
Seit Dezember sind mehr als 1 600 gesundheitsbezogene Werbeaussagen verboten. Halten die Hersteller die Regeln ein? Die Lebensmittelexperten von test erklären, was die Produzenten auf der Verpackung schreiben dürfen und was nicht.
Auf der Suche nach Belegen

Jetzt erlaubt – Claim von Kinder Schokolade.
Kann ein Fruchtsaft Frauen vor Blasenentzündungen schützen? Hilft eine Schokolade Kindern wirklich beim Wachsen? Nein, entschied die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit Efsa (European Food Safety Authority). Ihre Experten fanden keine ausreichenden wissenschaftlichen Belege für diese gesundheitsbezogenen Werbeaussagen, englisch Health Claims genannt.
Konsequenzen für die Hersteller

Erlaubt - Claim von Danone Fruchtzwergen
Für die Hersteller hatte das Konsequenzen: Die Firma Ocean Spray preist auf ihrem Cranberrysaft jetzt nur noch den hohen Vitamin-C-Gehalt an. Vom Schutz vor Blasenentzündung ist keine Rede mehr. Auch Ferrero verspricht auf seiner Kinder Schokolade keine Wachstumshilfe mehr. Hunderte weitere Lebensmittelhersteller mussten bis zum 14. Dezember 2012 ihre Werbebotschaften entfernen. Vorausgegangen war dem ein jahrelanges Prüfverfahren. Seit 2008 prüft die Efsa jeden Health Claim, damit falsche Versprechen Verbraucher nicht mehr in die Irre führen. Gut 44 000 Claims hatten Hersteller zur Zulassung eingereicht. Die Efsa fasste sie zu rund 4 600 Hauptaussagen zusammen. Die Experten mussten Unmengen an Studien auswerten, die Hersteller als Belege ihrer Aussagen eingesandt hatten.
Erst 241 Aussagen erlaubt

Nicht erlaubt - Claim von Addy Junior Plus Kapseln.
Nur wenige Anträge konnten bisher überzeugen, rund 1 600 Slogans hat die Efsa bereits abgelehnt. Die müssen nun nicht nur von den Produkten verschwunden sein, sondern auch aus der Werbung im Internet, in Zeitschriften oder Fernsehspots. Auch Lagerbestände dürfen nicht mehr in den Verkauf gelangen. Offiziell zugelassen waren bis Anfang Februar erst 241 Health Claims. Meist handelt es sich um allgemeine Aussagen zur Wirkung von Vitaminen und Mineralstoffen. Der Fruchtsafthersteller Amecke etwa darf für seinen Mehrfrucht-Mineral-Saft weiter mit diesem Hinweis werben: „Calcium und Magnesium sind wichtig für Knochen, starke Nerven und beanspruchte Muskeln.“ Auch zulässig sind bekannte Zusammenhänge wie „Vitamin C stärkt das Immunsystem“, „Zink schützt die Zellen vor oxidativem Stress“ oder „Melatonin trägt dazu bei, die Einschlafzeit zu verkürzen“.
Stiftung Warentest mit Kritik an Produzenten
Ärgerlich für die Kunden: Es gibt auch Hersteller, die weiter mit Formulierungen werben, die man unter den zugelassenen vergeblich sucht. Als „Klugstoff“ für Kinder verkauft etwa Vital Products seine Addy Junior Plus Kapseln. Gefüllt sind sie mit Omega-Fettsäuren, Vitaminen und Mineralstoffen. Die Mischung hilft laut Angabe auf der Packung bei Konzentrationsschwäche und Lernstörung. Eine Aussage, die da nicht mehr stehen dürfte. Diese Kritik übten wir an weiteren elf Produkten in unserem aktuellen Test zu Nahrungsergänzungsmitteln für Kinder (aus test 02/2013).
Wer die Hersteller kontrolliert
Nicht die Europäische Union, sondern jedes Mitgliedsland selbst muss die Hersteller kontrollieren. In Deutschland sind die Lebensmittelkontrollbehörden der Bundesländer zuständig. Wir haben zwei große verantwortliche Behörden gefragt: in Baden-Württemberg und Sachsen. Sie wollen künftig nur stichprobenartig Produkte auf falsche Gesundheitsversprechen überprüfen. Wie streng sie Verstöße ahnden, bleibt abzuwarten. Von einer mündlichen Verwarnung bis zum Strafverfahren ist alles möglich. Den Kontrolleuren zufolge sind die Hersteller selbst für die Wahrheit der Werbeaussagen verantwortlich.
Hersteller reichen Klage ein
Die Lebensmittelindustrie gibt sich mit den neuen Werberegeln nicht einfach zufrieden. Der Verband der Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln etwa sieht unter anderem die Informationsfreiheit der Verbraucher und die Meinungsfreiheit der Anbieter verletzt. Er klagt jetzt gegen die Europäische Kommission und die Efsa. Die Efsa macht unverdrossen weiter. Ihre Arbeit ist noch nicht beendet. Derzeit prüft sie weitere Claims vor allem zu Pflanzenstoffen und einzelne Aussagen zu probiotischen Milchprodukten. Fördern die Bakterien tatsächlich Immunsystem und Verdauung? Auch das ist umstritten.
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- Es soll Entzündungen hemmen, Schmerzen lindern, vor Krebs oder Alzheimer schützen – im Internet wird Nahrungsergänzungsmitteln mit konzentriertem Kurkuma wie Kapseln...
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- Im Test von 19 Olivenölen (nativ extra) schneiden viele gut ab. Vier Öle sind mangelhaft – ranzig und teils schadstoffbelastet. Das beste Öl im Test kommt aus Süditalien.
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- Anfangsmilch soll das Baby rundum versorgen. Die meisten Pre-Nahrungen im Test der Stiftung Warentest sind erfreulich gut – aber nicht jedes Markenprodukt.
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