Wert­ermitt­lung durch das Finanz­amt

„Finanz­amt bewertet häufig zu hoch“

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Wert­ermitt­lung durch das Finanz­amt - Immobilien werden höher bewertet

Maria Endeward ist Architektin und Sach­verständige für Immobilienbe­wertung in Berlin. © Pablo Castagnola

Wer mit der Bewertung des Finanz­amts unzufrieden ist, kann sich an öffent­lich bestellte und vereidigte Sach­verständige wenden. Maria Endeward ist eine von ihnen.

Sach­verständige dürfen nied­rigeren Wert nach­weisen

Wann kommt es auf eine unabhängige Bewertung von Immobilien bei Schenkung oder Erbschaft an?

Jedenfalls immer dann, wenn der Wert, den das Finanz­amt ermittelt hat, über­prüft werden soll. Wenn der Begüns­tigte die Schenkung oder Erbschaft ange­zeigt hat, fordert ihn das Finanz­amt auf, eine Steuererklärung abzu­geben und erlässt darauf­hin den Steuer­bescheid. Der Wert, der diesem zugrunde liegt, stimmt nicht zwangs­läufig mit dem in der Steuererklärung angegebenen Wert über­ein. Spätestens jetzt kommt der öffent­lich bestellte und vereidigte Sach­verständige ins Spiel, der einen nied­rigeren Verkehrs­wert nach­weisen darf.

Wie beur­teilen Sie die Vorgehens­weise des Finanz­amts?

Das Finanz­amt bewertet auf Grund­lage des Bewertungs­gesetzes in einem vereinfachten Verfahren. Es findet keine Besichtigung der Immobilie statt, keine Einsicht­nahme ins Grund­buch und es wird auch kein Sach­verständiger hinzugezogen. Besonderheiten des Objekts, die beispiels­weise den Wert mindern, können in einem solchen Verfahren nicht berück­sichtigt werden. Daher sind die Werte des Finanz­amts häufig zu hoch.

Besonderheiten berück­sichtigen

Was machen Sie anders oder besser als das Finanz­amt?

Ein öffent­lich bestellter und vereidigter Sach­verständiger ermittelt den Verkehrs­wert auf Basis der Immobilien­wert­ermitt­lungs­ver­ordnung. Diese sieht auch die drei Bewertungs­verfahren vor, die das Finanz­amt nutzt. Sie gibt dem Sach­verständigen aber viel mehr Möglich­keiten, Besonderheiten des Objekts und Markt­lage zu berück­sichtigen. Ein weiterer Plus­punkt gegen­über dem Finanz­amt: Ein Sach­verständiger besichtigt jedes Objekt. Dazu ist er sogar verpflichtet.

Wie lange brauchen Sie für ein Gutachten?

Für das Gutachten eines Einfamilien­hauses brauche ich etwa zwei bis drei Tage, für ein Wohn- und Geschäfts­haus eine Woche, für größere Immobilien länger.

IHK führt Sach­verständigen­liste

Wie finde ich einen Gutachter und wie hoch sind die Kosten?

Die Industrie- und Handels­kammer etwa führt im Internet eine Liste mit Sachverständigen. Das Honorar für private Gutachten ist frei verhandel­bar. Es orientiert sich am Verkehrs­wert und beträgt zur Deckung der Grund­kosten in der Regel mindestens 2 000 Euro.

Wegen Gesetzes­änderung: Höhere Werte zu befürchten

Mit dem Jahres­steuergesetz 2022 wurden Änderungen des Bewertungs­gesetzes beschlossen. Ab 2023 gelten deshalb neue Vorschriften – was hat es damit auf sich?

Das Bewertungs­gesetz regelt die Verfahren, mit denen Finanz­ämter den Verkehrs­wert von Immobilien ermitteln: das Vergleichs­wert-, das Sach­wert- und das Ertrags­wert­verfahren. Der Wert einer Immobilie ist zum Beispiel bei einer Schenkung oder Erbschaft relevant, weil sich die zu zahlende Steuer nach dem vom Amt fest­gestellten Verkehrs­wert richtet.

Was ändert sich im Bewertungs­gesetz?

Bevor­zugt soll das Vergleichs­wert­verfahren zur Anwendung kommen. Es orientiert sich an Kauf­preisen, die beim Verkauf ähnlicher Immobilien erzielt wurden. Entsprechende Vergleichs­daten soll der örtliche Gutachter­ausschuss zur Verfügung stellen, der alle Immobilienkäufe aus der Region erfasst und auswertet. Häufig fehlt es aber an solchen Daten, dann kommen je nach Art der Immobilie die beiden anderen Verfahren zum Einsatz. Die Verfahren als solche ändern sich nicht, das Jahres­steuergesetz 2022 hat aber die Rechengrößen geändert, die den Markt abbilden sollen. Im Ertrags­wert­verfahren gelten zum Beispiel künftig herab­gesetzte Liegen­schafts­zinsätze, im Sach­wert­verfahren höhere Wert­faktoren. Beides kann zur Folge haben, dass die Finanz­ämter ab 2023 höhere Verkehrs­werte ermitteln.

Was ändert sich nicht?

Das Jahres­steuergesetz 2022 hat nichts am Erbschaft­steuergesetz geändert. Es gelten nach wie vor die dort fest­gelegten Steuerklassen, Steuersätze und Frei­beträge.

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Kommentarliste

Nutzer­kommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.

  • Profilbild Stiftung_Warentest am 05.10.2023 um 09:08 Uhr
    Grundsteuerwert

    @Gutmensch: Aufgrund der Grundsteuerreform ermittelt das Finanzamt den jeweils geltenden Grundsteuerwert anhand der von den Steuerpflichtigen zur Verfügung gestellten Daten und zwar in Verfahren, die in den Paragrafen 218ff. BewG geregelt sind. Strukturell knüpft das neue Recht an bestehende steuerliche Bewertungsregeln an, die etwa von der Ermittlung von Grundbesitzwerten für die Erbschaftssteuer (Paragraf 157-203 BewG) bekannt sind. Die Regelungen unterscheiden sich inhaltlich aber teilweise von den bisherigen Verfahren, sodass Grundsteuerwerte durchaus von den Grundvermögenswerten für die Erbschafts- und Schenkungssteuer abweichen können.

  • Gutmensch am 26.09.2023 um 18:26 Uhr
    Grundsteuerwert

    Liebe StiWa,
    mein Notar meint, die Finanzämter legen den Grundsteuerwert der Immobilien für die Berechnung von Erbschafts- und Schenkungssteuer zugrunde. Diesen Grundsteuerwert kann man dem Grundsteuerbescheid der 2022 von Allen durchzuführenden Grundsteuererklärung entnehmen. Was meinen Sie?

  • Profilbild Stiftung_Warentest am 04.01.2023 um 13:14 Uhr
    Stichtag der FA-Immobilienbewertung bei Schenkung

    @KKsg: Ja, Sie haben Recht. Der Stichtag der Immobilienbewertung bei einer Schenkung ist in der Regel der Tag der notariellen Beurkundung. Wir werden unsere Ausführungen dazu ändern.
    Am Tag der notariellen Beurkundung geben Schenker und Beschenkte in der Regel alle formell notwendigen Erklärungen ab, damit der Eigentumswechsel im Grundbuch beantragt werden kann. Das Finanzamt erkennt daher auch diesen Tag als Tag der Ausführung der Schenkung nach § 9 ErbStG an, wenn keine weitere Bedingungen erfüllt werden müssen, damit der Beschenkte als Eigentümer ins Grundbuch kommt.

  • KKsg am 27.12.2022 um 10:02 Uhr
    Stichtag der FA-Immobilienbewertung bei Schenkung

    In obigem Artikel gibt die Stiftung Warentest bei Schenkung den Tag des Grundbucheintrags als Stichtag der Immobilienbewertung durch das Finanzamt an.
    Man liest aber auch, sogar vom Notar, die Angabe, dass der Tag der notariellen Beurkundung der Schenkung maßgeblich wäre.
    Was ist an dieser Stelle richtig?
    Freundliche Grüße

  • JVD03 am 14.07.2022 um 16:32 Uhr

    Kommentar vom Autor gelöscht.