
In vielen Altbauten verbergen sich alte Holzschutzgifte. Manchmal haben die ehemaligen Bewohner die Holzpaneele der Wohnzimmerdecke damit eingepinselt. In anderen Fällen haben sie die Balken im Dachstuhl gestrichen. Was viele nicht wissen: Auch Jahrzehnte nach der Anwendung von Xylamon und anderen Holzschutzmitteln können die chemischen Substanzen noch unbemerkt aus dem Holz entweichen und die Gesundheit belasten.
Verstrichen in den 70er und 80er Jahren
Giftige Holzschutzmittel wurden bis in die 80er Jahre ziemlich sorglos eingesetzt. Sie enthielten unter anderem die heute verbotenen Wirkstoffe PCP, Lindan oder DDT. Haupteinsatzzeitraum für PCP waren die 70er Jahre. Seit 1986 wurde die Produktion von PCP in der Bundesrepublik Deutschland eingestellt. DDT ist in der Bundesrepublik bereits seit 1972 gesetzlich verboten. Die Verwendung von Teerölen (Karbolineum) zum Zwecke des Holzschutzes ist in der Bundesrepublik Deutschland seit 1991 gesetzlich geregelt: Danach dürfen Holzschutzmittel, die Teeröle oder Bestandteile aus Teerölen enthalten, nicht in Innenräumen verwendet werden. In der DDR wurde (bis 1989) für den Holzschutz in Innenräumen hauptsächlich das Mittel „Hylotox 59“ mit den Wirkstoffen DDT und Lindan eingesetzt. Für die Anwendung im Außenbereich war das PCP-haltige Hylotox IP vorgesehen. Erkennbar ist der Einsatz beider Mittel oft an einem öligen Geruch und an raureifartigen Kristallen auf der Holzoberfläche.
Gefahr für die Gesundheit
Leider ist auch heute – Jahrzehnte nach der ersten Anwendung – nicht völlig klar, wie die Mittel auf den menschlichen Körper wirken und welche Wechselbeziehungen mit anderen Substanzen dabei eine Rolle spielen können. Einfluss haben zum Beispiel Art und Dauer der Einwirkung sowie individuelle Gegebenheiten (ursprünglicher Einsatzmenge, Zeitpunkt der Anwendung, Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Lüftungsverhältnissen oder auch Konstitution der Betroffenen). Häufig treten erst Jahre später Symptome auf, die jedoch nicht sofort mit der Verwendung eines Holzschutzmittels in Verbindung gebracht werden. Die Symptome, die mit lang anhaltenden Holzschutzmittelbelastungen, vor allem mit PCP, Lindan und DDT, in Zusammenhang gebracht werden, sind breit gefächert: Sie reichen von Hauterkrankungen über Leberstörungen bis zur Schwächung des Immunsystems. Betroffene klagen oft über Konzentrationsstörungen, Kopfschmerzen, Gereiztheit, Leistungsschwäche, Müdigkeit und Schlafstörungen. Zum Teil wurden die Beschwerden auch hochgiftigen Dioxinen zugeschrieben, die als Verunreinigung von PCP vorkamen.
Belastung auch noch nach Jahrzehnten
Die Stiftung Warentest hat in der Vergangenheit mehr als 5 000 Holzproben auf chemische Altlasten hin untersucht. Das Ergebnis ist alarmierend und zeigt, dass die Probleme nach wie vor bestehen. Auch Jahrzehnte nach der Anwendung sind die Holzschutzgifte immer noch in vielen Holzproben nachweisbar. Und zwar nicht nur in geringen Konzentrationen. Mitunter finden sich in den Spänen Konzentrationen von mehr als 100 Milligramm PCP pro Kilogramm Holz (mg/kg). Der Grund: Die Giftstoffe sind schwerflüchtig. Das heißt, dass die Rückstände sehr lange im Holz nachweisbar sind. Einzelne Moleküle können deshalb auch noch nach Jahrzehnten ausgasen, ohne dass sie zu sehen oder zu riechen sind. Sie lagern sich dann zum Beispiel am Hausstaub an und belasten auf diesem Wege die Atemluft.
Warnung schon vor 15 Jahren
Bereits 1998 ergab eine Leseraktion der Zeitschrift test zu Holzschutzmittelaltlasten besorgniserregende Ergebnisse: Von den ersten 640 eingesandten Holzproben waren 60 Prozent mit Giftrückständen belastet (test 03/1998). Am häufigsten analysierten die Tester Rückstände des Pestizids PCP. Oft war es sogar verunreinigt mit Spuren hochgiftiger Dioxine. Im Jahr 2000 berichtete die Zeitschrift test (03/2000) über die Auswertung von 1 500 Holzproben: Dabei zeigten sich deutliche Unterschiede zwischen Ost und West. Jede zweite eingeschickte Probe aus den neuen Bundesländern war eindeutig mit Holzschutzmitteln belastet. Am häufigsten analysierten die Tester hier den Wirkstoff DDT; im Westen dominierten PCP und Lindan.
Holzschutz in der ehemaligen DDR
Zu DDR-Zeiten wurden die Dachstühle vieler Gebäude massiv mit dem DDT-haltigen Holzschutzmittel „Hylotox 59“ behandelt. Noch 1988 wurden in der DDR 1 000 Tonnen „Hylotox 59“ produziert. Jeder Liter dieses Mittels enthielt ca. 30 Gramm DDT sowie etwa 5 Gramm Lindan. Die Folge: Auch Jahrzehnte nach ihrem Einsatz finden sich in den untersuchten Holzspänen mitunter 1 000 Milligramm DDT pro Kilogramm Material. In der Bundesrepublik hingegen hat DDT beim Holzschutz auch in der Vergangenheit keine Rolle gespielt. Bei etwa jeder zehnten von der Stiftung Warentest untersuchten Probe aus den östlichen Bundesländern ergab die Analyse Hinweise auf die Behandlung mit einem speziellen Giftcocktail: einer Mischung aus PCP und DDT. Ein solches Holzschutzmittel mit der Bezeichnung „Hylotox IP“ war in der DDR offiziell für den Einsatz im Außenbereich vorgesehen. Ganz offensichtlich wurde es aber auch innerhalb von Gebäuden angewendet – ähnlich wie die PCP-haltigen Mittel im Westen.
Vorsicht beim Dachausbau
Wer heutzutage sein Dach ausbauen möchte, sollte das Risiko vorhandener Holzschutzaltlasten sehr ernst nehmen. Vor allem im Dachbereich haben Hand- und Heimwerker die Hölzer früher besonders oft und intensiv mit Gift behandelt. Werden die alten Hölzer im Zuge des Dachausbaus abgeschliffen, entsteht viel giftiger Staub. Zudem legen Hobel oder Schleifgerät womöglich gerade jene Holzschichten frei, in die das Gift beim Verpinseln eingedrungen und auch heute noch in relativ hoher Konzentration vorhanden ist. Ist der Dachstuhl in eine schicke Wohnung umgebaut, können diese Schadstoffe den Hausstaub und die Innenraumluft belasten.
Alte Gifte – neue Probleme
Solange ein Dachstuhl kein Wohnraum ist, sind die Altlasten oft weitgehend unproblematisch. Durch Fugen und Ritzen zwischen den Ziegeln findet ein ständiger Luftaustausch statt, so dass die Schadstoffe quasi weggelüftet werden. Anders ist die Situation nach erfolgreicher Dämmung und Dachabdichtung. Hier gelangen die Schadstoffe aus dem Holz direkt in den Innenraum. Wird die Gefahr rechtzeitig erkannt, lässt sich der Gesundheits- und Umweltschutz bei den Bauarbeiten berücksichtigen. Behandelte Dachbalken können zum Beispiel mit Alufolie luftdicht eingekapselt und verkleidet werden.
Analyse hilft
Wenn es im Haus Verdachtsmomente für Holzschutzmittelaltlasten gibt (siehe Tipps), sollten die Bewohner diese unbedingt ernst nehmen – egal ob es sich um Balken, Decken- und Wandverkleidungen, Paneele oder Holzfußböden handelt. Wer Gewissheit haben will, ob im Haus verbautes Holz früher mit giftigen Holzschutzmitteln behandelt worden ist, kann eine Holz- oder Staubprobe untersuchen lassen. Solche Analysen führen viele Prüfinstitute durch (siehe Tipps zum Messen).
Keine Panik
Ob Sanierungsmaßnahmen überhaupt notwendig sind, hängt einerseits von der Höhe der Belastung und andererseits von der (beabsichtigten) Nutzung der Räumlichkeiten ab. Werden beispielsweise Holzschutzmittelrückstände auf einem nicht ausgebauten, gut belüfteten Dachboden gefunden, durch dessen Fugen und Ritzen ständiger Luftaustausch gewährleistet ist, sind keine Sanierungsmaßnahmen erforderlich.
Sanieren, aber richtig
In Wohnräumen sind mit Holzschutzmitteln behandelte Hölzer wesentlich kritischer zu beurteilen als im Außenbereich. Dies gilt insbesondere für Schlaf- und Kinderzimmer, die Küche und andere oft benutzte Räume. Aber selbst bei selten benutzten Abstellräumen muss man bedenken, dass hier ein ständiger Luftaustausch mit den Wohnräumen stattfindet. Im Sinne eines vorsorglichen Gesundheitsschutzes sind für bewohnte Innenräume Sanierungsmaßnahmen immer empfehlenswert (Tipps zum Sanieren).
Warum Holzschutzgifte meist überflüssig sind
Mittlerweile hat ein Umdenken stattgefunden. Chemische Holzschutzmittel sollen im Innern von Wohngebäuden möglichst gar nicht mehr eingesetzt werden. Vorrang hat der baulich-konstruktiver Holzschutz. Auch die DIN 68800 berücksichtigt diesen Grundsatz. Auch für tragende Holzkonstruktionen werden hier verschiedene Varianten genannt, die zeigen wie optimale Materialien und intelligente Konstruktionen vor Insekten und Pilzen schützen. Dazu zählen widerstandsfähige Hölzer, gut getrocknetes Holz sowie die Abdeckung des Holzes. Wichtigste Grundregel: Das Holz vor Feuchtigkeit schützen. So kann ein Dachüberstand eine Holzfassade vor Regen schützen, und gute Holzlasuren bieten zusätzlichen Wetterschutz (siehe test 05/2006: Holzlasuren für außen). Weitere Tipps zum richtigen Holzschutz und zur Bekämpfung von Holzschädlingen finden Sie in den Tipps zum Holzschutz.
Hilfe für Betroffene
Ansprechpartner sind zum Beispiel die Umweltberatungsstellen in Ihrem Ort. Dies können kommunale Einrichtungen sein oder auch Angebote der Verbraucherzentralen oder anderer Träger. Einige Verbraucherberatungsstellen bieten neben der Umweltberatung auch eine spezielle „Wohnberatung“ an. Auch die für Gesundheitsfragen zuständigen Stellen in der Kommunalverwaltung sowie auf Landes- und Bundesebene können Sie um Rat fragen (zum Beispiel auch „Umweltambulanzen“). Die „Interessengemeinschaft der Holzschutzmittelgeschädigten (IHG) e.V.“versendet Informationsschriften zu diesem Thema und bietet die Möglichkeit zu einem Erfahrungsaustausch der Betroffenen. (IHG-Service-Büro im Landshuter Umweltzentrum e.V., Jodoksgasse 589, 84028 Landshut, www.ihg-ev.de). Falls in Ihrem Wohnbereich eine starke Belastung mit Holzschutzmitteln nachgewiesen wurde, sollten Sie darüber auch mit Ihrem Arzt sprechen.