Vorhofflimmern und andere Rhythmusstörungen brauchen nicht immer behandelt zu werden. Die Diagnose aber muss der Arzt stellen.
Wer kennt das nicht: Vor dem ersten Rendezvous, in der entscheidenden Prüfung, nach dem Sprint zum einfahrenden ICE schlägt das Herz schon mal schneller, es rast, es klopft bis zum Hals, es hüpft oder stolpert – vor Anstrengung, vor Aufregung oder vor Freude. Diese physiologisch bedingte veränderte Schlagfrequenz des Herzens ist völlig normal. Daneben gibt es aber verschiedene Herzrhythmusstörungen, die vom Arzt kontrolliert und je nach Schweregrad auch behandelt werden müssen.
Die Pumpe und ihr Rhythmus
Das etwa faustgroße Herz ist ein Muskel mit Hohlräumen: den zwei Vorhöfen und zwei Herzkammern (siehe Grafik). Es pumpt das Blut durch den Kreislauf. Nach einem festen Programm ziehen sich Teilbereiche zusammen und entspannen sich wieder. Der richtige Ablauf sorgt dafür, dass sauerstoffarmes, kohlendioxidreiches, „verbrauchtes“ Blut aus der rechten Kammer in die Lungen gepumpt wird. Dort wird Kohlendioxid gegen Sauerstoff eingetauscht (Lungenkreislauf) und als „frisches“ Blut von der linken Kammer kraftvoll zurück in den Körper gepumpt, um Organe und Gewebe zu versorgen (Körperkreislauf).
Wenn das Herz normal und regelmäßig schlägt, spüren wir es kaum. Der Rhythmus ist aber jederzeit zu ertasten an einer Arterie, die ungewöhnlich nah unter der Haut verläuft: Unterhalb des Daumens, am Handgelenk, kann man seinen Puls spüren oder sogar sehen. Er entspricht dem Takt der sich zusammenziehenden und entspannenden Herzkammern.
Der Herzmuskel wird durch elektrische Erregung, die er in bestimmten Zentren selbst erzeugt, gesteuert. Also nicht etwa vom Gehirn aus oder durch das – nicht dem Willen unterworfene – vegetative Nervensystem oder etwa durch Hormone. Bei einer Überfunktion der Schilddrüse oder bei Aufregung können diese Faktoren die Herzfrequenz zwar beeinflussen, aber die eigentlichen Impulse fabriziert das Herz selbst. Dazu nutzt es spezialisierte Herzmuskelzellen, die wie ein Generator Strom erzeugen, ihn in regelmäßigen Abständen abgeben und zu den kontraktionsfähigen Herzmuskelzellen leiten. Diese ziehen sich dadurch zusammen und entspannen sich anschließend.
Der Sinusrhythmus
Sitz des Generators, der gleichzeitig der natürliche Schrittmacher des Herzschlags ist, ist der Sinusknoten in der Wand des rechten Vorhofs. Daher heißt der natürliche Herzrhythmus auch Sinusrhythmus. Von dort aus fließt die elektrische Erregung auf verzweigten Bahnen durch beide Vorhöfe zum Atrioventrikular-Knoten (AV-Knoten) am Übergang zu den Herzkammern. Der AV-Knoten verzögert zunächst den Stromfluss, teilt ihn nach links und rechts auf und erregt beide Herzkammern so, dass diese sich gleichzeitig zusammenziehen.
Aus dem Takt
Herzrhythmusstörungen entstehen, wenn der Generator oder die nachgeschalteten Umschaltstellen wie der AV-Knoten nicht richtig arbeiten, wenn im Herzen durch zusätzliche „Generatoren“ elektrische Impulse entstehen oder wenn elektrische Leitungsbahnen im Herzen falsch verkabelt sind. Dann schlägt das Herz zu schnell, zu langsam, unregelmäßig oder sogar völlig chaotisch, es flimmert. Rhythmusstörungen können die Vorhöfe (supraventrikuläre Störungen) oder die Kammern (ventrikuläre Störungen) betreffen.
Nicht immer sind Veränderungen des regelmäßigen Sinusrhythmus krankhaft, aber Sie sollten bei Beschwerden in jedem Fall einen Arzt aufsuchen. Er kann durch Befragung (Anamnese) und durch ein EKG (Elektrokardiogramm) erste Hinweise erhalten und wird Sie gegebenenfalls an einen Kardiologen überweisen.
Vorhofflimmern
Beim Vorhofflimmern zucken die Herzvorhöfe unkoordiniert und schnell. Sie vibrieren praktisch und es gelangt weniger Blut in die Herzkammern. Auf diese selbst greift das rhythmische Chaos zwar nur selten über, aber ihre Effizienz wird damit geringer. Typische Anzeichen für Vorhofflimmern sind ein unregelmäßiger, schneller Puls, Unruhe und Angstgefühle, Atemnot, Schwäche, Schwindel, Schweißausbruch und Herzschmerzen.
Hinter dem Vorhofflimmern stecken oft bestimmte Grunderkrankungen. Manchmal schließt eine Herzklappe nicht mehr richtig oder sie ist verengt, was zu Druckveränderungen im Herzen führen kann. Auch Herzentzündungen, chronische Lungenkrankheiten, Diabetes oder eine Überfunktion der Schilddrüse können die Vorhöfe zum sinnlosen Vibrieren bringen. Ein besonderer Risikofaktor ist Bluthochdruck, unter dem 40 Prozent der Patienten mit Vorhofflimmern leiden.
Tritt Vorhofflimmern zum ersten Mal auf, vergehen oft nur Minuten oder wenige Stunden, bis das Herz von selbst in den geordneten Sinusrhythmus zurückspringt. Doch Vorhofflimmern hat die Tendenz, sich zu verschlimmern und chronisch zu werden. Beim anfallsartigen (paraoxysmalen) Vorhofflimmern dauern die Anfälle dann mit der Zeit immer länger und die Abstände zwischen den Anfällen verkürzen sich. Wenn das Herz binnen einer Woche nicht von allein zum normalen Sinusrhythmus zurückkehrt, spricht man von anhaltendem, persistierenden Vorhofflimmern. Beim permanenten Vorhofflimmern schließlich widersetzt sich das Herz jedem Normalisierungsversuch durch Medikamente oder Elektrotherapie.
Was gegen Vorhofflimmern hilft
Die Behandlung des Vorhofflimmerns soll zum einen die Beschwerden erträglicher machen, zum anderen Anfällen vorbeugen. Mit Medikamenten (Antiarrhythmika) wird versucht, entweder den Rhythmus von Vorhöfen und Kammern insgesamt zu normalisieren (Rhythmuskontrolle) oder nur die gesteigerte Schlagfrequenz der Kammern zu normalisieren (Frequenzkontrolle).
Sehr wichtig sind meist auch gerinnungshemmende Medikamente. Denn eines der großen Probleme von Vorhofflimmern ist das erhöhte Risiko für Blutgerinnsel im linken Vorhof. Schlimmstenfalls können sie einen Schlaganfall auslösen. Die Gerinnsel entstehen, weil sich in den Nischen und Winkeln der faktisch gelähmten Vorhöfe – das Flimmern bewirkt eine Vorhoflähmung – die flüssigen und festen Bestandteile des Blutes nicht mehr richtig mischen. Die Blutkörperchen können daher verklumpen, mit dem Blut in den Kreislauf strömen und dort ein Blutgefäß verstopfen. Im Gehirn führt das zum Schlaganfall. Durch Medikamente, die die Gerinnungsfähigkeit des Blutes herabsetzen, lässt sich dieses Risiko um 60 Prozent senken.
Die wichtigste Maßnahme einer Therapie des Vorhofflimmerns ist jedoch, das mögliche Grundleiden zu beseitigen. Zum Beispiel, indem eine Schilddrüsenüberfunktion korrigiert oder eine Herzklappe ersetzt wird.
Gutartiges Herzjagen
Auch bei gutartigem Herzjagen fühlt man sich oft schlecht und die Leistungsfähigkeit ist eingeschränkt. Das Problem entsteht vor allem dann, wenn einzelne Herzmuskelzellen außer Rand und Band geraten und – neben dem Sinusknoten – zusätzliche Erregungsimpulse abgeben oder wenn Leitungsbahnen existieren, die die Erregung zwischen Herzkammern und Vorhöfen kreisen lassen.
Nicht immer wird gutartiges Herzjagen richtig erkannt: Es beginnt plötzlich mit starkem Herzklopfen, der Puls ist regelmäßig, aber schnell. Eine Episode dauert oft nur einige Minuten und tritt eventuell erst einige Stunden nach einer Belastung auf. Meist helfen bei gutartigem Herzjagen als Sofortmaßnahme einige Tricks wie tiefe Atmung und Anspannen der Bauchmuskeln oder auch das Trinken von sehr kaltem Wasser.
Medikamentöse Behandlung
Bei der Diagnose von gutartigem Herzjagen kommen im Prinzip dieselben Verfahren zum Einsatz wie beim Vorhofflimmern oder zur Abklärung von Extrasystolen (siehe „Diagnose“). Im Ruhe-EKG ist das Problem aber selten zu erkennen, denn durch sein unerwartetes und vorübergehendes Auftreten lässt es sich beim Aufzeichnen der Stromkurve schlecht erwischen. Ein EKG während des Anfalls schafft am ehesten Aufklärung.
Ob Herzjagen behandelt werden muss, hängt davon ab, wie häufig diese anfallartigen Episoden auftreten und ob sie mit erheblichen Beschwerden verbunden sind. Wenn die Probleme vor allem vom Vorhof ausgehen, sind Betarezeptorenblocker einen Behandlungsversuch wert. Eine andere Möglichkeit sind spezielle Antiarrhythmika. Da aber oft auch jüngere Menschen (vor allem Frauen zwischen 30 und 40 Jahren) betroffen sind, und die Medikamente erhebliche Nebenwirkungen haben können, wird je nach Beschwerdebild auch eine Katheterablation in Betracht gezogen (siehe „Eingriffe“).
Extrasystolen: Herzstolpern
Herzstolpern hat der deutsche Rhythmus-spezialist Karl-Friedrich Wenckebach vor 100 Jahren als „Unfug der Natur“ bezeichnet. Fast jeder hat solche Extrasystolen schon mal erlebt, bewusst oder unbewusst. Es passiert, wenn Vorhöfe oder Kammern außerhalb des normalen Rhythmus – also zusätzlich – erregt werden und sich zusammenziehen.
Herzstolpern kann bei Angst, Aufregung oder Freude, Nervosität und Stress vorkommen und legt sich meist von selbst, wenn Ruhe und Entspannung die Oberhand gewinnen. Schuld ist das vegetative Nervensystem, dessen Ausläufer sich im Herzmuskel verzweigen und den Sinusrhythmus beeinträchtigen.
Auch anregende Substanzen wie zum Beispiel Alkohol, Nikotin und koffeinhaltige Getränke wie Kaffee, schwarzer Tee und Cola können das Herz schon mal aus dem Takt bringen. Vor allem, wenn man jenseits der Sechzig ist.
Wer ein „Stolperherz“ hat, leidet manchmal aber auch unter einem Vorhofflimmern und sollte zur Abklärung der Ursache seinen Arzt aufsuchen.
Holiday-Heart-Syndrom
Extrasystolen, die nur zeitweilig und selten auftreten, sind zwar schwer zu erfassen, müssen aber auch nur selten behandelt werden. Ursache für das Herzstolpern kann zum Beispiel ein veränderter beziehungsweise gestörter Elektrolythaushalt sein. Das heißt, die Mineralstoffe Natrium, Kalium und Magnesium stehen nicht in dem Mengenverhältnis zur Verfügung, das nötig ist, um die Weiterleitung von Nervenimpulsen zu sichern.
Auch manche Herzmedikamente können Auslöser von Extrasystolen sein, zum Beispiel überdosierte Digitalispräparate, sogar Antiarrhythmika.
Und zu guter Letzt: Wer am Wochenende allzu kräftig gebechert hat und montags mit Vorhofflimmern beim Arzt erscheint, leidet womöglich unter dem sogenannten Holiday-Heart-Syndrom (Feiertag-Herz-Syndrom). Um dem vorzubeugen reicht es, den Alkoholkonsum zu reduzieren.
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