
Steigende Mieten, niedrige Zinsen. Immobilien sind gefragt wie lange nicht – und sie werden immer teurer.
Wenn das Einkommen stimmt, lässt sich eine Immobilie auch mit wenig Eigenkapital finanzieren. Doch Banken verlangen happige Risikoaufschläge.
Warum nicht eine Wohnung oder ein Haus kaufen, statt weiter zur Miete zu wohnen und jedes Jahr immer mehr Geld an den Vermieter zu überweisen? Diese Überlegung stellen derzeit wohl viele Mieter an. Immobilienkredite sind zurzeit sensationell günstig. Das macht die Finanzierung viel leichter als noch vor ein paar Jahren. Doch auf dem Weg zum Eigentum stoßen Mieter oft auf ein Hindernis: Sie haben kaum Eigenkapital.
Mindestens 20 Prozent des Kaufpreises und zusätzlich Geld für alle Nebenkosten sollten Bauherren und Wohnungskäufer nach einer Faustregel für eine solide Finanzierung haben. Das ist angesichts kräftig gestiegener Immobilienpreise und Nebenkosten leichter gesagt als getan.
In Berlin beispielsweise müssen Käufer für eine 100-Quadratmeter-Wohnung in guter Lage um die 300 000 Euro ausgeben. Davon 20 Prozent Eigenkapital sind bereits 60 000 Euro. Dazu kommen bis zu 45 000 Euro Nebenkosten für Steuern, Makler, Notar und Grundbuchamt.
Um die Faustregel einzuhalten, müssten Käufer daher 105 000 Euro auf der hohen Kante haben. Und sie brauchen noch wenigstens eine kleine Reserve, die für unvorhergesehene Ausgaben verfügbar ist.
Von so viel Eigenkapital können vor allem junge Familien oft nur träumen. Ihre Eigenheimpläne müssen sie deshalb aber nicht begraben. Eine aktuelle Finanztest-Umfrage unter 82 Kreditinstituten und Vermittlern zeigt: Wenn das Einkommen stimmt, bieten viele auch Kredite in Höhe des vollen Kaufpreises an. Einige finanzieren sogar die Nebenkosten mit.
Niedrige Zinsen locken
Gerade jetzt ist es verlockend, eine Immobilie mit wenig Eigenmitteln zu kaufen, statt erst einmal jahrelang mehr Geld anzusparen. Nie zuvor waren die Zinsen für Baukredite so niedrig. Deshalb können viele die Monatsraten auch für hohe Kredite schultern. Wer lange zögert, riskiert dagegen, eine günstige Gelegenheit zu verpassen. In ein paar Jahren sind Immobilien vielleicht noch teurer als heute. Und die Zinsen könnten dann längst wieder gestiegen sein.
Auf eine Vollfinanzierung sollten sich dennoch nur Bauherren und Wohnungskäufer einlassen, die ein gutes und vor allem sicheres Einkommen haben – und wenigstens Grunderwerbsteuer, Notarkosten und Maklercourtage selbst zahlen können. Denn auch in Zeiten niedriger Zinsen bleibt die Finanzierung mit geringem Eigenkapital eine heikle Angelegenheit.
Risiken nicht unterschätzen
Wer den vollen Kaufpreis finanziert, weil das eigene Geld gerade mal für die Nebenkosten reicht, muss eine 30 bis 50 Prozent höhere Monatsrate zahlen als für eine 80-Prozent-Finanzierung.
Und es darf nichts schiefgehen. Denn es fehlt ein Sicherheitspuffer für den Fall, dass der Eigentümer sein Haus nach einigen Jahren wieder verkaufen muss. Dann ist das Risiko groß, dass der Verkaufserlös nicht ausreicht, um die Schulden zu bezahlen – zumal Kreditnehmer eine saftige Entschädigung an die Bank zahlen müssen, wenn sie den Kredit vorzeitig zurückzahlen (siehe Beispiel in der Tabelle Weniger Eigenkapital – mehr Risiko).
Strenge Kreditprüfung
Banken kennen die Risiken einer Vollfinanzierung. Je weniger Eigenkapital der Kunde hat, desto strenger prüfen sie, ob die Immobilie ihren Preis wert ist und das Einkommen auf Dauer für die relativ hohe Kreditrate reicht. So erhalten Paare von der Volksbank Düsseldorf-Neuss nur dann einen Kredit in Höhe des Kaufpreises, wenn ein Partner genug verdient, um die Kreditrate notfalls auch alleine zu zahlen.
Mitunter verlangen Banken auch den Abschluss einer Restschuldversicherung. Oder sie wollen Zusatzsicherheiten als Pfand, etwa eine bestehende Kapitallebensversicherung oder ein Wertpapierdepot.
Zinsen wie für einen Dispokredit
Vor allem aber lassen sich Banken das höhere Risiko mit satten Zinsaufschlägen bezahlen. Ein Beispiel liefert im Test die Postbank für ein Darlehen zum Kauf einer 200 000 Euro teuren Wohnung. Nimmt der Kunde dafür einen Kredit von 180 000 Euro mit 20 Jahren Zinsbindung auf, verlangt die Bank einen Effektivzins von 2,15 Prozent (Stand 11. April). Finanziert er den Kaufpreis voll auf Pump, springt der Zinssatz auf 3,22 Prozent – für die gesamte Kreditsumme und nicht nur für den zusätzlichen Anteil.
Für nur 20 000 Euro mehr Kredit muss der Kunde deshalb allein im ersten Jahr 2 467 Euro mehr Zinsen zahlen. Die Kreditsumme steigt um 11 Prozent, die Bank kassiert aber 66 Prozent mehr Zinsen. Die zusätzlichen 20 000 Euro Kredit kosten den Kunden deshalb umgerechnet mehr als 12 Prozent Zinsen im Jahr! Da ist selbst der Dispokredit auf dem Girokonto billiger.
Die Postbank fällt nicht einmal völlig aus dem Rahmen. Auf den Kreditanteil von 90 bis 100 Prozent des Kaufpreises kassieren die Banken im Test bei einer 20-jährigen Zinsbindung im Schnitt mehr als 8 Prozent Zinsen. Bei jedem dritten Anbieter waren es mehr als 10 Prozent.
Für Kredite mit zehnjähriger Zinsbindung fallen die Zinsaufschläge meist nur etwa halb so hoch aus (siehe Grafik). Dennoch zahlen Immobilienkäufer auch hier für den Kreditanteil über 80 Prozent des Kaufpreises mehr als doppelt so viel Zinsen wie für eine 80-Prozent-Finanzierung.

Finanzieren voll auf Pump
Besonders teuer wird es, wenn der Kunde sogar die Nebenkosten auf Kredit finanziert. Der Zinssatz liegt dafür oft einen vollen Prozentpunkt über den Top-Konditionen der Bank – sofern sie bei so hohen Summen noch mitspielt.
Bei den meisten Banken ist spätestens beim Kaufpreis das Kreditlimit erreicht. Mehr Geld geben viele nur im Einzelfall zu individuellen Konditionen. Wie viel der Kunde zahlen muss, hängt dann stark davon ab, wie die Bank seine Bonität einschätzt.
Mehr Schulden machen, als die Immobile wert ist – das ist wegen der Risiken und der hohen Kosten nicht ratsam. Möglich ist so eine Finanzierung aber schon, etwa bei der Deutschen Bank, der Commerzbank und einer Reihe von Kreditvermittlern.
Am häufigsten bieten Banken und Vermittler die folgende Variante an: Den Kaufpreis finanziert die Bank mit einem Immobilienkredit. Die Nebenkosten zahlt der Käufer mit einem Ratenkredit, der mit einem gewöhnlichen Verbraucherdarlehen etwa für den Möbelkauf vergleichbar ist.
Der Zusatzkredit kommt oft gar nicht von der Bank, die den Hauptkredit vergibt. Meistens springt dafür die Hanseatic Bank ein. Sie hat sich darauf spezialisert, mit ihrem „Eigentümerdarlehen“ den Rest zu finanzieren, den andere Banken übrig lassen.
Auch diese Variante ist nicht billig. Das zeigt ein Beispiel der Hanseatic Bank von Ende April: Für ein Eigentümerdarlehen von 20 000 Euro mit zehn Jahren Zinsbindung verlangte sie von der Mehrzahl der Kunden einen Effektivzins von 7,49 Prozent.
Günstiger mit der KfW
Für Immobilienkäufer mit wenig Eigenkapital kann es sich lohnen, einen Anteil von 50 000 Euro mit einem Kredit aus dem Wohneigentumsprogramm der staatlichen KfW Bank zu finanzieren. Diesen Kredit kann jeder für den Bau oder Kauf einer selbst genutzten Immobilie bekommen.
Für eine 80-Prozent-Finanzierung ist der KfW-Kredit zwar nicht besonders günstig. Viele Banken haben bessere Konditionen. Das ändert sich aber, wenn der Kunde 90 oder 100 Prozent des Kaufpreises finanziert. Dann wird der Bankkredit deutlich teurer, der KfW-Zinssatz aber bleibt gleich.
Eine Vollfinanzierung ist daher mit KfW-Darlehen fast immer günstiger als ohne. Die Mehrzahl der Bankangebote im Test besteht deshalb in diesem Fall aus einer Kombination aus Bank- und KfW-Kredit.
Das gilt aber nur für Finanzierungen mit zehn Jahren Zinsbindung. Die sicherere Variante mit 20 Jahren Zinsbindung gibt es von der KfW bisher nur für besonders energieeffiziente Neubauten.