
„Wir kaufen Ihren Pkw.“ Solche bunten Kärtchen finden Städter oft an ihren Autos. Wer steckt dahinter? Wie viel bieten diese Händler? Unsere Tester haben es ausprobiert – und sind mit vier Fallberichten und ein paar Verhandlungstipps zurückgekommen.
Lieber nicht auf die Straße werfen
Schon wieder ein Kärtchen im Türgriff. Gestern steckte eines am Fenster: „Bei uns sind Sie richtig.“ Auf anderen steht schlicht: „Ankauf & Export“ oder „Wir kaufen Ihr Auto“. Manche Autofahrer werfen die Kärtchen weg, andere sammeln sie. Sie auf die Straße zu werfen, ist keine gute Idee. Das ist eine Ordnungswidrigkeit, weil man die Straße verschmutzt. Es kostet 35 Euro Bußgeld, wird der Übeltäter erwischt.
Ein 15 Jahre alter Opel Corsa
Wir schmeißen die Kärtchen nicht weg, sondern folgen ihren Aufforderungen: vier Karten, vier Telefonnummern, vier Versuche. Unsere erste Fahrt führt zum ADAC, um ein Wertgutachten für unseren 15 Jahre alten Opel Corsa machen zu lassen. Der Experte checkt ihn gründlich. Das kostet 113 Euro. Sein Fazit: 1 425 Euro soll der Corsa noch bringen. Etwas wenig, finden wir. Im Internet stehen ähnliche Fahrzeuge zu Preisen um 1 700 Euro.
Fall 1: Ein angenehmer Mensch
Wir rufen den ersten Händler an. Er kommt sofort zur Sache: „Welches Modell, Baujahr, Kilometer, Preis?“ Wir verlangen 1 700 Euro. Wenig später ist der Mann da: freundlich, höflich, lächelnd – ein angenehmer Mensch. Er schaut unter die Haube, macht aber keine Probefahrt. Die Technik interessiert ihn kaum. Dafür findet er jeden Kratzer, jede Beule und die lose Halterung der Stoßstange. Mit arabischem Akzent bietet er 1 000 Euro, später 1 200 Euro. Mehr sind nicht drin, er fährt weg. Minuten später ruft er an: „Okay, 1 300 Euro.“
Fall 2: Ein Sturer am Steuer
Da haben wir schon den nächsten Händler bestellt. Auch er ist ruckzuck bei uns, meint aber: Der kleine Motor des Opel sei wenig beliebt, Dreitürer im Libanon nicht gefragt. Dorthin will er den Wagen verschiffen lassen. Er macht eine Probefahrt, kurz über den Parkplatz, und bietet 900 Euro, später 1 000 Euro. Dann beginnt er endlos zu reden. Offenbar eine Geduldsprobe: Wer bewegt sich beim Preis als Erster? Stur bleibt er am Steuer sitzen, bis uns ein Ausweg einfällt. „Unsere Mittagspause ist zu Ende.“ Da erhöht er auf 1 100 Euro: „Ich nehme den Wagen sofort. Wir fahren zu mir, ich schraube die Nummernschilder ab und bringe Sie wieder hierher.“ Wir sagen, dass wir es uns überlegen.
Fall 3: Ein grimmiges Duo
Nächster Anruf. Zwei Männer fahren vor, auch sie mit arabischem Akzent. Mittlerweile regnet es in Strömen. Sie stellen ihr Auto direkt vor unseres – offenbar nicht wegen des Regens, was wir aber erst später merken. Der Beifahrer ist beschäftigt. Er zählt dicke Geldbündel. Der Fahrer fragt als Erstes: „Was ist Ihr letzter, allerletzter Preis?“ Verdutzt verweisen wir auf die 1 700 Euro, die wir am Telefon genannt hatten. „Zu viel“, winkt er routiniert ab: „Der Corsa ist höchstens 600 bis 800 Euro wert.“ Das ist so wenig, dass wir die Verhandlungen beenden wollen. Da bietet er 900 Euro und erhöht später auf 1 000 Euro. „Mehr geht nicht“, erklärt er: „Ich muss auch verdienen, leben und leben lassen“ – den Spruch lässt er noch gefühlte 100-mal los. Auch er macht keine Probefahrt. Wir gehen auf 1 500 Euro herunter, er bietet 1 100 Euro. Schließlich, nach viel „leben und leben lassen“, holt er ein Geldbündel und will uns Bares in die Hand drücken. Als wir ablehnen, wird sein Ton rauer: „Soll ich hier die ganze Zeit im Regen gestanden haben für nichts?“ Er geht auf 1 200 Euro, wir bleiben beim „Nein“. Plötzlich reicht er uns die Hand, fast wie eine Drohung. „So nicht“, schnauzt er. Die beiden steigen in ihren Wagen ein – aber sie fahren nicht. Bei strömendem Regen sitzen wir im zugeparkten Auto und fragen uns, was als Nächstes passiert. Da steigt der Beifahrer aus, mit grimmigem Gesicht: „1 300 Euro“. Wir lehnen ab, er geht schimpfend zum Wagen zurück. Kurz darauf kommt der Fahrer: „1 400 Euro“. Wir bleiben bei 1 500 Euro. Der Mann flucht, schüttelt den Kopf, knallt die Tür zu. Die Situation ist angespannt. Doch endlich fahren die beiden.
Fall 4: Ein VW Passat
Ein Versuch noch, diesmal mit einem VW Passat. Wieder läuft ein Mann mit arabischem Akzent ums Auto. „600 Euro maximal“, verkündet er. Aber inzwischen sind auch wir fit im Verhandeln. Es geht hin und her. Bei 1 200 Euro schlägt er ein. Wir auch. Und ab gehts zu seiner Firma: ein riesiger Schrottplatz. Hunderte Autos stehen dort, dazwischen rostige Container, einer ist das Büro. Einen deutschen Ausweis hat der Mann nicht, aber eine italienische Aufenthaltserlaubnis, immerhin mit Foto. Abmelden will er den Wagen gleich morgen, versprochen. Wir schrauben trotzdem die Nummernschilder ab – er lacht: „Leute, hier stehen so viele Autos. Glaubt ihr, ich müsste zum Fahren eures nehmen?“ Da hat er recht. Am übernächsten Tag fragen wir in der Zulassungsstelle. „Ja“, lautet die Auskunft: „Der Wagen wurde abgemeldet.“ Alles in Ordnung.
Tipp: Am sichersten ist es, das Auto vor dem Verkauf abzumelden. Sonst stehen Sie für Versicherungsbeitrag und Kfz-Steuern gerade, falls der Käufer es nicht abmeldet. Klaus Heimgärtner vom ADAC meint: „Für Händler sollte es kein Problem sein, rote Kurzzeitkennzeichen dabeizuhaben.“
Pkw gehen in den Export
Die Händler verkaufen die Autos an Exporteure. „Aber nur die billigen“, berichtet uns einer von ihnen. „Die Abnehmer zahlen nur einige Hundert Euro pro Fahrzeug.“ Teurere Pkw möbelt er auf, lässt den Tüv neu machen und verkauft sie dann. Für die Polizei sind die Kärtchenhändler kaum ein Thema. Eher für den Zoll. Mitunter wird Elektroschrott wie alte Fernseher im Kofferraum versteckt und so ins Ausland geschmuggelt, sagt Jürgen Wamser, Pressesprecher der Generalzolldirektion. Der Bundesverband freier Kfz-Händler sieht in der Kärtchenkonkurrenz kein grundsätzliches Problem. „Autobesitzer sollten sich von den Händlern aber nicht überrumpeln lassen“, warnt Geschäftsführer Ansgar Klein.
Interessant für Autos ohne Tüv
Wer sein Auto verkaufen möchte, sollte es zunächst auf dem Privatmarkt anbieten, zum Beispiel im Internet auf Verkaufsportalen. Dort kann man vorher auch den Wert des Pkw erkunden, indem man gleiche Modelle desselben Baujahrs mit ähnlicher Laufleistung in die Suchmaske eingibt. Für Besitzer älterer Pkw ohne Tüv kann der Verkaufsweg via Kärtchen interessant sein, da die Autos oft in den Export gehen. Unser Fazit nach vier Versuchen: Die Händler sind nicht unbedingt unseriös. Sie können freundlich sein, aber auch knallhart und enorm Druck aufbauen.
Tipp: Verhandeln Sie nur zu zweit. Die Händler drücken massiv den Preis. Sie suchen nach Macken oder hören „komische Motorgeräusche“. Bleiben Sie stur. Falls ein Händler wegfährt, können Sie kurz warten, erneut anrufen und den Preis akzeptieren. Aus 600 Euro wurden in unserer Stichprobe so 1 400 Euro. Nehmen Sie nur Bargeld an, keine Schecks. Schreiben Sie unbedingt den „Ausschluss jeglicher Gewährleistung“ in den Kaufvertrag. Sonst müssen Sie für Mängel des Autos einstehen. Nehmen Sie vorsichtshalber ein eigenes Vertragsformular. Die gibt es im Internet. Und: Die Händler wollen den Wagen sofort mitnehmen. Es ist also am besten, wenn der Verkäufer schon vor dem Anruf alle privaten Dinge ausgeräumt hat.
Kärtchen verteilen – nicht erlaubt
Zurück zu den Kärtchen an den Autos. Die Ordnungsämter werten die Werbung als unerlaubte Sondernutzung der Straße. „Das ist nicht genehmigungsfähig“, sagt Kristin Nettelnbrecher vom Kreisverwaltungsreferat München. Das sehen Behörden bundesweit so. Marcus Kühlem, Fachbereichsgruppenleiter im Ordnungsamt Köln, sagt: „Selbst wenn Händler einen Antrag stellen, können wir dem nicht stattgeben.“ Seine Behörde erhält „immer mal wieder“ Beschwerden genervter Bürger. Manche schicken die Kärtchen ans Amt. „Dem systematisch nachzugehen, ist kein Aufgabenschwerpunkt.“ Die Auftraggeber zu ermitteln, ist ohnehin schwierig. Klar, die Telefonnummer steht auf der Karte. Aber das ist nur ein Indiz. Es bedeutet nicht, dass der Inhaber sie verteilt oder das Verteilen beauftragt hat. „Das müssen wir ihm nachweisen“, sagt Nettelnbrecher. Er könnte argumentieren, das seien nur Visitenkarten für Geschäftspartner. Den Beamten bleibt nur, die Verteiler zu bestrafen, aber die erwischt man selten. Sie verhängen dann ein Verwarnungsgeld, oft 35 bis 55 Euro.
200 Euro Strafe
Im niederrheinischen Moers gelang es, einen Händler dingfest zu machen. 200 Euro brummte ihm das Oberlandesgericht Düsseldorf auf. Öffentliche Straßen seien für den Verkehr da, erläuterten die Richter. Werbung hingegen diene ausschließlich gewerblichen Zwecken. Außerdem entstehe Müll, sodass die Stadtreinigung mehr Arbeit hat (Az. IV-4 RBs 25/10).
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Ja, das ist in manchen Gegenden eine richtige schlimme Plage mit den Kärtchen und Flyern an der Seitenscheibe oder unterm Scheibenwischer. Parkplätze, Gehwege und Grünstreifen sind davon zugemüllt. Ich kann nur empfehlen, diese Ordnungswidrigkeit bei der Stadt/Gemeinde zur Anzeige zu bringen. Und zwar mit der genauen Angabe zu Ort und Zeitpunkt sowie dem Hinweis, dass keine Zustimmung zur Anbringung durch den Fahrzeugführer vorliegt.
Dazu dann noch die Aufforderung, geeignete behördliche Maßnahmen einzuleiten, um derartige Vorkommnisse auf der Basis des o.g. Urteils des OLG Düsseldorf (Az. IV-4 RBs 25/10) zukünftig zu unterbinden.
Der Aussage von Frau Nettelnbrecher muss ich widersprechen. Auch wenn es auf den ersten Blick nach Mehrarbeit aussieht, man hilft damit dem Ordnungsamt die Auftraggebern der Vermüllung habhaft zu werden. Gehen mehrere Anzeigen ein ist der Anscheinsbeweis gegeben und der Spuk hat sehr schnell ein Ende...zumindest in dieser Stadt/Gemeinde.
Einer Freundin von mir ist folgendes passiert: Nachdem sie sich mit den Männern einig war über den Kaufpreis, zahlten diese in bar und nahmen das Auto gleich mit. Jedoch nach einigen Tagen standen sie laut und bedrohlich an ihrer Haustüre. In gebrochenem Deutsch forderten sie einen Teil des Kaufpreises zurück und behaupteten, sie wären von ihr über den Tisch gezogen worden, das Auto wäre den Preis nicht wert gewesen. Meine Freundin gab nach, denn sie wollte sie schnell los werden und sich nicht solche Menschen zu Feinden machen.
Die Kärtchenhändler sind Profis im Verhandeln, wer da nicht weiß, was sein Wagen ungefähr wert ist, hat keine Chance. Also entweder mal schnell in die ADAC Gebrauchtwagenpreisliste geschaut, bei einem dieser Onlineportale wie wirkaufendeinauto.de die Auto-Eckdaten eintippen oder bei Autoscout nach ähnlichen Wagen suchen. Und wer auf "komische Motorgeräusche" reinfällt, ist selber schuld :)
Vielen Dank für diesen Erfahrungsbericht. Habe bereits einmal ein älteres Fahrzeug über so einen Händler verkauft, ich war letztendlich auch zufrieden.
Interessant ist auch hier die Masche mit dem "allerletzten Preis", die war bei meinem Händler auch. Wer so dumm ist und den sofort nennt, wird sofort unterboten.