Gute vier Jahre dauerte es bis zu einer Entscheidung – nun hat der Bundesfinanzhof (BFH) das Urteil veröffentlicht: Steuerzahler können Kosten, die durch das Schneeräumen oder die Straßenreinigung vor dem Haus entstehen, als haushaltsnahe Dienstleistungen in der Steuererklärung abrechnen (Az. VI R 56/12). Mit dem Urteil der obersten Finanzrichter in München gibt es eine Umkehr in der bisherigen Rechtsprechung.
Bundesfinanzhof geht neuen Weg – Berlinerin als Mutmacher
Bislang haben Finanzämter alle Ausgaben, die für Dienstleistungen außerhalb des eigenen Grundstücks anfielen, nicht anerkannt. Dagegen klagte unter anderem die Berlinerin Britta Gatzke, die Finanztest im Rahmen der Serie Mutmacher porträtiert hat. „Ich habe mich geärgert, dass das Finanzamt Ausgaben für den Winterdienst nicht anerkennen will. Dabei sind wir verpflichtet öffentliche Wege vor dem Haus schnee- und eisfrei zu halten und müssen haften, wenn jemand stürzt.“
Was heißt „im Haushalt“?
Gatzke beauftrage ein Unternehmen mit der Schneeräumung vor ihrem Haus. 142,80 Euro machte sie dafür in ihrer Steuererklärung geltend. Laut Gesetz bekommen Steuerzahler für Arbeitslohn für „haushaltsnahe Dienstleistungen“ 20 Prozent direkt von der Steuerschuld abgezogen, maximal allerdings 4 000 Euro. Aber das Finanzamt erkannte die Kosten nicht an. Denn das Schneeräumen habe nicht „im Haushalt“ stattgefunden und soweit Dienstleistungen wie Winterdienst und Straßenreinigung auf öffentlichem Gelände durchgeführt würden, seien sie nicht als haushaltsnahe Dienstleistungen nach § 35a EStG begünstigt.
Haushalt endet nicht automatisch an der Grundstücksgrenze
Dem haben die höchsten Finanzrichter in München nun widersprochen: „Der Begriff „haushaltsnahe Dienstleistung“ ist gesetzlich nicht näher bestimmt. Die Leistungen müssen eine hinreichende Nähe zur Haushaltsführung aufweisen und gewöhnlich durch Mitglieder des privaten Haushalts oder entsprechend Beschäftige erledigt werden.“ Nach Ansicht der Richter findet eine Dienstleistung „in“ einem Haushalt statt, wenn sie „im räumlichen Bereich des vorhandenen Haushalts“ geleistet wird und ein räumlich-funktionaler Zusammenhang besteht. Die Grenzen des Haushalts werden damit nicht mehr durch die Grundstücksgrenzen abgesteckt. Mit diesem Urteil wenden die Richter sich auch gegen das erst kürzlich veröffentlichte BMF-Schreiben zu den haushaltsnahen Dienstleistungen (BStBl I 2014, 75, Tz.15). Siehe die Finanztest-Meldung Jetzt sind auch Anbauten am Haus absetzbar. In einem weiteren Urteil entschieden die Richter zudem: Auch die Kosten für einen nachträglichen Anschluss an die öffentliche Wasserversorgung außerhalb des eigenen Grundstücks sind abziehbar (Az. VI R 55/12).
Steuerliche Anerkennung soll Schwarzarbeit eindämmen helfen
Mit der steuerlichen Anerkennung haushaltsnaher Dienstleistungen wollte der Gesetzgeber die Wirtschaft fördern und die Schwarzarbeit bekämpfen. Im Urteilstext ist daher auch festgehalten, dass die Absicht des Gesetzgebers für die neue Auslegung spricht: Steuerpflichtige und Dienstleister könnten sich sonst darauf einigen, nur für den Winterdienst auf dem Grundstück eine Rechnung auszustellen und die Reinigung und Räumung vor dem Haus „schwarz“ zu begleichen.
Alle Steuerzahler profitieren – einige automatisch
Nicht nur Frau Gatzke profitiert von ihrem erstrittenen Urteil – auch alle anderen Steuerpflichtigen, die in den vergangenen Jahren ähnliche Ausgaben in der Steuererklärung geltend gemacht und Einspruch gegen die Ablehnung durch das Finanzamt eingelegt hatten. Alle Steuerbescheide, die diesbezüglich offen gehalten wurden, müssen nun vom Finanzamt berichtigt werden. Es sei denn, das Finanzministerium erlässt einen Nichtanwendungserlass. Normalerweise sollten Steuerzahler aber nun ihr Geld zurückbekommen ohne dass sie selbst aktiv werden müssen. Und natürlich ist das Urteil wegweisend für alle, die ab sofort solche und ähnliche Kosten abrechnen wollen.
Weitere gerichtliche Klarstellungen sind nötig
Unklar bleibt allerdings, ob damit auch andere Dienstleistungen wie das Abschleifen der Türen, die Reparatur der Waschmaschine oder die Reinigung der Gardinen außerhalb des Haushalts stattfinden können – und trotzdem steuerlich zählen. Auf Anfrage von test.de hieß es dazu aus Kreisen des Bundesfinanzhofs: „Bei flüchtigem Lesen des Urteils könnte man auf diese Idee kommen. Es dürfte aber zweifelhaft sein, ob der sechste Senat dies in einem neuen Urteil so sehen wird. So haben die Richter ausdrücklich betont, dass die Tätigkeiten in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang mit dem Haushalt durchgeführt werden müssen und die Dienstleistungen notwendiger Annex der Haushaltsführung sein müssen. Dies dürfte bei den genannten Reparaturarbeiten zweifelhaft sein.“
Diese Einschätzung teilt auch Uwe Rauhöft, vom Neuen Verband der Lohnsteuerhilfevereine. „Ich könnte mir eine gewisse Erfolgsaussicht vorstellen, wenn beispielsweise die Reparatur einer Waschmaschine zunächst im Haushalt erfolgen soll, der Monteur dann aber diese doch mitnimmt. Die bisherige Rechtsprechung der Finanzgerichte hat vergleichbare Fälle jedoch abgelehnt.“
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@bage: Voraussetzung für die Absetzbarkeit ist es, dass es sich um Tätigkeiten handelt, die ansonsten üblicherweise von Familienmitgliedern erbracht und in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang zum Haushalt durchgeführt werden und dem Haushalt dienen. Bei einem Eigentümer oder Mieter, der zur Schneeräumung auf dem (öffentlichen) Gehweg bzw. der Straße verpflichtet ist, ist dies der Fall. Handelt es sich hingegen um Anliegerbeiträge für öffentliches Gelände, sind diese nicht absetzbar. (PH)
Als aufmerksamer Leser habe ich natürlich die Straßenreinigungsgebühr meiner Stadt bei der Steuerklärung eingereicht. Leider ohne Erfolg.
Hat jemand ähnliche Erfahrungen gemacht oder eine Erklärung dafür?
@wolfd: Wenn Sie mit "Mülleimergebühr" die Gebühren der Müllabfuhr meinen: Diese kann man nicht als haushaltsnahe Dienstleistung steuerlich geltend machen. Im Artikel finden Sie einen Link zum Schreiben des BMF zu den haushaltsnahen Dienstleistungen. Dieses enthält einen langen Katalog von Dienstleistungen und ihrer Absetzbarkeit. Hier finden sie unter anderem auch die Müllgebühren (Seite 6 der Anlage 1). (PH)
Ist die jährliche Mülleimergebühr von z.B. 120 Euro nicht auch ein Entgelt für eine haushaltsnahe Dienstleistung?
Oder ist das sonnenklar son ud ich habe da sbisher verpennt geltend zu machen?
So schön das Urteil des BFH auch - auf den ersten Blick - für die Steuerbürger ist, zu einem vereinfachten Steuerrecht ("Bierdeckel") trägt es nicht bei. Im Gegenteil, es schafft neue Lücken und Grauzonen.
Auch darf man gespannt sein, wie sich das BMF jetzt positioniert. Wenn dieses nämlich einen Nichtanwendungserlass dazu herausgibt, bleibt es eine Einzelfallentscheidung und hilft anderen Betroffenen nicht. Oder wenn das BMF im § 35a EStG die Grundstücksgrenze aufnimmt. Das wird sicherlich von den Berechnungen der steuerlichen Auswirkungen dieses Urteils abhängen.
Hinzu kommt, dass der Bundesrechnungshof diesen Steuervorteil (35a EStG) sehr kritisch sieht und dringend die Abschaffung empfiehlt.
Hoffen wir mal, dass der Schuss auf Dauer nicht nach hinten los geht.