zinsbindung ab. Sie erreicht bei hochverzinsten Altkrediten mit langer Zinsbindung gar nicht selten Beträge um 50 000 Euro. Die Vorfälligkeitsentschädigung fällt weg, wenn Kreditnehmer ihren Vertrag wirksam widerrufen.
Zusatzchance Rückabwicklung
Zusätzlich stehen Kreditnehmern nach Widerruf des Vertrags über die Ersparnis von Zinsen oder Vorfälligkeitsentschädigung hinaus noch Tausende von Euro zu. Der Vertrag ist dann nämlich rückabzuwickeln. In diesem Special erklären die Rechtsexperten der Stiftung Warentest, wie Kunden so einen oft fünfstelligen Betrag zurückbekommen. Voraussetzung allerdings: Es handelt sich nicht um einen so genannten Fernabsatzvertrag. Wenn der Kredit über Internet oder Post beschlossen wurde, haben Kreditnehmer nach einem aktuellen Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 4. Juni 2020 (Aktenzeichen: C-301/18) keinen Anspruch auf Verzinsung ihrer Zahlungen. Sie selbst dagegen müssen den vereinbarten Kreditzins zahlen, wenn sie sich mit der Ausführung des Vertrags vor Ablauf des Widerrufsrechts ausdrücklich einverstanden erklärt haben.
Fortlaufend aktualisierte Berichterstattung
Was bei der Durchsetzung des Widerrufrechts zu beachten ist, erklären wir in den Fragen & Antworten zum Thema. Im Artikel Kreditwiderruf vor Gericht finden Sie außerdem eine Liste mit verbraucherfreundlichen Urteilen zu Widerrufsfällen.
Dieses Special basiert auf einem Artikel aus Finanztest 7/2014. Es wird regelmäßig aktualisiert. Jüngstes Update: 19. April 2021. Vorher erschienene Nutzerkommentare beziehen sich auf eine frühere Fassung.