
Ralph Rückert, Tierarzt und Tiermedizin-Blogger. © Ralph Rückert
Viele denken nicht an die Kosten für eine medizinische Behandlung, wenn sie sich einen Hund anschaffen. Das kann schiefgehen, sagt Tierarzt Ralph Rückert.
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Risiko Haustierkauf
Im Coronajahr 2020 haben Hunderttausende von Menschen sich einen Hund angeschafft. Wo kommen die alle her?
Auf dem Höhepunkt der Coronakrise waren Hunde in Deutschland „ausverkauft“, und noch immer müssen Interessenten teilweise lange Wartezeiten in Kauf nehmen, wenn sie einen Rassewelpen vom deutschen Züchter wollen.
Gleichzeitig kommen Zigtausende Hunde über den illegalen Welpenhandel aus Osteuropa nach Deutschland. Erwachsene Tiere werden häufiger über den Auslandstierschutz vermittelt.
Wer ein Tier übers Internet kauft, weiß oft nichts über seine Herkunft und Vorgeschichte. Bringen solche Hunde besondere gesundheitliche Risiken mit?
Es gibt viele Leute, die mit so einem Hund glücklich sind. Doch das Risiko, einen schwer verhaltensgestörten oder kranken Hund zu bekommen, ist ungleich höher, als wenn man Kontakt zum Züchter hat, die Elterntiere kennt und die Welpen quasi aufwachsen sehen kann.
Intensivbehandlung kostet Tausende von Euro
Sind Ihnen Fälle bekannt, wo Leute einen Hund gekauft haben, der dann schnell krank wurde?
Ja. Bei jungen Hunden, die zu früh transportiert wurden, kommt zum Beispiel Parvovirose vor. Das ist eine hoch ansteckende, akut verlaufende und oft tödliche Infektionskrankheit. Muss ein Hund mit Parvovirose eine Woche lang zur Intensivbehandlung in die Tierklinik, kostet das Tausende von Euro. Trotzdem ist nicht gesichert, dass er überlebt.
Menschen, die einfach nur einen Hund wollten, fallen aus allen Wolken, wenn sie merken, worauf sie sich da emotional und finanziell eingelassen haben.
Gesundheitliche Risiken gibt es aber auch bei bestimmten Hunderassen wie der Französischen Bulldogge – auch wenn der Hund von einem Züchter kommt. Aufgrund ihrer kurzen Kopfform ist die Rasse prädestiniert für bestimmte Krankheiten. Um das typische Aussehen zu erreichen, wurden diesen Hunden schwere Atemprobleme und eine Neigung zu Augenschäden, Hauterkrankungen, Keilwirbeln und Bandscheibenvorfällen regelrecht angezüchtet.
Sind Hundebesitzerinnen und -besitzer manchmal überrascht, wie teuer eine Behandlung sein kann?
Vor allem junge Leute schätzen das häufig falsch ein. Sie haben mitunter selber wenig Geld und trotzdem aus Tierschutz-Motiven einen Hund „gerettet“. Und dann stehen sie beim Tierarzt, und es kommt der Einschlag in der realen Welt. Das ist oft bitter.
MRT und Anästhesie haben ihren Preis
Wie kommt es, dass Hunde-Neulinge die Höhe der Folgekosten so unterschätzen?
Wer zum ersten Mal einen Hund hat, liest im Internet widersprüchliche Botschaften. Einerseits berichten Leute in Tierhalterforen triumphierend, wie wenig sie für eine Behandlung bezahlt haben.
Andererseits orientieren sich Menschen bei der Tierarztsuche zunehmend an Online-Bewertungen. Entscheiden sie sich, ihr krankes Haustier in eine Praxis zu bringen, die für ihre Kompetenz, ihre Freundlichkeit oder ihre Spezialisierung gelobt wird, sind manche dann überrascht, dass gute Tiermedizin teurer ist, als sie dachten.
Werden Tierarztkosten in den letzten Jahren generell höher, und wenn ja, woran liegt das?
Die tierärztlichen Preise in Deutschland waren im europäischen Vergleich lange niedrig. Das ändert sich gerade. Der wichtigste Faktor ist die Arbeitszeit. Praxen und Kliniken müssen mehr für die Arbeitszeit ihrer Mitarbeitenden bezahlen – da macht sich der Fachkräftemangel bemerkbar.
Ein weiterer Grund: Diagnostik und Therapie in der Tiermedizin sind mittlerweile annähernd auf dem Niveau der Humanmedizin. Wenn ein Hund einen Bandscheibenvorfall hat, gibt man sich heute nicht mehr mit Röntgen zufrieden, sondern schickt ihn gleich zur Magnetresonanztomographie (MRT), die genauere Ergebnisse liefert.
Auch die Narkosen sind aufwendiger geworden. Das geht von den Voruntersuchungen zur Bestimmung der Nieren- und Leberwerte bis hin zur Anästhesie selbst, wo heute ähnlich wie beim Menschen die Konzentration des Narkosemittels und die Vitalwerte des Patienten permanent kontrolliert werden. In größeren Kliniken oder Praxen wird die Narkose von einer weiteren Person überwacht – auch das kostet natürlich Geld. Unter Umständen ist so bei einer großen, aber harmlosen Wunde die Anästhesie teurer als das Zunähen.
50 000 Euro Kosten im Laufe eines Hundelebens
Wer seinen Hund medizinisch gut versorgen will, braucht also Geld. Wie viel pro Jahr ist für das tierärztliche „Routineprogramm“ einzuplanen, und was kann an besonderen Kosten bei Erkrankungen oder Verletzungen hinzukommen?
Für einen mittelgroßen Hund kommt man mit etwa 250 bis 300 Euro im Jahr für den regelmäßigen Checkup, die nötigen Impfungen und das Entwurmen hin.
Aber dann geht es erst richtig los: Diese Woche hatte ich zum Beispiel einen kleinen Hund in Behandlung, erst vier Jahre alt. Wegen einer aggressiven Parodontitis mussten mehrere Großzähne operativ entfernt werden. Die Rechnung betrug am Ende um die 2 000 Euro. Wird ein Hund vom Auto angefahren und kommt spät abends mit komplizierten Knochenbrüchen in die Klinik, kommen auch schnell 5 000 Euro zusammen.
Ähnlich ist es bei schweren Infektionskrankheiten, wenn ein Tier eine Woche in der Klinik behandelt wird.
Bei chronischen Erkrankungen gehen eher die laufenden Kosten ins Geld, zum Beispiel für Medikamente und Untersuchungen.
Hinzu kommen noch Futter, Hundeschule, Zubehör – wie viel kostet es insgesamt, einen Hund zu halten?
Grob geschätzt kostet ein „normaler“ Hund im Lauf seines Lebens etwa 25 000 bis 30 000 Euro, bei einem kranken Hund müssen Sie eher von 40 000 bis 50 000 Euro ausgehen.
Für viele Hundebesitzer lohnt sich eine Versicherung
Würden Sie Tierhalterinnen und Tierhaltern empfehlen, für die medizinische Versorgung ihrer Hunde finanziell vorzusorgen?
Wer eine Rechnung von 5 000 Euro jederzeit problemlos bezahlen kann, braucht keine Versicherung. Wenn jemand aber in so einem Fall den Familienurlaub streichen müsste oder sich für solche Ausgaben verschulden müsste, sollte er unbedingt eine Versicherung abschließen.
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@Matthiaswichmann: Die Tarife der Tierkrankenvollversicherung der HanseMerkur kamen erst zum Stichtag 1.9.2022 auf dem Markt. Der Stichtag unserer Untersuchung war der 1.6.2021. Deswegen wurden die Bedingungen der Krankenvollversicherung für Tiere der Hanse Merkur nicht getestet. Wir können Ihnen mit einer Aussage zu deren Qualität daher leider nicht dienen.
Liebe Tester, ich habe, motiviert durch Ihre Empfehlung, im vergangenen Jahr eine Hunde OP-Versicherung bei der Hanse-Merkur abgeschlossen. Jetzt würde ich gern den Versicherungsschutz auf eine Krankenvollversicherung erweitern. Ich finde da bei der H-M auch 3 Tarife. Leider taucht diese aber im Test von 09/21 ganicht auf. Können Sie mir vielleicht etwas zum Leistungsniveau sagen? Warum taucht diese im Test nicht auf?
Herzliche Grüße M.Wichmann
Liebes Test Team, aufgrund der guten Bewertungen hatte ich gestern versucht eine Versicherung bei der Agila abzuschliessen. Leider ist unser Antrag abgelehnt worden. Sehr schade. Unser Hund hat zur Zeit eine Knochenhautentzündung und ist in Behandlung. Er ist 7 Monate alt und zu schnell gewachsen. Aufgrund des schnellen Größenwachstums kam es zur Panostitis, die aber in absehbarer Zeit heilbar ist. Laut Webseite des Anbieters findet KEIN Ausschluss von Rassen und Hunde mit Erkrankungen statt. Agila hat eine Wartezeit von 30 Tagen und hätte somit als Versicherer vorraussichtlich keine Kosten mehr für die Behandlung übernehmen müßen. Der offizielle Ablehnungsgrund lautet aber "Wir versichern ausschließlich komplett gesunde Tiere". Die Agila wirbt also mit falschen Angaben. Schade!
@Romy1211: In die Bewertung des Leistungsniveaus gingen drei Prüfdimensionen ein:
- Die Erstattungshöhe für beide Modellbehandlungen, wenn diese im gleichen Versicherungsjahr durchgeführt wurden (Gewicht 50%)
- Die Art und Anzahl ausgeschlossener Erkrankungen und Fehlentwicklungen (Gewicht 30%)
- Versicherte Operationsverfahren, konservative Heilbehandlungen inkl. Diagnostik, Vorsorgemaßnahmen, Auslandsschutz (Gewicht 20%)
Der Tarif GHV Hunde Kranken Basis 80% hat im Test im Unterschied zum Tarif Agila Tierkranken 24 nur das Leistungsniveau „Niedrig“ erreicht, weil in diesem Tarif an unserem Untersuchungsstichtag (1.6.2021) alle bereits bei Vertragsschluss
vorhandenen Erkrankungen und Fehlentwicklungen vom Versicherungsschutz ausgeschlossen waren – unabhängig davon, ob sie beim Abschluss des Vertrages bereits bekannt waren. Das bedeutet faktisch den Ausschluss aller Erbkrankheiten.
Es ist möglich, dass die GHV zwischenzeitlich ihre Bedingungen geändert hat. Ob das der Fall ist, haben wir nicht geprüft. Änderungen, die nach dem Stichtag der Untersuchung vorgenommen wurden, haben keinen Einfluss auf die Bewertung in diesem Test.
@Romy: Bitte gedulden Sie sich etwas mit einer Antwort.