Herz­probleme durch Stress Wenn die Psyche zu Herzen geht

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Herz­probleme durch Stress - Wenn die Psyche zu Herzen geht

Verbunden. Der Kopf wirkt aufs Herz. © Getty Images

Stress und negative Gefühle können aufs Herz schlagen. Die Gesund­heits­experten der Stiftung Warentest zeigen, wie es gelingen kann, Psyche und Herz in Balance zu bringen.

Wenn die Psyche auf das Herz schlägt

Der Braten und die Plätz­chen duften, die Familie ist beisammen. Doch was Geruh­samkeit verspricht, kann zum Stress­quell werden – und zur echten Gefahr. Studien zeigen: An den Fest­tagen schnellt die Zahl der Herz­infarkte hoch. Auslöser können hitzige Diskussionen oder Konflikte sein – in Kombination mit fettigem Essen und Alkohol. Dass Gänsekeule und Co dem Herzen zusetzen können, ist bekannt. Aber auch seelisches Wohl­befinden hängt mit der Gesundheit des Herzens zusammen. Das ist weniger vertraut – und nicht nur ein Weihnachts­phänomen.

Stress und Herz­gesundheit – die Fakten

Unzäh­lige Unter­suchungen haben die Verbindung nachgewiesen. Belastende Ereig­nisse, finanzielle Sorgen oder Stress seien für das Entstehen und Aufrecht­erhalten von Herz­beschwerden bedeut­sam, hält die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie in einem Positions­papier 2018 fest. Auf Basis von 189 Studien schluss­folgern die Experten: Koronare Herzkrankheit, Herzrhythmusstörungen, Herzinfarkte und Bluthochdruck sind nach­weislich mit dem seelischen Wohl­befinden verknüpft. Kommt die Psyche aus dem Gleichgewicht, kann auch das Herz aus dem Takt geraten.

Hektik, Über­forderung, Zeit­druck

„Fragt man Menschen nach einem Herz­infarkt, was ihrer Meinung nach der Grund war, fällt meist eine Antwort: Stress.“ Das sagt Dr. Dieter Benninghoven, leitender Psycho­loge und Psycho­therapeut an der Mühlen­berg­klinik Holsteinische Schweiz. Besonders dauer­hafte Last sei gefähr­lich: immerwährende Hektik, stete Über­forderung, täglicher Zeit­druck, Rivalität am Arbeits­platz, wenig oder keine Pausen.

Ist die Psyche belastet, geht das oft auch aufs Herz

„Die Welt­gesund­heits­organisation WHO hat Stress sogar jüngst als einen der führenden Risiko­faktoren für Herz-Kreis­lauf-Erkrankungen klassifiziert“, betont die Ober­ärztin für Kardiologie Dr. Ulrike Rudolph vom Universitäts­klinikum Leipzig. Vor allem die über­mäßige Belastung am Arbeits­platz gelte als riskant. „Wer pro Woche mehr als 55 Stunden arbeitet, hat ein höheres Risiko für Herz-Kreis­lauf-Erkrankungen“, erläutert sie. Menschen in Schicht- und Nacht­dienst seien besonders belastet. „Oft sind es auch emotionale Ereig­nisse, die einen Herz­infarkt auslösen: der Tod einer Angehörigen, ein Unfall oder Streit. Leider können auch freudige Über­raschungen manchmal zu viel sein“, sagt Dr. Rudolph. Das Infarkt­risiko in solchen Ausnahme­situationen ist Studien zufolge bis zu 21-Mal höher als an den Tagen davor.

Wie sich vorbeugen lässt

Die positive Nach­richt: So mächtig unser seelisches Wohl­befinden auf die Pumpe Einfluss nimmt, so gut lassen sich Herz­beschwerden mit psycho­logischen Mitteln vorbeugen (Gesund leben und den Stress klein halten). Lebens­umstände und Verhalten wiegen laut Deutscher Gesell­schaft für Kardiologie sogar mehr als eine genetische Vorbelastung. Es lohnt sich also, dem Herzen Gutes zu tun – egal ob Herz­probleme in der Familie liegen, Risiko­faktoren wie Diabetes bereits eine Rolle spielen oder jemand keine Vorbelastung hat.

Was das Infarkt­risiko erhöht

Diabetes, Rauchen, Überge­wicht und Blut­hoch­druck sind anerkannte Risiko­faktoren für Herz­erkrankungen. Depressionen wirken ähnlich desaströs aufs Herz. Mit ihnen steigt die Gefahr für Herz­beschwerden zum Teil um das Fünf­fache, berichtet ein Forschungs­team der Medical University in Lublin, Polen.

Tipp: Wenn Sie Ihren Blut­druck kontrollieren wollen: Hier finden Sie die besten Blutdruckmessgeräte im Test der Stiftung Warentest. Wir haben außerdem untersucht, welche Medikamente gegen Bluthochdruck wirk­sam sind.

Einsamkeit ist genauso belastend wie Rauchen

Aber auch stetig negative Gefühle wie Ärger, Angst oder Nieder­geschlagenheit können auf Dauer zu Herzen gehen. Sie gelten als ebenso risikoreich wie schlechte Cholesterinwerte und zu wenig Bewegung. Das belegt eine Über­sichts­arbeit aus den USA mit Befunden von mehreren Hundert­tausend Menschen. Dass Einsamkeit ähnlich belastend wie Rauchen ist, ergab eine weitere Studien­schau auf der Basis von Daten von über 300 000 Menschen.

Stets im Über­lebens­modus

Wie entsteht die Verbindung zwischen dem, was wir denken und fühlen, und unserem Organ­system? Sie mani­festiert sich auf zwei Wegen: Zum einen werden durch Gedanken und Gefühle biologische Mecha­nismen im Körper ausgelöst. Jeder kennt das aus eigenem Erleben: Wenn wir verliebt sind, hüpft unser Herz. Erschre­cken wir uns, rast es. Ärgern wir uns, wird bei manchen der Kopf puterrot – ein Zeichen für gesteigerten Blut­druck.

Kämpfen oder fliehen

Die Muster haben sich seit Urzeiten nicht verändert. Der Körper unserer Urahnen reagierte beispiels­weise auf Säbelzahntiger so, dass er gegen das Tier kämpfen oder vor ihm fliehen konnte. „In Momenten von Stress oder Angst antwortet unser Nerven­system noch immer mit erhöhtem Blut­druck und setzt mehr Fette und Zucker ins Blut frei, die uns in der fordernden Situation genügend Energie für Kampf oder Flucht liefern sollen“, erläutert Psycho­loge Benninghoven. In Dauer­schleife sind diese Mecha­nismen schädlich und können krankhafte Prozesse anstoßen. Ablagerungen in den Blutgefäßen entstehen. Stress­hormone entfachen eben dort Entzündungen. Das Herz arbeitet zu lange auf Hoch­touren, kann sich nicht erholen und kommt ins Straucheln.

Tipp: Suchen Sie nach Entspannungs­angeboten. Hilfe können gute Meditations-Apps und Achtsamkeits-Übungen bieten oder eine Kur oder ein Urlaub.

Frustessen und Alkohol

Gleich­zeitig beein­flusst unser Seelenleben unser Verhalten gerade in belastenden Zeiten oft nicht zum Guten. „Wenn Raucher Stress haben, rauchen sie noch mehr. Wer geschafft von der Arbeit heim­kommt, bewegt sich weniger, isst dafür meist ungesünder und fettiger“, sagt Benninghoven. Zudem dient Alkohol vielen dazu, am Feier­abend herunter­zukommen. All das tut Herz und Kreis­lauf nicht gut.

Die eigene Balance finden

Was aber hilft dem Herzen? Wichtig sei Bewegung jeder Art, von Spazieren­gehen bis Ausdauer­sport, so Frau Rudolph. Und: Es gehe darum, eine Balance zu finden zwischen Dingen, die getan werden müssen, und Dingen, die man selbst tun möchte.

Psycho­loge Benninghoven rät außerdem, sich seine Werte zu verdeutlichen: „Wo will ich im Leben hin, was ist mir wichtig? Unsere Patienten lernen, ihr Leben nach persönlichen Maßstäben zu gestalten.“ Auch das könne helfen.

Gesund leben und den Stress klein halten

Das können Sie tun, um Psyche und Herz besser in Einklang zu bringen:

Lebens­stil ändern

Kontakte pflegen. Unter Leute zu gehen, lässt das Herz im positiven Sinne höher­schlagen. Familie und Freunde halten zudem in Bewegung.

Blick in die Zukunft. Angenommen, Sie stehen am Ende Ihres Lebens und sollen Bilanz ziehen: Was soll bedeut­sam gewesen sein? Diese Situation spielen Psycho­logen mit Patientinnen und Patienten durch. Wer seine Werte kennt – Familie, Religion, berufliche Erfolge, soziales Engagement, Reisen – kann sein künftiges Leben danach ausrichten.

Die Gesundheit fördern. Gesundes Verhalten schont Körper und Herz. Versuchen Sie öfter Speisen mit weniger Salz, Zucker und Fleisch, dafür mehr pflanzlichen Fetten. Bewegen Sie sich im Alltag, etwa indem Sie die Treppe nehmen statt den Fahr­stuhl. Ein Rauch-Stopp entlastet das Herz schon inner­halb einer Woche.

Psycho­logische Unterstüt­zung. Sind Ängste oder Nieder­geschlagenheit sehr belastend, kann eine psycho­therapeutische Sprech­stunde helfen. Sie klärt, was dem seelischen Wohl­befinden guttun könnte – und kann zu einer Psycho­therapie führen. In der Warte­zeit auf Termine können Apps gegen Angst­störungen helfen. In unserem Test Apps gegen Angststörungen haben wir neun geprüft. Für manche auch eine Alternative: Onlineprogramme gegen Depressionen.

Stress besser bewältigen

Entspannen lernen. Entspannung senkt den Stresspegel, will aber gelernt sein. Als besonders wirk­sam beim Abschalten gelten Verfahren wie Yoga, Auto­genes Training oder Meditation. Interes­sierte lernen sie am besten in Kursen. Viele Krankenkassen zahlen Zuschüsse. Es gibt auch einige gute Meditations-Apps, wie unser Test zeigt.

Situationen anders bewerten. Belastende Momente lassen sich nicht gänzlich vermeiden. Hilf­reich ist es, mit ihnen besser umgehen zu können. Dabei kann es helfen, die Situation neu zu bewerten. Wie würde ein guter Freund, eine Freundin über diese Situation denken? Was würde ich sehen, wenn ich mich jetzt mit einer Kamera filmen würde? Manchmal stellt man bei der Außensicht fest, dass manches nicht so dramatisch ist, wie zunächst empfunden. Und dass es Wege gibt, gelassener damit umzu­gehen.

Acht­samkeit trainieren. Acht­samkeits­training übt darin, den Moment bewusst mit allen Sinnen wahr­zunehmen – statt gedank­lich zu springen zu kommenden Terminen oder vergangenen Konflikten. Probieren Sie es aus, etwa in der Mittags­pause: der Geruch der Suppe, das Gefühl von perlender Brause auf der Zunge, ein Luft­zug auf der Haut, der Klang der Kirchenglocke in der Ferne. Das Ziel: nur mal wahr­nehmen, nicht bewerten. Die Stiftung Warentest hat Fünf Übungen gegen Stress zusammen­getragen.

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