Interview: „Eigentlich ist immer Pollensaison“

Professorin Claudia Traidl-Hoffmann leitet das Institut für Umweltmedizin am Helmholtz Zentrum München und erforscht Folgen des Klimawandels.
Schnellere Sensibilisierung, stärkere Symptome: Durch die Erwärmung der Erde breiten sich immer mehr Pflanzen aus, deren Pollen Allergien auslösen. Saison ist nun das ganze Jahr über. Professorin Claudia Traidl-Hoffmann analysiert als Umweltmedizinerin die Immunantwort auf Pollen und erklärt, wie der Klimawandel auf die Gesundheit wirkt.
Heuschnupfen und Klimawandel
Heuschnupfen und Klimawandel – gibt es da einen Zusammenhang?
Ja. Der Heuschnupfen hängt mit Pollen zusammen und Pollen vermehren sich durch den Klimawandel. Pflanzen breiten sich aus – und die allergenen Pollen, die sie produzieren, sind früher und länger in der Luft. So fliegen Birkenpollen statt Mitte April schon einige Wochen früher. Diese Verschiebung gilt unterdessen für alle Pollen. Gräser hatten früher nur eine Saison – jetzt beobachten wir in einigen Regionen zwei Saisons.
Wie lange ist denn Pollensaison?
Eigentlich immer. Im November gibt es jetzt nur ein paar Tage Pause, im Dezember kommen dann schon die ersten Haselpollen. Unsere Daten zeigen, dass die Erderwärmung hier mit ursächlich ist. Bei warmem Klima wachsen andere und mehr Pflanzen.
Welche Arten verbreiten sich hier?
In Deutschland etwa Ambrosia. Deren Pollen lösen heftigere Allergien aus als etwa Gräser und Birke. Auch die Oliven aus dem südlichen Europa, die starke Allergien auslösen, können in Zukunft bei uns wachsen.
Auslöser werden vielfältiger
Entwickeln wir da neue Allergien?
Ja, denn die Auslöser werden vielfältiger. Dadurch gibt es mehr Pollen, die Heuschnupfen, aber auch Asthma, Hautjucken und Ekzeme verursachen.
Beeinflussen auch andere Umweltfaktoren die Pflanzenwelt?
Erhöhtes CO2, Stickoxide oder Partikel – am Ende sind es die Schadstoffe in der Luft, die zusammenwirken. Aber auch die Versiegelung von Böden, etwa durch Bebauung, ist ein Stressfaktor für die Pflanzen. Deren Pollen produzieren dann vermehrt Eiweiße, die Allergien auslösen. Die Proteinzusammensetzung kann sich dabei durch Schadstoffe wie Abgase, Feinstaub und auch Ozon verändern und Pollen aggressiver machen.
Leben in der Stadt ist ein Risikofaktor
Was bewirken aggressivere Pollen?
Immer mehr Menschen werden immer eher sensibilisiert durch Pollen, die auch stärker wirken. Das ist etwa so: Ein kleiner Hammer macht eine kleine Wunde, ein großer eine große.
Ist die Allergiegefahr eigentlich auf dem Land oder in der Stadt größer?
Auf dem Land gibt es mehr Pflanzen, also auch mehr Pollen. Wer schon eine Allergie hat, spürt auf dem Land mehr Symptome. Um aber überhaupt erst eine Sensibilität zu entwickeln, ist das Stadtleben ein Risikofaktor. Da bahnen die Schadstoffe den Weg in Richtung Allergie.
Warum gab es in der DDR weniger Allergien, obwohl die Umweltverschmutzung doch sehr hoch war?
Weniger Heuschnupfen etwa gab es, weil in der DDR mehr Grobstaub war, in Westdeutschland mehr Feinstaub. Zudem wurde da gegen Keuchhusten durchgeimpft, im Westen wegen der Nebenwirkung nicht. Heute scheint es, dass die Impfung auch etwas vor Heuschnupfen schützte. Doch nach Maueröffnung waren die Ostdeutschen relativ schnell auf dem Allergieniveau West.
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