
Wertermittlung. Bei Schenkung und Erbschaft von Immobilien wird das Finanzamt aktiv. © Westend61 / Werner Dieterich
Ob Schenkung- oder Erbschaftsteuer zu zahlen ist, hängt vom Verkehrswert ab. Für die Berechnung gelten seit 2023 neue Regeln, die Immobilien deutlich teurer machen.
Bei einer Schenkung oder Erbschaft geht Vermögen ohne Gegenleistung vom einen auf den anderen über. Das heißt aber noch lange nicht, dass der Begünstigte nicht dennoch zahlen muss. Es könnte Schenkung- oder Erbschaftsteuer fällig werden, die ans Finanzamt fließt. Ob sie zu zahlen ist, hängt vom Wert der Schenkung oder Erbschaft ab. Bei Immobilien ist der Verkehrswert maßgeblich, den das Finanzamt ermittelt. Ihm stehen für die Wertermittlung – je nach Art der Immobilie und der verfügbaren Daten – drei Bewertungsverfahren zur Verfügung: das Vergleichswertverfahren, das Ertragswertverfahren und das Sachwertverfahren. Einige Berechnungsansätze der beiden letztgenannten Verfahren haben sich im Januar 2023 geändert. Folge: Immobilien könnten deutlich höher bewertet werden.

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Freibeträge schützen vor Erbschaftsteuer
Für Begünstigte ist der Wert eines Geschenks oder einer Erbschaft von großer Bedeutung. Denn Schenkung- oder Erbschaftsteuer wird nicht zwangsläufig fällig, sondern nur dann, wenn das hinzugekommene Vermögen den Freibetrag des Beschenkten oder Erben überschreitet. Die Freibeträge richten sich nach dem Näheverhältnis zum Schenker oder Verstorbenen.
Dem Ehepartner oder eingetragenen Lebenspartner steht ein Freibetrag von 500 000 Euro zu, bei den eigenen Kindern sind es 400 000 Euro. Freunde haben einen deutlich niedrigeren Freibetrag von 20 000 Euro. Der gilt auch für unverheiratete Partner. Bleibt die Immobilie innerhalb der Familie, ist eine gänzlich steuerfreie Übertragung möglich.
Tipp: Mehr zum Thema in unserem Special Erbschaftssteuer: Freibeträge nutzen, Steuer sparen. Siehe auch unsere Tabellen zu den persönlichen Freibeträgen und den Steuersätzen bei Schenkung- und Erbschaftsteuer.
Unser Rat
Mitteilungspflicht. Unterrichten Sie das Finanzamt innerhalb von drei Monaten, wenn Sie eine Schenkung erhalten oder eine Erbschaft gemacht haben. Bei Schenkungen trifft diese Pflicht auch die schenkende Person. Das Finanzamt wird automatisch verständigt, wenn es ein notarielles oder gerichtlich eröffnetes Testament gibt, aus dem sich das Verhältnis zwischen dem Verstorbenen und den Erben ergibt. Das gilt auch, wenn eine Schenkung gerichtlich oder notariell beurkundet wird.
Gutachten. Der vom Finanzamt ermittelte Wert ist nicht immer zutreffend. Im Zweifelsfall können Sie einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen beauftragen – bevor das Amt tätig wird und danach. Kosten: mindestens 2 000 Euro. Rechnen Sie aus, ob sich das im Hinblick auf die steuerlichen Auswirkungen lohnt. Ist der vom Finanzamt ermittelte Verkehrswert zwar zu hoch, bleibt aber unterhalb des Freibetrages, hat er keine Auswirkungen auf die Steuer und muss deshalb auch nicht unbedingt mithilfe eines Gutachtens widerlegt werden.
Neue Gesetzeslage. Mit dem Jahressteuergesetz 2022 wurden Änderungen des Bewertungsgesetzes vorgenommen. Diese können dazu führen, dass Immobilien ab 2023 deutlich höher bewertet werden. Hohe Immobilienwerte haben Einfluss auf die Erbschaftsteuer, da die Freibeträge Ihrer Erben schneller überschritten werden. Treffen Sie jedoch keine übereilten Entscheidungen. Für Schenkungen und Erbschaften von Immobilien im Familienkreis gibt es diverse Steuerbefreiungen. Darüber hinaus bleibt Ihnen die Möglichkeit, einen vom Finanzamt ermittelten Wert per Gutachten zu widerlegen.
Finanzamt ermittelt Verkehrswert
Im Regelfall stellt das Finanzamt den Verkehrswert einer Immobilie fest, und zwar unabhängig davon, ob eine Eigentümerin oder ein Eigentümer einen öffentlich bestellten und vereidigten Gutachter mit der Bewertung beauftragt. Zu finden sind diese zum Beispiel über die Industrie- und Handelskammer, die ein bundesweites Sachverständigenverzeichnis führt. Bei der Wertermittlung von Immobilien ist, wie bei anderen Vermögensgegenständen auch, der gemeine Wert maßgeblich. Das ist der Wert, der sich bei einem ordnungsgemäßen Verkauf – Fachleute sagen „im gewöhnlichen Geschäftsverkehr“ – erzielen ließe, also der sogenannte Verkehrswert. Stichtag für die Bewertung ist bei Schenkungen von Immobilien in der Regel der Tag der notariellen Beurkundung des Schenkungsvertrags, bei einer Erbschaft der Todestag.
Den Verkehrswert ermittelt das Finanzamt in „typisierenden Massenverfahren“ vom Schreibtisch aus, also nicht individuell – auch wenn es bei der Bewertung von Haus und Hof entscheidend darauf ankommt, wie sie beschaffen sind. Auch bei unbebautem Grund und Boden kommt es zu einer Grundstücksbewertung durch das Finanzamt. Eine Besichtigung des Objekts findet dabei in der Regel nicht statt.
Bewertungsverfahren des Finanzamts im Überblick
Um den Verkehrswert von Immobilien zu ermitteln, nutzt das Finanzamt drei Bewertungsverfahren: das Vergleichswertverfahren, das Ertragswertverfahren und das Sachwertverfahren. Welches zur Anwendung kommt, hängt von der Art der Immobilie und den verfügbaren Daten ab.
Vergleichswertverfahren. Es wird zum Beispiel bei Eigentumswohnungen sowie Ein- und Zweifamilienhäusern angewendet. Der Vergleichswert orientiert sich an Kaufpreisen, die beim Verkauf ähnlicher Immobilien und Grundstücke erzielt wurden. Dabei werden zum Beispiel Grundstücksgröße, regionale Lage, Baujahr, Wohnfläche und Ausstattung berücksichtigt. Das Verfahren gilt als zuverlässige Bewertungsmethode.
Ertragswertverfahren. Beim Ertragswertverfahren stehen die Erträge, die wirtschaftliche Restnutzungsdauer und der Bodenwert im Vordergrund. Es kommt für renditeorientierte Immobilienarten zur Anwendung, etwa für Mehrfamilien- sowie Geschäftshäuser und Gewerbeimmobilien.
Mit Beginn 2023 wurde der vorherige pauschale Ansatz der Bewirtschaftungskosten auf Basis eines Prozentsatzes der Jahresmiete aufgegeben. Stattdessen werden die Bewirtschaftungskosten nun nach Instandhaltungskosten, Verwaltungskosten und Mietausfallwagnis aufgeschlüsselt und auf Basis der Nutzfläche beziehungsweise des Rohertrags festgestellt. Außerdem werden die pauschalen gesetzlichen Liegenschaftssätze herabgesetzt, was zu höheren Immobilienwerten führen kann, sofern der örtliche Gutachterausschuss keine Liegenschaftszinssätze ausgewertet hat.
Sachwertverfahren. Beim Sachwertverfahren sind Gebäudewert und Bodenwert ausschlaggebend. Es wird für Immobilien eingesetzt, bei denen die Eigennutzung im Vordergrund steht und bei denen Vergleichswerte oder übliche Mieten nicht vorliegen.
Mit Jahresbeginn 2023 wurde die Ermittlung des Gebäudesachwerts angepasst. Ein so genannter Regionalfaktor ist mit aufgenommen worden. Die zuvor angesetzten gesetzlichen Sachwertfaktoren werden erhöht, sofern der örtliche Gutachterausschuss keine Sachwertfaktoren ausgewertet hat, und die Gesamtnutzungsdauer ist für bestimmte Gebäudearten von 70 auf 80 Jahre angehoben worden. Beides führt zu höheren Werten.
Beim Ertragswertverfahren und beim Sachwertverfahren ist die Marktanpassung an den lokalen Immobilienmarkt bedeutsam. Nicht immer stehen den Finanzämtern diese Marktdaten – Liegenschaftszinssätze und Sachwertfaktoren – zur Verfügung, sodass die gesetzlich festgelegten Wertansätze herangezogen werden.
Steuervorteile für vermietete Objekte
Vermietete Immobilien werden bei der Berechnung von Schenkung- oder Erbschaftsteuer nur mit 90 Prozent des ermittelten Verkehrswerts berücksichtigt. Die übrigen 10 Prozent können steuerfrei verschenkt oder vererbt werden. Die Steuerbefreiung gilt nicht nur für Mehrfamilienhäuser, sondern auch für vermietete Ein- und Zweifamilienhäuser sowie vermietete Eigentumswohnungen.
Weiterer Steuervorteil: Fällt auf vermietete Immobilien Schenkung- oder Erbschaftsteuer an, kann diese über einen Zeitraum von zehn Jahren gestundet werden, falls der neue Eigentümer das Objekt verkaufen müsste, um die Steuer begleichen zu können. Die Regel schützt vor Notverkäufen und gibt Vermietern die Möglichkeit, die Steuer nach und nach aus den Mieteinnahmen zu bezahlen.
Wertermittlung durch das Finanzamt hat Schwächen
Die Art und Weise, wie das Finanzamt den Verkehrswert bei Schenkung und Erbschaft und im Übrigen auch für die Grunderwerbsteuer ermittelt, wird durchaus kritisch gesehen. Gleichartige Objekte werden gruppiert und mehr oder minder einheitlich bewertet. Dabei können der Bezug zum Bewertungsobjekt und die Nähe zum Markt fehlen. In der Regel führt das zu einer Erhöhung der Bemessungsgrundlage mit der Folge, dass Immobilien oft zu hoch bewertet werden. Dass Finanzämter einen zu hohen Verkehrswert ermitteln, gilt aber nicht zwangsläufig und allerorts. Es hängt letztendlich vom Einzelfall ab.
Einspruch gegen Wertermittlung
Wie auch immer die Immobilie bewertet wurde – niemand muss die Feststellung des Finanzamts hinnehmen. Es gibt die Möglichkeit, innerhalb eines Monats nach Zustellung Einspruch gegen den Feststellungsbescheid einzulegen und in Folge ein Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen vorzulegen, das einen anderen Wert belegt. Auch der erzielte Kaufpreis gilt als Nachweis eines geringeren Wertes, wenn es innerhalb eines Jahres nach Erbschaft oder Schenkung zu einem Verkauf kommt. Dasselbe gilt, falls die Immobilie innerhalb eines Jahres vor Stichtag gekauft wurde.
Verkehrswert auch wichtig bei Erbstreitigkeiten
Pflichtteil. Der Wert einer Immobilie kann auch bei Erbstreitigkeiten eine Rolle spielen, zum Beispiel wenn ein Angehöriger enterbt wurde. Häufig wird um die Höhe des Pflichtteils gestritten. Der beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Befindet sich eine Immobilie im Nachlass, richtet sich der Anspruch auch nach deren Wert. Der Pflichtteilsberechtigte hat ein Interesse daran, dass der Immobilie ein möglichst hoher Preis zuerkannt wird. Der Erbe, der etwas vom Nachlass abgeben soll, möchte genau das Gegenteil. Der Pflichtteilsberechtigte kann ein Wertgutachten verlangen, das aus dem Nachlass bezahlt wird. Hält er das Gutachten für falsch, kann er ein weiteres erstellen lassen. Einigen sich beide Parteien nicht, landet der Streit vor Gericht. Ein weiteres, vom Gericht beauftragtes Gutachten klärt die Angelegenheit.
Erbengemeinschaft. Der Wert von Immobilien wird beispielsweise auch dann relevant, wenn es zur Erbauseinandersetzung kommt, der Nachlass also unter den Erben aufgeteilt werden soll. Wenn sich die Erben auf einen gemeinsamen Gutachter einigen, spart das oft Ärger und Geld.
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Liebe StiWa,
mein Notar meint, die Finanzämter legen den Grundsteuerwert der Immobilien für die Berechnung von Erbschafts- und Schenkungssteuer zugrunde. Diesen Grundsteuerwert kann man dem Grundsteuerbescheid der 2022 von Allen durchzuführenden Grundsteuererklärung entnehmen. Was meinen Sie?
@KKsg: Ja, Sie haben Recht. Der Stichtag der Immobilienbewertung bei einer Schenkung ist in der Regel der Tag der notariellen Beurkundung. Wir werden unsere Ausführungen dazu ändern.
Am Tag der notariellen Beurkundung geben Schenker und Beschenkte in der Regel alle formell notwendigen Erklärungen ab, damit der Eigentumswechsel im Grundbuch beantragt werden kann. Das Finanzamt erkennt daher auch diesen Tag als Tag der Ausführung der Schenkung nach § 9 ErbStG an, wenn keine weitere Bedingungen erfüllt werden müssen, damit der Beschenkte als Eigentümer ins Grundbuch kommt.
In obigem Artikel gibt die Stiftung Warentest bei Schenkung den Tag des Grundbucheintrags als Stichtag der Immobilienbewertung durch das Finanzamt an.
Man liest aber auch, sogar vom Notar, die Angabe, dass der Tag der notariellen Beurkundung der Schenkung maßgeblich wäre.
Was ist an dieser Stelle richtig?
Freundliche Grüße
Kommentar vom Autor gelöscht.