
Anprobe. Soll das Hörgerät eher unauffällig sein oder nicht? Es gibt sogar verzierte und bunte Modelle.
In Deutschland gibt es mehrere große Akustikerketten. Bei wem sind Kunden am besten aufgehoben? Ausgerechnet ein Neuling in diesem Geschäft ist Testsieger: Fielmann.
Es könnte der Beginn einer wunderbaren Freundschaft sein: Wer ein Hörgerät braucht, ist auf die Expertise eines Hörgeräteakustikers angewiesen. Der wird zum Berater und ständigen Begleiter. Er muss geeignete Hörhilfen für die spezielle Störung auswählen und nach und nach an die individuellen Gewohnheiten des Kunden anpassen. Vor der Entscheidung sollten Interessenten verschiedene Hörgeräte ausprobieren und vergleichen – ein langwieriger Prozess, der sich über Wochen, manchmal sogar Monate hinzieht.
In unserem Test leisteten die Experten von Fielmann gute Arbeit, die von Geers, Kind, Amplifon, Seifert und Iffland erzielten befriedigende Ergebnisse. Diese sechs sind die größten überregional tätigen Akustikunternehmen in Deutschland.
Schwerhörige Testpersonen

Konzentriert zuhören. Der Akustiker prüft, welche Töne, Geräusche und Worte die Kundin in Ruhe und bei Störgeräuschen hören kann.
Wir schickten 18 schwerhörige Männer und Frauen zwischen 50 und 75 Jahren – beruflich, familiär oder ehrenamtlich aktiv – als Testpersonen in Filialen der Akustiker in unterschiedlichen Städten. Wir wollten wissen, wie gut die Spezialisten sich auf die individuelle Situation der Kunden einstellten, Hörgeräte entsprechend auswählten und anpassten, und natürlich, ob die Geräte das Hörvermögen verbesserten.
Die Hörgeräteakustiker zeigten: Sie verstehen ihr Handwerk. Die Chancen stehen gut, dass schwerhörige Kunden zufrieden das Geschäft verlassen. Dennoch: Die Spezialisten sollten nachbessern, Beratung und Kundenorientierung sind nicht immer optimal. Amplifon, Seifert und Iffland mussten sogar einen Punktabzug in der Wertung wegen deutlicher Mängel in den allgemeinen Geschäftsbedingungen hinnehmen. Seifert und Iffland verkürzen beispielsweise die gesetzlich vorgeschriebene Verjährungsfrist für Mängelansprüche von zwei Jahren auf ein Jahr.
Schlechtes Image von Hörgeräten

Lautstärke regeln. Die Lautstärke und unterschiedliche Programme für verschiedene Hörsituationen werden mithilfe kleiner Tasten eingestellt.
Die Kundenbindung fördern solche Klauseln kaum. Das Image von Hörgeräten ist ohnehin schlecht. Anders als etwa Brillen werden sie häufig als Zeichen von Alter und Gebrechlichkeit wahrgenommen. Nur rund drei Millionen Deutsche sind mit Hörgeräten versorgt – von schätzungsweise 16 Millionen, die unter Hörverlust leiden. Hinzu kommt: Ein Teil der Hilfen verschwindet früher oder später ungenutzt in der Nachttischschublade. Einige Menschen sind auch unzufrieden mit den künstlichen Lauschern, weil sie ungewohnt klingen, Hintergrundgeräusche sehr verstärken oder nicht auf alltägliche Situationen des Nutzers zugeschnitten sind.
Für jedes Ohr eins
Im Test stimmten die Voraussetzungen für besseres Hören. Die Experten empfahlen allen Testpersonen mit beidseitiger Schwerhörigkeit zwei Hörgeräte – für jedes Ohr eins. Das ist ein sehr gutes Ergebnis. In der Praxis haben viele Patienten nur ein Gerät, obwohl sie zwei bräuchten. Wenn beide Ohren betroffen sind, sorgen zwei Hörgeräte für mehr Schallinformationen und unterstützen räumliches Hören – und sie müssen nicht so laut eingestellt werden wie ein einzelnes Gerät.
Definieren Sie Hörziele
Fast alle Spezialisten fragten nach, in welchen Situationen den Kunden eine Verbesserung des Hörens besonders wichtig ist, wie etwa bei der Arbeit, beim Fernsehen oder für Gespräche in ruhiger Umgebung. Nach besonderen Interessen, wie sportlichen oder kulturellen Aktivitäten, erkundigten sich nur Fielmann und Amplifon.
Tipp: Überlegen Sie schon vor dem Gespräch, wann der Hörverlust Sie besonders stört, wann Sie unbedingt besser hören wollen. Positiv ist, wenn der Akustiker gemeinsam mit Ihnen Ziele definiert, zum Beispiel „Mithilfe der Hörgeräte möchte ich wieder Gespräche in Gruppen führen können“ oder „Ich will wieder die Vögel im Garten zwitschern hören“.
Widerstehen Sie dem Preisdruck
In der Praxis zeigt sich häufig, dass Kunden mit teuren Hörgeräten nicht zwangsläufig besser hören. Für den Kauf hatten wir ein Preislimit festgelegt, das in etwa doppelt so hoch war wie die Kassenfestbeträge (siehe „Kosten“). Die meisten Akustiker übten allerdings auf mehr oder weniger subtile Weise Preisdruck auf unsere Testpersonen aus. 13 Probanden erhielten Probegeräte, die deutlich teurer waren. Als Begründung führten die Akustiker etwa an: „Dieses Gerät ist für Ihre Schwerhörigkeit notwendig“. In einer Seifert-Filiale hieß es: „Da ist die Auswahl von geeigneten Geräten aber sehr gering – Sie werden damit nicht zufrieden sein.“ Am Ende konnten aber fast alle Tester Hörgeräte kaufen, die im vorgegebenen Kostenrahmen lagen.
Tipp: Die Akustiker müssen Kassenpatienten mit einer ärztlichen Verordnung auch ein zuzahlungsfreies Hörgerät anbieten, das dem aktuellen technischen Standard entspricht. Seien Sie hierfür offen. Je nach individueller Anforderung sind preisgünstige Geräte durchaus ausreichend. Teure Geräte verfügen beispielsweise über mehr Programme für verschiedene Hörsituationen oder Richtmikrofone.
Erproben Sie drei Hörgeräte im Alltag
Experten empfehlen, vor einer endgültigen Kaufentscheidung mindestens drei Hörgeräte im Alltag zu erproben. Das klappte nur bei Seifert und Kind in allen Filialen. Geers stellte allen Testpersonen nur zwei Geräte zur Verfügung, einmal sogar erst auf Nachfrage.
Tipp: Tragen Sie mindestens drei Probegeräte jeweils wenigstens eine Woche lang in unterschiedlichen Situationen. Protokollieren Sie Ihre Erfahrungen, das erleichtert hinterher die Auswahl eines Hörgeräts. Achten Sie unbedingt darauf, ob Sie es gut bedienen können. Überlegen Sie auch: Wollen Sie die Lautstärke selbst regulieren und zwischen verschiedenen Hörprogrammen auswählen können? Oder ist Ihnen ein Automatikgerät lieber, bei dem Sie fast nichts einstellen müssen?
Wie Sie mit Hörgeräten telefonieren
Die Akustiker erklärten den Testpersonen meist recht gut, wie sie die Probegeräte ins Ohr einsetzen, ein- und ausschalten, lauter und leiser stellen konnten. Informationen über verschiedene Hörgerätetypen und die Funktionsweise der komplexen Hörsysteme kamen aber manchmal zu kurz. Ganz großes Problem: Telefonieren spielte in der Beratung kaum eine Rolle, auch nicht später beim Kauf. Nur Fielmann erläuterte allen Testpersonen, wie sie mit Hörgerät telefonieren können. Bei Kind erfuhr das keiner der Probanden.
Tipp: Halten Sie den Telefonhörer direkt über das Mikrofon des Hörgeräts. Das befindet sich bei Hinter-dem-Ohr-Geräten über der Ohrmuschel. Es gibt auch Hörgeräte mit Telefonspule (siehe Tabelle), Telefonverstärker oder Spezialtelefone, die besonders laut gestellt werden können.
Anbieter haftet fürs Probegerät
Einige Anbieter haben versucht, den Testkunden eine umfassende Haftung für die Probegeräte aufzuerlegen, zum Beispiel per Unterschrift auf der Empfangsbestätigung. Bei der Akustikerkette Geers kann sich der Kunde während der maximal sechswöchigen Probezeit mit einer Versicherungsprämie von der Haftung freikaufen, „Schutzbrief Probe“ genannt.
Tipp: Der Kunde muss während der Probezeit haften, wenn er vorsätzlich oder fahrlässig handelt, die Hörgeräte im Schwimmbad zum Beispiel auf eine öffentlich zugängliche Ablage legt. Für unvorhersehbare Ursachen haftet der Anbieter, beispielsweise wenn der Kunde überfallen wird und die Geräte dabei verlorengehen.
Mit dem Kauf zahlen Sie für Service
Mit dem Kauf der Hörgeräte ist die Versorgung nicht abgeschlossen. Auch danach sollte der Akustiker die Technik regelmäßig an die Bedürfnisse des Kunden anpassen. Die Geräte müssen gewartet oder eventuell repariert werden. Der Akustiker sollte regelmäßig die Einstellungen überprüfen und nach der Eingewöhnungsphase eventuell die Lautstärke weiter anheben. Alle Anbieter im Test klärten über Nachsorgeangebote auf, aber nicht immer so ausführlich, wie wir uns das gewünscht haben. Über ein Hörtraining mit den neuen Geräten informierte nur Seifert.

Gehör, Gehirn und Seele. Der Ratgeber der Stiftung Warentest informiert über Erkrankungen, Hörschäden und Hörgeräte. 176 Seiten, 16,90 Euro.
Tipp: Es kann ein halbes Jahr oder länger dauern, ehe Sie sich an die Hörgeräte gewöhnt haben und mit deren Finessen klarkommen. Bei einem Hörtraining können Sie lernen, wie Sie die Technik optimal einsetzen können. Die Nachbetreuung gilt in der Regel für eine Dauer von sechs Jahren. Nehmen Sie sie zunächst vierteljährlich, später halbjährlich wahr. Die Termine kann der Akustiker in einem Service- oder Checkheft eintragen.
Wenn es dem Akustiker gelingt, die Hörhilfe an die persönlichen Bedürfnisse seiner Kunden anzupassen, kann sie das Leben der Betroffenen beträchtlich erleichtern. Manchen Schwerhörigen ermöglichen die Geräte überhaupt erst, weiterhin im Beruf arbeiten zu können und an gemeinsamen Aktivitäten mit Freunden und Familie teilzunehmen.