
Für Homeoffice und mobiles Arbeiten ist eine Extravereinbarung zum Arbeitsvertrag nötig. Wir erläutern die Regeln.
Mit seinem Chef kommuniziert er per Videokonferenz, mit seinen Mitarbeitern fast nur am Telefon. Olaf Radzuweit, 50, ist Support-Manager einer US-amerikanischen Telekommunikationsfirma und leitet sein Team seit 2010 von daheim. In dem Unternehmen ist das gang und gäbe, in der Niederlassung in Berlin-Tegel gibt es nur noch ein paar Wechselarbeitsplätze.
Zu Hause in Stahnsdorf bei Berlin hat Radzuweit sich eine Büroecke eingerichtet. Was ihm anfangs schwerfiel: mit Ablenkungen umzugehen, wie dem Nachbarn, der klingelt, weil er ein Werkzeug braucht, oder den beiden Kindern, die schon mal in eine Videokonferenz rannten. Was er immer noch nicht schafft ist, regelmäßig Mittag zu essen. Dafür gefällt ihm die Flexibilität. So kann er zwischendurch mal in den Garten gehen. Weiteres Plus: Der Arbeitsweg entfällt. Das spart Nerven und Geld und entlastet die Umwelt.
Anna Pielsticker, 52, strategische Planerin, arbeitete mehr als vier Jahre für eine Stuttgarter Werbeagentur und blieb der Familie wegen in München wohnen. Meist einmal in der Woche fuhr sie in die Firma und besprach aktuelle Projekte, sonst arbeitete sie an ihrem Schreibtisch in Harlaching und wurde bei Bedarf in Videokonferenzen dazugeschaltet. Nachteil: In der Agentur blieb sie „außen vor“.
Homeoffice liegt im Trend. Immer mehr Beschäftigte arbeiten nicht nur in der Firma, sondern auch von zu Hause aus oder unterwegs. Ihr Anteil stieg von 22 Prozent (2014) auf 39 Prozent (2018), so der Digitalverband Bitcom. Ein Drittel der Angestellten, die bisher nicht zu Hause arbeiten, möchten dies gern regelmäßig oder gelegentlich tun, zeigte der Fehlzeiten-Report Wido der AOK. Das Bundesarbeitsministerium plant, einen gesetzlichen Rahmen für das Homeoffice einzuführen. Voraussetzung ist, dass der Job sich eignet.
Unser Rat
- Geeignet.
- Führt Ihre Firma die Möglichkeit ein, im Homeoffice oder mobil zu arbeiten, sollten Sie überlegen, ob diese Arbeitsform für Sie infrage kommt. Können Sie sich gut allein motivieren und organisieren? Gibt es daheim einen Platz, der dafür geeignet ist?
- Erreichbar.
- Es gilt die gleiche Arbeitszeit wie im Betrieb, sie kann aber flexibler gehandhabt werden. Sprechen Sie mit Firma und Familie ab, wann genau Sie für berufliche und private Belange ansprechbar sind. Für die technische Ausstattung sorgt die Firma, beim Homeoffice ist sie im Gegensatz zum mobilen Arbeiten auch für das Büromobiliar zuständig.
- Unfallversichert.
- Sie sind auch zu Hause gesetzlich unfallversichert, wenn der Unfall in direktem Zusammenhang mit der Arbeit steht.
Homeoffice: Fester Arbeitsplatz
Homeoffice, Telearbeit, Flexarbeit, mobiles Arbeiten – diese Begriffe werden häufig synonym benutzt. Homeoffice oder Telearbeit bedeutet, dass man an einem festen Platz im eigenen Haus oder der Wohnung arbeitet. Ist das Homeoffice vertraglich vereinbart, ist der Arbeitgeber seit 2016 für das Mobiliar und die technische Ausstattung zuständig. Radzuweit erhielt Laptop, Drucker, Headset und Handy von der Firma.
Arbeitsschutzauflagen einhalten
Der Arbeitgeber muss zugleich darauf achten, dass die Arbeitsschutzauflagen eingehalten werden, etwa dass das Netzwerkkabel nicht als Stolperfalle quer im Zimmer liegt.
Dafür müssen Arbeitgeber oder externe Fachleute den Arbeitsplatz zunächst inspizieren und eine „Gefährdungsbeurteilung“ abgeben. Der Arbeitnehmer muss schriftlich einwilligen, jemanden dafür in die Wohnung zu lassen. Alternativ kann er den Arbeitgeber über den konkreten Zuschnitt des geplanten häuslichen Arbeitsplatzes informieren und Einrichtungsdetails absprechen.
Nils Backhaus von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Baua) weist auf weitere Punkte hin: Es sollte eine Docking-Station geben, die den Firmen-Laptop mit einem Bildschirm und einer externen Tastatur verbindet. Schnelles Internet ist wichtig, ein Raum mit Tageslicht und im Idealfall ein höhenverstellbarer Schreibtisch.
Mobiles Arbeiten: Ohne festen Ort
Beim Flexarbeiten oder mobilen Arbeiten gibt es im Gegensatz zum Homeoffice keinen festen Arbeitsplatz. Mobil arbeiten kann man in Bahn oder Hotel, aber auch zu Hause. Wie Vertriebsmann Alex Hens aus Kiel, 42, der in einer Dienstleisterkette beschäftigt ist. Donnerstag und Freitag kann mit Firmen-Laptop und -Handy außerhalb des Büros gearbeitet werden. Er nutzt das Angebot nur an einem Tag, „weil ich noch neu im Betrieb bin“.
Die Arbeitszeit muss er nicht aufschreiben. In seiner Firma gilt Vertrauensarbeitszeit. „Ich komme auf meine Stunden.“ Er guckt schon mal vor dem Duschen in die E-Mails – oder öffnet nach Feierabend das Postfach.
Extravereinbarung mit Arbeitnehmer
Die Möglichkeit, mobil oder im Homeoffice zu arbeiten, wird in einer Betriebsvereinbarung oder in einer Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag festgehalten. Dort steht, wann der externe Arbeitsort genutzt werden kann. Das sollten die Tage sein, an denen es in der Firma keine Meetings gibt. Vereinbart werden sollte auch, was bei einem technischen Defekt geschieht, der das Homeoffice lahmlegt.
Gesetzliche Arbeitszeitbestimmungen
Im Homeoffice und beim mobilen Arbeiten gelten die gleichen gesetzlichen Arbeitszeitbestimmungen wie im Betrieb – egal, ob dort Kernarbeitszeit, Gleitzeit oder Vertrauensarbeitszeit gilt. Der Arbeitstag hat höchstens zehn Stunden, ab sechs Stunden ist eine 30-minütige Pause vorgesehen, ab neun Stunden 45 Minuten. Nicht gearbeitet wird an Sonn- und Feiertagen.
Zwischen Arbeitsende und -anfang muss eine Ruhezeit von elf Stunden liegen. Der Arbeitgeber muss seine Mitarbeiter entsprechend unterweisen. Die Realität sieht oft anders aus, wenn ein Angestellter etwa um 23 Uhr noch E-Mails checkt und um 8 Uhr wieder den Rechner hochfährt. Jeder fünfte Beschäftigte hat mindestens einmal im Monat weniger als elf Stunden Ruhezeit, ergab eine Baua-Umfrage.
Arbeitgeber müssen die Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter erfassen. Sie können dies aber an den Arbeitnehmer delegieren. Wer seine Stunden notiert, behält die Übersicht.
Tagesablauf flexibler gestalten
Homeoffice-Mitarbeiter schätzen vor allem die freie Zeiteinteilung (siehe Grafik unten). So wie bei Diplom-Kauffrau Anna Pielsticker. Waren abends die Familie und der Hund versorgt, setzte sie sich oft noch mal an den Schreibtisch.
Arbeit zu Hause hat viele Vorteile
Beschäftigte, die regelmäßig im Homeoffice arbeiten, schätzen ihre Arbeitsbedingungen positiv ein. Sie sind zufriedener als Personen, die nur ab und zu daheim arbeiten. Das zeigt eine AOK-Studie unter 2 000 Mitarbeitern.

Weniger Krankmeldungen
Vielen geht daheim die Arbeit besser von der Hand. Die Motivation ist hoch, Mitarbeiter im Homeoffice leisten öfter unbezahlte Überstunden und melden sich seltener krank. Doch das kann zugleich auf das Problem deuten, sich abzugrenzen (siehe Grafik unten). Der Fehlzeiten-Report zeigt auch: Heimarbeiter berichteten eher von psychischen Beeinträchtigungen wie Ärger, Selbstzweifel und Schlafstörungen. Auch Olaf Radzuweit fällt es nach wie vor schwer, einen klaren Schnitt zwischen Arbeit und Feierabend zu machen.
„Arbeitnehmer könnten sich zu sehr unter Druck setzen, weil sie beweisen wollen, dass sie zu Hause etwas tun“, warnt Norbert Reuter, Leiter der Tarifpolitischen Grundsatzabteilung bei Verdi. „Es könnte sein, dass sie versuchen, das Pensum auf jeden Fall zu schaffen, egal wie viel Zeit dafür nötig ist.“
Radzuweit kennt das: „Anfangs hatte ich oft ein schlechtes Gewissen und habe mehr gearbeitet als ich musste.“
Arbeit und Privates schwerer zu trennen
Mitarbeiter, die mobil oder im Homeoffice arbeiten, müssen flexibler sein als ihre Kollegen, die ihre Arbeit ausschließlich im Betrieb erledigen.

Schäden am Arbeitsgerät
Um Schäden am Arbeitsgerät muss man sich weniger Gedanken machen: Kippt versehentlich Kaffee auf das Firmen-Notebook, übernimmt in der Regel der Betrieb Reparatur oder Ersatz. Anna Pielsticker nutzte zunächst den privaten Laptop für die Arbeit. Als der kaputtging, bezahlte die Agentur einen neuen.
Für ein Arbeitszimmer können in der Steuererklärung bis zu 1 250 Euro im Jahr geltend gemacht werden, wenn kein anderer Arbeitsplatz im Betrieb zur Verfügung steht. *Wenn das häusliche Arbeitszimmer wie bei Radzuweit den Mittelpunkt der Tätigkeit bildet, können die Aufwendungen für das Arbeitszimmer sogar in voller Höhe als Werbungskosten (bei Angestellten) veranschlagt werden. Olaf Radzuweit erhält von seiner Firma Verbrauchsmaterial (Papier, Toner) sowie eine monatliche Betriebskostenpauschale von 50 Euro für Internet und 50 Euro für Nebenkosten (Strom, Heizung). Die versteuert er mit seinem Gehalt - und kann daher trotzdem die vollen Arbeitszimmerkosten geltend machen.*
Homeoffice-Pauschale von der Steuer absetzen
2020 und 2021 können Berufstätige, die kein separates Arbeitszimmer haben, Kosten für ein Homeoffice abrechnen. Je Arbeitstag gibt es 5 Euro als Werbungskosten oder Betriebsausgaben – maximal für 120 Tage im Jahr. Insgesamt sind 600 Euro möglich. Bedingung: Die Beschäftigten arbeiten an den Tagen nur daheim und setzen keine Kosten für ein Arbeitszimmer ab. Die Pauschale wirkt sich nur steuerlich aus, wenn im Jahr mehr als 1 000 Euro Jobkosten zusammenkommen. Das dürften viele schaffen, weil sie etwa für die anderen Büroarbeitstage die Pendlerpauschale absetzen: 30 Cent je Kilometer der einfachen Entfernung von daheim zum Büro. 2021 sind es ab dem 21. Entfernungskilometer 35 Cent.
Unfallversichert im Homeoffice
Auch unterwegs und am heimischen Arbeitsplatz ist der Arbeitnehmer unfallversichert. Der Unfall muss aber im direkten Zusammenhang mit der Arbeit stehen, etwa wenn ein Mitarbeiter betriebliche Dokumente aus dem Drucker im Keller holen will, die Treppe hinunterfällt und sich ein Bein bricht. Wer jedoch ein Glas Wasser aus der Küche holen will und dabei stürzt, hat keinen Anspruch auf Leistungen aus der Unfallversicherung.
Datenschutz im Homeoffice
Auch bei der Arbeit daheim müssen Datenschutzauflagen eingehalten werden. Kinder, Ehepartner und Besucher dürfen keinen Einblick in Unternehmensinterna oder Mitarbeiterdaten erhalten. Wichtig ist ein gut geschütztes Firmennetzwerk, in das sich Beschäftigte gefahrlos einloggen können.
Anna Pielsticker macht gerade eine Fortbildung und sucht dann einen neuen Arbeitgeber. Auch künftig wird einer bei der Arbeit an ihrer Seite sein: Hund Lola, der neben ihrem Schreibtisch liegt.
*Korrigiert am 2. März 2020
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