
Wer ins Ausland telefoniert, fasst sich meist kurz. Eine Studie zeigt, dass 42 Prozent der Anrufe weniger als 15 Minuten dauern.
In Deutschland besitzen rund 98 Prozent der Menschen mit ausländischen Wurzeln ein Handy.
Wer den richtigen Anbieter wählt, kann günstig in ferne Länder telefonieren. Doch Vorsicht, einige Mobilfunkverträge stecken voller Kostenfallen.
Die Werbeslogans sind kurz, griffig und verlockend. „Anrufe weltweit ab 1 Ct/Min!“, „Die perfekte Verbindung – auch in die Türkei“ oder „Keine Roaming-Gebühren mehr!“. Unwiderstehlich wirken solche Handytarife, wenn sie „auf Wunsch mit Top-Smartphones kombinierbar“ sind. Unsere Mobilfunk-Spezialisten kennen derartige Versprechen aus langer Erfahrung, sie wissen, welche Kostenfallen sich hinter vermeintlich günstigen Tarifen verbergen können. Jetzt untersuchten sie zum ersten Mal Auslandstarife, die speziell auf die Bedürfnisse von Migranten zugeschnitten sind. Sie telefonieren gerne und viel mit dem Handy. Außerdem ist ihnen der Kontakt zu Freunden und Verwandten im anderen Land wichtig, das ergab eine Forsa-Studie im Auftrag eines Mobilfunkunternehmens.
Ein gigantischer Markt
In Deutschland lebten 2013 rund 16,5 Millionen Menschen, die ihre Wurzeln im Ausland haben. Die Tarife von Ay Yildiz und Turkcell richten sich speziell an die 2,8 Millionen Türken, die in Deutschland leben. Unternehmen wie Lebara, Lycamobile und Mobilka haben eine internationale Zielgruppe im Blick. Die Verträge dieser Anbieter bieten für mehrere Länder günstige Konditionen.
Bei der Untersuchung der Ethno-Handytarife mussten sich unsere Experten durch einen Dschungel an Informationen kämpfen. So bietet zum Beispiel das Unternehmen Lycamobile mehr als 40 zubuchbare Optionen zu Telefonie, SMS und Datennutzung an. Schnell war klar, dass Verbraucher Zeit und Nerven investieren müssen, wenn sie auf eigene Faust einen günstigen Mobilfunktarif für Auslandstelefonate suchen.
Kosten sparen beim Roaming
Unsere Untersuchung zeigt: Verbraucher können Geld sparen, wenn sie sich für einen Ethno-Handytarif entscheiden. Wir vergleichen diese Angebote mit vier günstigen Prepaid-Tarifen. Fazit: Zwar waren bei den allgemeinen Tarifen die Kosten für Anrufe ins türkische Festnetz zum Teil mit 9 Cent pro Minute noch günstig. Doch deutlich teurer als bei den Ethno-Handytarifen waren die Anrufe aus der Türkei nach Deutschland, Roaming genannt. Mindestens 99 Cent pro Minute zahlt ein Anrufer aus der Türkei. Verglichen damit ist der Ethnotarif von Turkcell besser. Hier zahlen Kunden für Anrufe in die Türkei 5 Cent ins Festnetz oder 15 Cent ins Mobilfunknetz. Die Roaming-Preise sind mit 20 Cent pro Minute ebenfalls akzeptabel.
Interessant für alle, die häufig in EU-Länder telefonieren, ist der Standardtarif von Lycamobile, wenn er mit der kostenlosen Zubuchoption Smart Tarif erweitert wird. Die Minutenpreise sind niedrig – die Tarifkombination kann sich auch lohnen, wenn das Kind im Ausland studiert.
Mehr als fünf Euro pro Minute
Von den 15 untersuchten Handytarifen haben nur 3 eine Laufzeit, 12 sind Prepaid-Tarife. Bei Prepaid-Tarifen ist das Risiko für Konsumenten geringer. Wichtig ist, dass sie das Guthaben per Vorkasse aufladen können. Wer den Anbietern eine Einzugsermächtigung gibt, damit das Guthaben automatisch aufgestockt wird, tappt schnell in eine Kostenfalle. Und davon gibt es einige.
Ein Beispiel: 5 Cent pro Minute und eine Verbindungsgebühr von 15 Cent zahlen Kunden, die mit dem Anbieter Mobi ins russische Festnetz telefonieren. Reisen sie nach Russland, sollten sie ihr Handy besser zuhause lassen. Mobi kassiert nämlich haarsträubende 5,63 Euro pro Minute für Telefonate nach Deutschland.
Keine Rundum-sorglos-Angebote
Der Begriff Flatrate taucht immer wieder bei den Angeboten auf. Tatsächlich gibt es aber kein einziges Rundum-sorglos-Paket. Lediglich mit Ay Allnet Plus von Ay Yildiz kann man unbegrenzt innerhalb von Deutschland und ins türkische Festnetz telefonieren. Trotzdem fallen weitere Kosten an. Anrufe ins türkische Mobilnetz kosten 12 Cent pro Minute. Wer in der Türkei ist, zahlt 9 Cent pro Minute für Telefonate.
Laufzeit-Tarife enthalten eine Flatrate für die Datennutzung. Allerdings liegt die Drosselungsgrenze schon bei 250 und 300 Megabyte, nur bei Ay Allnet Plus wird das Internet erst langsam, wenn 1 Gigabyte verbraucht wurde. Bei vielen Tarifen liegt die Downloadgeschwindigkeit bei höchstens 7,2 Megabyte pro Sekunde. Die superschnelle LTE-Technik lässt sich damit nicht nutzen. Wer viel online unterwegs ist, sollte vorab genau klären, welche Bandbreite bei den Tarifen zur Verfügung steht.
Unverständliche Verträge
Blauworld, Lebara, Lycamobile, Mobi, Mobilka, Ortel Mobile und Star World erheben bei einigen Tarifen Verbindungsgebühren, die sich im Kleingedruckten verbergen. Diese Gebühren werden meistens auch innerhalb von Deutschland fällig. „Hier wird eine Verbrauchergruppe gezielt hinters Licht geführt“, sagt Çiçek Bacik. Die Politologin leitet das Projekt „Migranten und Verbraucherschutz in digitalen Märkten“ der Verbraucherzentralen in Berlin, Hamburg und Bremen.
Bei einem Marktcheck im letzten Jahr fiel den Verbraucherschützern auf, dass Kunden auf einigen Internetseiten auf Russisch oder Türkisch angesprochen werden. Vertragsbedingungen und Erklärungen jedoch sind in unverständlichem Juristendeutsch verfasst. Kosten für Tarife oder Kundenhotlines können Laien insgesamt kaum nachvollziehen. „Die Verschleierungstaktiken sind offensichtlich und haben System“, sagt Bacik.
Das können wir bestätigen. Bei den allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) gibt es erschreckende Mängel: Bei Lebara sind die AGB teils in unverständlichem Kauderwelsch verfasst. Da heißt es: „Falls Sie besondere Bedürfnisse haben, dürfen wir besondere sensible Arten von personenbezogenen Daten über Ihre Gesundheit in Übereinstimmung mit dem einschlägigen Datenschutzrecht verarbeiten, wenn Sie uns über diese besonderen Bedürfnisse unterrichtet haben.“
Der Sinn dieser Worte bleibt für Kunden im Nebel. Die AGB-Verstöße sind bei Lebara so gravierend, dass wir die Tarife trotz der teils niedrigen Minutenpreise nicht empfehlen können.
Wenig überzeugende Angebote
Unsere Experten fanden keinen einzigen Tarif, der uneingeschränkt empfehlenswert ist. Insbesondere Vielsurfer werden mit den Angeboten nicht froh. Wer Internetkomfort wünscht und trotzdem preiswert ins Ausland telefonieren will, sollte sich für einen günstigen Prepaid-Tarif entscheiden und ein Zweithandy nutzen – oder bei Bedarf die Sim-Karte wechseln. In vielen Fällen ist das die eleganteste Lösung.