
Allergischer Schnupfen. Wenn Menschen trotz Medikamenten stark darunter leiden, kann eine Hyposensibilisierung helfen. © Adobe Stock / Antonioguillem
Mit Tabletten, Tropfen oder Spritzen können Allergiker ihr Immunsystem an die Allergieauslöser gewöhnen. Das dauert aber – und birgt Risiken. test.de klärt auf.
Allergische Reaktionen abschwächen
Niesattacken, Fließschnupfen, Augenjucken: Rund 15 Prozent der Erwachsenen in Deutschland haben allergischen Schnupfen. Tropfen, Sprays und Tabletten können die Qual lindern. Wer trotz solcher Mittel stark leidet, kann versuchen, seinen Körper davon abzubringen, auf Pollen oder andere Allergieauslöser überempfindlich zu reagieren. Mediziner nennen diese Strategie Hyposensibilisierung, manchmal wird sie auch als „Desensibilisierung“ bezeichnet. Sie kommt bei Heuschnupfen infrage, aber auch bei seltenen Allergien, besonders bei lebensbedrohlichen gegen Bienen- oder Wespengift. Ziel ist es, das Immunsystem an das Allergen zu gewöhnen, um die Beschwerden abzuschwächen.
Wie gut funktioniert die Hyposensibilisierung?
Patienten bekommen über Jahre Allergen-Extrakte in geringen, meist ansteigenden Mengen – als Spritzen, Tropfen oder als Tabletten, die sich unter der Zunge auflösen. Funktioniert das?
Sie haben die Wahl
Heftartikel. Sie sind an einem schnellen Überblick über Nutzen, Risiken und Dauer der Hyposensibilisierung interessiert? Dann lesen Sie hier kostenfrei den Testbericht aus test 9/2021. Im ebenfalls kostenfreien PDF finden Sie auch Tabellen mit unserer Bewertung für 21 häufig verordnete Allergenpräparate.
Buch. Wenn Ihr Kind unter einer Allergie leidet, finden Sie zuverlässige Informationen in unserem Ratgeber Medikamente für Kinder. Es enthält Bewertungen zu 1 000 Kindermedikamenten für mehr als 50 Anwendungsgebiete.
Häufig verordnete Mittel bewertet
Wir haben 21 Allergenpräparate zur Hyposensibilisierung bewertet, alle werden häufig verordnet. Dazu gehören Mittel gegen Allergien auf Baumpollen, Gräser- und Getreidepollen sowie Hausstaubmilben. Unsere Arzneimittelexperten sichteten Studien zu Wirksamkeit und Risiken. Ihr Fazit: Die Mittel sind durchweg „mit Einschränkung geeignet“. Das heißt, wir empfehlen sie nicht generell, sondern nur, wenn Maßnahmen zur Allergenvermeidung und andere Medikamente die Beschwerden nicht ausreichend lindern. Patienten sollten Nutzen und Risiken gut abwägen.
Unser Rat
Alle 21 Mittel zur Hyposensibilisierung sind eingeschränkt geeignet. Wir empfehlen sie lediglich Menschen mit Pollen- oder Milbenallergie, die trotz Medikamenten unter starken Beschwerden leiden. Sprechen Sie mit dem Allergologen, welches Präparat für Sie geeignet ist. Die Hyposensibilisierung sollte drei Jahre dauern und bei Pollenallergie möglichst vier Monate vor dem Pollenflug starten. Die Kosten trägt die gesetzliche Krankenkasse.
Drei Jahre durchhalten
Der Nutzen ist belegt – für Spritzen wie für Tabletten: Die Beschwerden bessern sich teils schon nach einigen Monaten, Betroffene brauchen weniger antiallergische Mittel. Niesen, Schnupfen und Co verschwinden aber nicht immer komplett. Für die volle Wirkung der geprüften Mittel müssen Allergiegeplagte etwa drei Jahre lang täglich Tabletten nehmen oder sich alle paar Wochen spritzen lassen. Ob nach der Behandlung die Effekte nachlassen, ist unklar. Bei Tabletten deuten Studien darauf hin.
Allergischer Schock ist möglich
Bekannt sind die Risiken: Alle Mittel können schwere allergische Reaktionen bis hin zum Kreislaufschock auslösen. Das passiert in weniger als einem von 1 000 Fällen, ist dann aber lebensbedrohlich. Patienten müssen daher nach jeder Spritze 30 Minuten in der Praxis bleiben, damit Arzt oder Ärztin zur Not eingreifen können. Bei Tabletten reicht es, die erste Einnahme zu überwachen. Leichte, häufigere Nebenwirkungen sind etwa Schwellungen und Juckreiz.
In der pollenfreien Zeit beginnen
Vor einer Hyposensibilisierung muss ein Allergologe den wichtigsten Auslöser der Beschwerden ermitteln – etwa durch Haut- und Bluttest –, um ein individuell geeignetes Präparat wählen zu können.
Tipp: Kümmern Sie sich aktiv um die Diagnose Ihrer Allergie. Zögern Sie den Arztbesuch vor allem bei Heuschnupfen nicht hinaus. Eine Hyposensibilisierung sollte möglichst in der pollenfreien Zeit beginnen, idealerweise schon vier Monate vor Beginn der Pollenflugsaison.
Nicht in der Schwangerschaft starten
In bestimmten Fällen ist keine Hyposensibilisierung möglich, etwa bei Krebs oder Autoimmunerkrankungen. Auch schweres Asthma kann gegen eine Behandlung sprechen. Schwangere sollten bis nach der Geburt des Kindes warten. Werden Frauen im Laufe der Therapie schwanger, ist es sinnvoll, ärztlichen Rat einzuholen.
Hinweise auf vorbeugende Effekte
Allergologen empfehlen die Hyposensibilisierung teilweise auch mit dem Argument, dass sie vorbeugend wirke – etwa allergisches Asthma und Allergien auf weitere Stoffe verhindern könne. Doch das ist laut unseren Arzneimittelexperten bislang nicht ausreichend belegt. Es liegen lediglich Hinweise aus Einzelstudien vor (siehe Interview Die Therapie packt das Übel an der Wurzel). Vorbeugende Effekte müssen weiter untersucht werden.
Studien zur Nachzulassung gefordert
Weitere Untersuchungen sind auch notwendig für die Zulassung bestimmter Mittel zur Hyposensibilisierung: 2008 trat eine Verordnung in Kraft, die fordert, dass Präparate zur Behandlung häufiger Allergien etwa gegen Birken-, Gräserpollen oder Hausstaubmilben eine Zulassung brauchen. Bis dahin durften sie als sogenannte Individualrezepturen ohne Zulassung auf den Markt kommen. Seit 13 Jahren sind deren Hersteller also aufgefordert, Sicherheit und Wirksamkeit ihrer Mittel nachträglich durch klinische Studien zu belegen.
Bis Ende 2010 wurden beim zuständigen Paul-Ehrlich-Institut (PEI) Zulassungsanträge für 123 Präparate gestellt, nur zwei erhielten bisher eine Zulassung. 57 befinden sich laut PEI derzeit noch im Verfahren, darunter häufig verordnete und von uns bewertete Mittel: die Acaroid-Injektionen bei Milben- und die Depigoid-Injektionen bei Pollenallergie. Bis zur Zulassungsentscheidung können sie weiter gespritzt werden.
Die letzten Fristen laufen nach jetzigem Stand 2026 aus. Weisen die Hersteller bis dahin keine Studien vor, dürfen die Mittel nicht mehr verabreicht werden.
Tipp: Zum Lindern akuter Beschwerden finden Sie in unserem Heuschnupfen-Special die besten und günstigsten Allergiemittel.
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@Cbern: Bitte wenden Sie sich mit Ihrer Fragestellung an Ihre behandelnde Ärztin oder Ihren behandelnden Arzt. Die Beantwortung individueller medizinischer Fragestellungen sind aus vielerlei Gründen nicht möglich ist. Zum einen sind wichtige Details zur Krankengeschichte sowie zu bisherigen Behandlungen unbekannt, zum anderen fehlt der direkte Kontakt zum Betroffenen selbst. Die Arbeit der Stiftung Warentest schließt also prinzipiell konkrete Beratungen bzw. Empfehlungen für den Einzelfall aus.
Generell habe ich gute Erfahrungen mit Hyposensibilisierung gemacht.
Ich habe seit meiner Kindheit ca. alle 10 Jahre eine Hyposensibilisierung gemacht, weil die Allergie sich nach einigen Jahren wieder verschlimmert. Bei letzten Mal hatte ich den Eindruck, dass nur noch eine geringe Verbesserung eingetreten ist. Wie oft macht es Sinn die Hyposensibilisierung zu wiederholen, bzw. macht es irgendwann keinen Sinn mehr?
Also ich habe die Hypersensibilisierung vor vielen Jahren gemacht (drei Jahre Spritzen) und mir hat es Linderung gebracht. Zwar bin ich vier Wochen im Jahr immer noch allergisch auf Pollen, aber es ist besser als früher, als ich teilweise nichts mehr sehen konnte vor lauter Niesen und Überreizung. Insofern bereue ich nicht, es gemacht zu haben.