Hygiene im Haushalt: Antibakterielle Ausrüstung

Interview: Wir müssen nicht umdenken

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Wird in modernen Haushalten nicht mehr gründlich genug geputzt?

Das Gegenteil ist der Fall. Eine interessierte Industrie verunsichert die moderne Hausfrau, die mehr und mehr Chemie und Desinfektionsmittel beim Hausputz einsetzt. Heutzutage wird mehr und vor allem mit wesentlich aggressiveren und umweltschädlicheren Mitteln geputzt als zu Uromas Zeiten.

Gibt es ein besonderes Gesundheitsrisiko durch mangelnde Haushaltshygiene?

Davon kann überhaupt keine Rede sein. Die Infektionsgefährdung war in früheren Jahren wesentlich höher als heute. Es gab keine Kühlschränke und keine staatlich überwachte Lebensmittelhygiene. Heute ist das Erkrankungsrisiko wesentlich geringer als vor Jahrzehnten. Wir müssen nicht umdenken.

Hersteller von Reinigungs- und Hygieneartikeln fordern "notwendige Hygienemaßnahmen" und eine zusätzliche antibakterielle Komponente. Mehr Werbung als Wahrheit?

Sie fordern die so genannten notwendigen Hygienemaßnahmen nur, weil sie ihre Produkte besser verkaufen wollen. Während früher ein einfaches Reinigungsmittel ausreichend war, wobei man schon froh sein musste, wenn es einigermaßen biologisch abbaubar war, muss heute noch eine antibakterielle Komponente hinzu. Die Infektionsfurcht im Haushalt wird durch die Werbung geschürt, sie ist wissenschaftlich nicht begründbar.

Im Infodienst von Domestos werden Listerien-, Chlamydieninfektionen, Influenza, Kolibakterien, Schimmel und Trichomonaden genannt. Panikmache?

Bevor Domestos die Öffentlichkeit mit der Aufzählung von Infektionsgefahren durch alle möglichen Keime verunsichert, soll erst mal nachgewiesen werden, dass durch Anwendung von Haushaltsreinigern diese Infektionsgefahren beseitigt oder reduziert werden. Solche Studien stehen aus.

Nach einer Studie wurden Listerien in 20 Prozent der Haushalte nachgewiesen, sogar auf Zahnbürsten. Grund zur Sorge?

Der Nachweis von Listerien im Haushalt bedeutet noch lange nicht, dass dadurch eine wesentliche Infektionsgefahr besteht. Wenn Listerien in Spültüchern, in Abwaschbürsten, in Kühlschränken oder in Badezimmerabflüssen nachgewiesen werden, sagt das überhaupt nichts. So lange man Spültücher oder Abwaschbürsten nicht isst oder ableckt, besteht keine Infektionsgefahr, denn Listerien machen nur dann eine Infektion, wenn sie mit der Nahrung aufgenommen werden. Wenn Listerien tatsächlich auf Zahnbürsten nachgewiesen worden sein sollten, dann ist die Konsequenz, die Zahnbürsten besser zu reinigen, denn Listerien werden vorwiegend auf Nahrungsmitteln oder Essensresten gefunden.

Gelten für Pflegebedürftige, Ältere, Schwangere, Kleinkinder, Säuglinge, Immungeschwächte besondere Hygieneregeln?

Auch für sie gilt: Händewaschen ist die wichtigste Hygienemaßnahme.

Wie rasch muss ein Wischlappen oder Schwammtuch in der Küche ausgewechselt werden?

Es gibt kein fixes Wechselintervall. Ich würde empfehlen, den Wischlappen oder das Schwammtuch zu wechseln, wenn es schmutzig ist und vor allem, wenn es zu riechen beginnt.

Gibt es Bereiche, wo spezielle antimikrobielle Ausrüstungen akzeptabel erscheinen?

Nein, im Haushalt keinen einzigen.

Besteht zumindest in belasteten öffentlichen Einrichtungen die Notwendigkeit einer antibakteriellen Reinigung?

Nein. Auch zum Beispiel nicht in öffentlichen Verkehrsmitteln, auf Toiletten, bei Tür- oder Haltegriffen. Es gibt nicht eine einzige wissenschaftliche Untersuchung weltweit, dass durch antibakterielle Ausrüstung solcher Gegenstände und Orte Infektionen verhütet würden.

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