
Da hilft auch die schönste Verpackung nichts: Fast jeder zweite von der Stiftung Warentest untersuchte Hähnchenschenkel enthält zu viele Keime. Manche lassen nur das Fleisch verderben, andere können sogar krank machen. In 12 der 20 getesteten Produkte fanden sich resistente Bakterien. Sie sind Folge des massenhaften Einsatzes von Antibiotika. Nur fünf Hähnchenschenkel waren gut – von den fünf Biofleisch-Angeboten im Test erreichte keines diese Note.
Richt- und Warnwerte oft überschritten
Sauber sehen sie aus, die frischen Hähnchenschenkel aus der Plastikpackung. Was das menschliche Auge nicht erkennt: Auf dem Fleisch tummeln sich Bakterien. Völlig verbannen lassen sie sich aus Geflügel nie. Sie sollten aber kritische Mengen nicht überschreiten und nicht krank machen. Die Stiftung Warentest prüfte auf Verderbnis- und Krankheitskeime sowie antibiotikaresistente Bakterien – und wurde sehr oft fündig. Neun der 20 Produkte schneiden kurz vor dem oder am Verbrauchsdatum mikrobiologisch nur ausreichend oder mangelhaft ab. Zwei der angebotenen Produkte, „Bio Geflügel“ und „Le Marensin“, enthielten Listerien über dem Warnwert der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM)*. Auch bei anderen Keimen waren oft Richt- oder Warnwerte der DGHM überschritten, etwa für Pseudomonaden oder Enterobakterien. Ferner ermittelten die Tester in acht Produkten Campylobacter, einen Durchfallerreger und typischen Hühnerhofbewohner. Nur fünf Produkte sind gut, darunter auch die Hähnchenschenkel dreier großen Handelsketten.
Bioprodukte weitgehend ohne Antibiotika, aber stark keimbelastet
Bio-Hähnchenschenkel enthielten auffällig viele Verderbnis- und Krankheitskeime. Darum schneidet keines der getesteten Produkte besser als befriedigend ab. Dafür fanden sich nur in einem der fünf Bio-Produkte antibiotikaresistente Bakterien – aber bei 11 der 15 konventionellen. Eine mögliche Erklärung: Bei Bio ist der Antibiotikaeinsatz stark beschränkt. Bio-Masthähnchen etwa dürfen die Medikamente nur einmal in ihrem kurzen Leben erhalten. Solch strenge Regeln gelten in der konventionellen Landwirtschaft nicht. Wenn einzelne Tiere kränkeln, behandeln Tierärzte oft vorbeugend den ganzen Bestand. So ergab 2011 ein nordrhein-westfälischer Behördenbericht, dass 92 Prozent der Masthühner in geprüften Betrieben Antibiotika erhielten.
Resistente Keime unter Umständen gefährlich
Der Masseneinsatz von Antibiotika bei Mensch und Tier macht Bakterien unempfindlich gegen die Arzneien. Solche resistenten Keime können auch in Lebensmittel gelangen. So fanden die Tester in fünf Hähnchenschenkeln MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus). Elf Produkte beherbergten Darmkeime, die durch ein spezielles Enzym ganze Antibiotika-Gruppen zerstören. Resistente Keime entstehen auch durch den humanmedizinischen Einsatz von Antibiotika und schaden gesunden Menschen nicht. Doch bei Immunschwäche, etwa durch Alter, Krankheit oder immundämpfende Medikamente, können sie sich über die Maßen vermehren oder in Blutgefäße und Organe eindringen. Auch bei Verletzungen und im Krankenhaus besteht Gefahr: durch OPs, Kanülen, Katheter, Beatmungsschläuche. Dann drohen schwere, schlecht behandelbare Infektionen. Ob und wie gefährlich von Tieren stammende resistente Keime für Menschen sind, ist wissenschaftlich noch unklar. Vorsorglich empfiehlt das Bundesinstitut für Risikobewertung, den Einsatz von Antibiotika auf das unbedingt notwendige Maß zu begrenzen.
Hygienetipps für den Umgang mit Fleisch
Hersteller sollten aber auch die anderen Bakterien in Schach halten. Dazu müssten sie wohl die Verbrauchsfrist mancher Hähnchenschenkel verkürzen. Nach deren Ablauf sollte man Geflügel wegwerfen – dann haben sich Keime trotz Kühlregal und Kühlschrank so stark vermehrt, dass das Essen übel munden oder gar krankmachen kann. Auch sonst müssen Verbraucher auf Hygiene achten (siehe Tipps). Selbst die guten Hähnchen im Test sind nicht steril; das ist biologisch unmöglich. Damit die Keime nicht überhand nehmen, gehören gekaufte Keulen sofort in den Kühlschrank. Durchgaren oder -braten vor Verzehr tötet Bakterien, auch schädliche und resistente.
* Korrigiert am 17.10.2013.