Was freiwillige Helfer beachten müssen
Immer mehr Deutsche engagieren sich für Flüchtlinge – und jede helfende Hand wird gebraucht. Doch bei vielen Freiwilligen herrscht Unsicherheit in rechtlichen Fragen: Muss ich Urlaub einreichen, wenn ich ehrenamtlich helfen will? Was passiert, wenn ich mich selbst oder andere während der ehrenamtlichen Tätigkeit verletze? Und darf ich ohne Weiteres Flüchtlinge bei mir zuhause unterbringen? test.de sagt, was Sie beachten sollten, um auf der sicheren Seite zu sein.
Kann ich mich von meinem Arbeitgeber freistellen lassen, wenn ich ehrenamtlich Flüchtlingen helfen will?
Einen gesetzlichen Anspruch auf Freistellung haben Ehrenamtliche nicht. Ein Ehrenamt sollte in der Freizeit ausgeübt werden – wer sich in seiner regulären Arbeitszeit engagieren will, muss sich also Urlaub nehmen. Ausnahmen gelten für die Freiwillige Feuerwehr, das Technische Hilfswerk und ehrenamtliche Mandatsträger, sowie bei Pflege von Angehörigen, Jugendarbeit, Fortbildungen, teils auch für das Rote Kreuz und für Beamte.
Allerdings sollten Ehrenamtliche dennoch einen Versuch wagen, sich freistellen zu lassen: Unternehmen fördern häufig das Engagement ihrer Mitarbeiter für gemeinnützige Zwecke. Das sogenannte „Corporate Volunteering“ sei in vielen Unternehmen längst gang und gäbe, berichtet die IHK Darmstadt. Sie macht jedoch deutlich, dass es sich hierbei immer um ein rein freiwilliges unternehmerisches Engagement handle.
Wie bin ich abgesichert, wenn ich mich als Ehrenamtlicher verletze?
Nachfragen. Auch wenn sie selbst keine private Unfallversicherung abgeschlossen haben, ist ein Großteil der Ehrenamtlichen bei Unfällen abgesichert: Entweder gesetzlich über die Landes-Unfallkassen oder über private Sammelversicherungen der Länder. Diese Unterscheidung wirkt sich unter Umständen auch darauf aus, wie sie im Ernstfall behandelt werden – ähnlich wie bei der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung. Um sicherzugehen, ob und wie sie versichert sind, sollten Ehrenamtliche unbedingt beim Organisator nachfragen, für den sie sich engagieren – am besten schon im Voraus.
Automatisch gesetzlich unfallversichert. Wenn Bürger ehrenamtlich im Auftrag von Bund, Ländern, Städten oder Gemeinden tätig werden, sind sie automatisch gesetzlich unfallversichert. Das gilt etwa für Helfer in den Flüchtlingsunterkünften. Aber auch für Ehrenamtliche, die im Auftrag der Kommune bei Rechtsfragen oder Behördengängen helfen, Sprachkurse geben, Flüchtlinge zum Arzt begleiten oder mit ihnen Fußball spielen. Nimmt der Helfer im Auftrag des Trägers an Besprechungen und Fortbildungen teil, ist er auch dort abgesichert. Versichert ist immer die Arbeit selbst, aber auch Hin- und Rückweg dorthin von Zuhause aus – sofern ohne private Abstecher zur Bank oder zum Bäcker. Die Unfallkasse übernimmt die Kosten für Behandlungen und Reha-Maßnahmen, bei geminderter Erwerbsfähigkeit zahlt sie eine monatliche Rente.
Ähnlich sieht die Lage aus für Ehrenamtliche in Vereinen oder Verbänden, die sich im Auftrag der Kommunen engagieren. Ebenso wie für Freiwillige im Gesundheitswesen, im Bildungswesen und für Ehrenamtliche in der freien Wohlfahrtspflege. Hierzu gehören etwa die Caritas, das Deutsche Rote Kreuz, die Diakonie, die Arbeiterwohlfahrt oder der Paritätische Wohlfahrtsverband.
Auch wer unentgeltlich Aufgaben für ein Unternehmen übernimmt, die normalerweise ein Beschäftigter leistet, aber selbst nicht dort beschäftigt ist, kann im Einzelfall unter den gesetzlichen Versicherungsschutz fallen. Gesetzlich unfallversichert sind außerdem: Ehrenamtliche in oder im Auftrag der Kirche, in oder im Auftrag der öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften, in landwirtschaftsfördernden Einrichtungen und Berufsverbänden, in Rettungsunternehmen und in gesetzlich geregelten Freiwilligendiensten.
Gemeinnützige Arbeit. Auch außerhalb dieser Bereiche sind viele ehrenamtliche Helfer in einigen Bundesländern gesetzlich unfallversichert, wenn die Unfallkasse des Landes in ihrer Satzung den Versicherungsschutz erweitert hat. Eine solche Regelung gibt es in Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein. Voraussetzung für den Versicherungsschutz ist dann, dass der Freiwillige sich ehrenamtlich für eine gemeinnützige Organisation für den guten Zweck engagiert, etwa in Initiativen, die Flüchtlingen Sprachkurse geben oder in Selbsthilfegruppen.
Verantwortliche Ehrenamtliche. Gewählte Ehrenamtliche in verantwortlichen Positionen, etwa Vorstände in Vereinen oder Organisationen, sind nicht automatisch gesetzlich unfallversichert. Sie können sich allerdings auf Antrag freiwillig über die zuständige Unfallkasse versichern lassen.
Private Sammelversicherungen der Länder. Und auch wenn keiner dieser Fälle zutrifft, sind die Ehrenamtlichen meist abgesichert: Gerade für die Kommunen ist das Engagement ihrer Bürger sehr wichtig, weshalb sie sie gut absichern möchten. Außer in Hamburg und Schleswig-Holstein haben alle Bundesländer eine private Sammelversicherung für ihre Ehrenamtlichen abgeschlossen, die im Falle eines Unfalls leistet. Voraussetzung ist, dass die gesetzliche Unfallversicherung nicht zuständig ist und der Helfer keine eigene private Unfallversicherung hat.
Unfälle melden. Unfälle sollten zunächst dem Träger gemeldet werden, für den der Helfer tätig ist – also etwa der Gemeinde, dem Verein oder dem Wohlfahrtsverband. Dieser muss ihn dann dem zuständigen Versicherer melden, also etwa der Landes-Unfallkasse oder der privaten Unfallversicherung des Landes. Der Träger muss im Zweifel nachweisen können, dass er den Ehrenamtlichen beauftragt hat. Es ist daher ratsam, Helferlisten zu erstellen.
Wer haftet, wenn ich als Ehrenamtlicher eine andere Person verletze oder etwas kaputt mache?
Haftpflichtversicherung für Ehrenamtliche. Die Freiwilligen haften selbst, wenn sie einen Schaden grob fahrlässig oder vorsätzlich verursachen. Grob fahrlässig handelt ein Helfer, wenn er offensichtliche Folgen seines Handelns nicht bedenkt, aber nicht gewollt herbeiführt – er etwa versehentlich über eine rote Ampel fährt.
Leicht fahrlässiges Verhalten dagegen wäre, wenn der Helfer ohne die nötige Sorgfalt handelt. Verletzt er dabei einen anderen Menschen oder zerstört etwas, kann er sich von Schadenersatzansprüchen freistellen lassen. Das bedeutet, dass der Träger den Schaden im Endeffekt allein tragen muss. Vereine, Verbände und Stiftungen sollten daher unbedingt eine Haftpflichtversicherung abschließen.
Vereinshaftpflicht. Der Großteil der Deutschen hat eine Privat-Haftpflichtversicherung abgeschlossen, sie ist die wichtigste Versicherung. Sie muss allerdings nicht in allen Fällen einspringen. Gewählte Ehrenamtliche in verantwortlichen Positionen wie Vereinsvorstände oder Kassenwarte sind allein mit einer privaten Haftpflichtversicherung nicht ausreichend gesichert. Gerade für sie ist das finanzielle Risiko besonders groß: Sie haften für alle Schäden, auch wenn andere Vereinsmitglieder sie verursacht haben, sogar mit ihrem Privatvermögen. Sie sollten daher eine Vereinshaftpflichtversicherung abschließen: Die deckt sowohl Ansprüche gegen Vereinsmitglieder ab als auch gegen den Vorstand.
Haftpflicht-Sammelversicherung. Um seine ehrenamtlichen Helfer abzusichern, hat jedes Bundesland eine private Haftpflicht-Sammelversicherung für seine Ehrenamtlichen abgeschlossen. Diese leistet im Fall, dass keine anderweitige Haftpflichtversicherung greift, ob privat oder über die Trägerorganisation. Auch hier gilt: Ehrenamtler sollten sich am besten im Voraus bei den Trägern schlaumachen, wie sie versichert sind.
Was muss ich beachten, bevor ich als Arzt oder andere medizinische Fachkraft ehrenamtlich Flüchtlinge untersuche?
Berufshaftpflicht. Sollte einem Arzt bei der Behandlung mal ein Fehler unterlaufen, kommt seine private Haftpflichtversicherung nicht für den Schaden auf. Normalerweise muss die Berufshaftpflichtversicherung hierfür zahlen, doch nicht immer deckt sie auch ehrenamtliches Engagement ab, da dies in der Freizeit geleistet wird. Einige Versicherer wie die Deutsche Ärzteversicherung schließen ehrenamtliche Tätigkeiten mit ein, andere wie HDI-Gerling bieten Erweiterungen des Versicherungsschutzes an. Wichtig ist, dass Ärzte frühzeitig bei ihrem Versicherer nachfragen, ob sie für ehrenamtliches Engagement versichert sind und es gegebenenfalls mit ihrem Arbeitgeber absprechen.
Ruhestandsversicherungen. Ärzte im Ruhestand haben meist mehr Zeit, um etwa bei Medizinchecks in den Erstaufnahmeeinrichtungen auszuhelfen oder kranke Flüchtlinge zu behandeln. Doch mit dem Ruhestand sind viele nicht mehr gegen Behandlungsfehler abgesichert. Ärzteversicherungen bieten daher auch sogenannte Ruhestandsversicherungen an.
Unfall- und Haftpflichtversicherung. Ehrenamtliche im Gesundheitswesen sind automatisch gesetzlich unfallversichert. Für Schadensersatzansprüche abseits der ärztlichen Behandlung gelten dieselben Regeln wie für andere Ehrenamtliche auch: Sofern keine grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz vorliegt, muss zumeist der Träger oder seine Haftpflichtversicherung für Schadensersatzansprüche aufkommen.
Kostenübernahme. Ärzte sollten sich auch bei der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung darüber informieren, inwieweit sie Behandlungen vornehmen dürfen und wer die Kosten hierfür erstattet. Hier gelten viele Sonderregelungen: Zum Beispiel müssen Asylbewerber bisher zunächst einen Behandlungsschein beantragen, bevor sie ärztliche Leistungen in Anspruch nehmen dürfen. Nur Bremen, Hamburg und Nordrhein-Westfalen haben bereits eine Gesundheitskarte für Asylbewerber eingeführt, andere Bundesländer wollen nachziehen. Einige Behandlungen, Hilfsmittel, Impfungen oder Medikamente muss der Kostenträger zunächst absegnen. Auskunft gibt die Kassenärztliche Vereinigung, auch darüber wie Ärzte vorgehen müssen, wenn sie die Flüchtlinge an andere Ärzte überweisen wollen oder wie sie die Behandlungs- und Materialkosten abrechnen müssen.
Brauche ich die Zustimmung meines Vermieters, bevor ich Flüchtlinge bei mir aufnehme?
Als Übergangslösung. Wer kurzfristig einen Flüchtling bei sich aufnimmt, als Übergangslösung für den Flüchtling, benötigt keine Zustimmung seines Vermieters. „Hier kann man argumentieren, dass man den Flüchtling quasi als Besucher kurzfristig in der Wohnung aufnimmt und einige Wochen in der Wohnung wohnen lässt“, erklärt Ulrich Ropertz, Geschäftsführer des Deutschen Mieterbunds. Wer sichergehen und Ärger vermeiden will, sollte dem Vermieter dennoch bescheid geben.
Langfristig als Untermieter. Meist geht es darum, einen oder mehrere Flüchtlinge langfristig bei sich aufzunehmen. Hier muss der Mieter die Erlaubnis seines Vermieters einholen, ansonsten riskiert er eine Kündigung. Ob dieser jedoch zustimmen muss, ist weniger eindeutig.
Anspruch auf Untervermietung. Auf der einen Seite hat ein Mieter einen Anspruch auf Untervermietung – also auch auf die Zustimmung des Vermieters – wenn er ein berechtigtes Interesse hat, einen Teil des Wohnraums einem Dritten zu überlassen. Wann ein berechtigtes Interesse vorliegt, ist jedoch umstritten. Das Landesgericht Berlin urteilte 1994 etwa: „Humanitäre und billigenswerte Gründe, die allein im Interesse des Untermieters geltend gemacht werden können, verpflichten den Vermieter nicht zur Erlaubnis der Untervermietung“ (Az. 64 S 1/94). Hintergrund war der Fall eines Mieters, der eine Hochschwangere aus einem Wohnheim vorübergehend bei sich aufgenommen hatte, ohne vorher seinen Vermieter zu informieren. Die Frau war ihm zuvor nicht bekannt gewesen.
Aktuelle Flüchtlingssituation. In der derzeitigen Flüchtlingskrise könne das „berechtigte Interesse“ jedoch anders ausgelegt werden, schätzt Ulrich Ropertz die Lage ein. „Losgelöst davon, dass finanzielle Gründe immer vernünftig und nachvollziehbar sind, dürfte auch der Wunsch, Flüchtlingen zu helfen, aktuell vernünftig und nachvollziehbar sein.“
Rechte des Vermieters. Auf der anderen Seite stehen die Interessen des Vermieters: Er kann seine Erlaubnis verweigern, wenn zu befürchten ist, dass der Untermieter den Hausfrieden stört oder die Wohnung durch die Untervermietung überbelegt wird. Zieht ein Flüchtling zusätzlich zu den bisherigen Mietern in eine Wohnung, darf der Vermieter wegen größerer Abnutzung oder steigender Betriebskosten die Miete erhöhen. Als angemessen wird 20 Prozent der gezahlten Untermiete oder etwa zehn Prozent der gesamten Nettokaltmiete beurteilt. Seine Zustimmung darf der Vermieter in dem Fall davon abhängig machen, ob der Mieter die höhere Miete akzeptiert.
Sollte ich den Wohngebäudeversicherer informieren, bevor ich als Hausbesitzer Flüchtlinge unterbringe?
Erhebliche Gefahrenerhöhung. Wer sich als Hausbesitzer dafür entscheidet, Flüchtlinge unterzubringen, sollte dem Wohngebäudeversicherer Bescheid geben, um auf Nummer sicher zu gehen. Denn laut Versicherungsvertragsgesetz muss ein Hausbesitzer seinem Versicherer eine „erhebliche Gefahrenerhöhung“ mitteilen. Ob diese bei der Unterbringung von Flüchtlingen unter meist schwierigen Bedingungen zutrifft, sorgte zuletzt für ordentlich Streit zwischen Versicherern auf der einen Seite und Flüchtlingshelfern und Politik auf der anderen. Angesichts zahlreicher Brandanschläge und überfüllter Heime verständlich, finden die einen – diskriminierend, kritisieren die anderen. Hausbesitzer sind jedoch gut beraten, ihren Versicherer zu informieren. Denn betrachtet dieser die Unterbringung von Flüchtlingen als eine „erhebliche Gefahrenerhöhung“, hat er anderenfalls das Recht, die Beiträge rückwirkend ab dem Zeitpunkt der Vermietung anzuheben oder den Vertrag innerhalb eines Monats zu kündigen. (Siehe dazu auch unsere Meldung Flüchtlinge im Haus – ein erhöhtes Risiko?)
Politischer Druck auf Versicherer. Wie viele Versicherer das tatsächlich tun werden und in welchem Umfang, ist fraglich. Denn der öffentliche Druck auf die Versicherer ist deutlich gestiegen, nachdem im Frühjahr mehrere Fälle unter anderem im Odenwald für Empörung gesorgt hatten. Einige Versicherer hatten sich laut Medienberichten geweigert, Flüchtlingsunterkünfte zu versichern. Auch Bundesjustizminister Heiko Maas schaltete sich ein und sprach von einem „fatalen Signal“. Seitdem sind die Versicherer zurückgerudert. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherer (GDV) sagt, der Versicherer im Odenwald habe einen Fehler gemacht. Gleichzeitig verteidigt er mögliche Kündigungen oder Beitragserhöhungen jedoch. Laut GDV liegt der Schadensaufwand deutlich höher, wenn Häuser nur kurzzeitig von wechselnden Mietern bewohnt werden, etwa von Touristen, Studenten, Montagearbeitern oder aber Flüchtlingen. Das könne sich auf Versicherungsschutz und -beiträge auswirken. Durch das tägliche Leben mit Kochen, Duschen, Licht, Rauchen, Heizen ergäben sich deutlich höhere Brandgefahren in Flüchtlingsunterkünften, die zuvor nicht als Wohnraum oder als Wohnraum für deutlich weniger Menschen genutzt wurden.