
Die Telekom Deutschland verliert einen Prozess gegen eine Kundin, deren Handy gestohlen worden war. Die Diebe hatten das iPhone nach dem Diebstahl 12 Stunden lang am Stück genutzt und Telefonkosten in Höhe von rund 7 600 Euro produziert. Doch die Telekom-Kundin muss nicht zahlen, entschied das Landgericht Berlin.
Diebe stehlen nagelneues iPhone
Das Jahr 2010 ging für eine Telekom-Kundin nicht gut los. Im Januar wurde der Berlinerin ein neues Smartphone gestohlen, dass sie kurz zuvor in einem Einkaufszentrum gekauft hatte. Das Handy und die Unterlagen zum neuen Handyvertrag trug sie in einer ihrer zahlreichen Einkaufstüten nach Hause. Doch zum Telefonieren kam die Frau nie. Auf dem Weg nach Hause wurde ihr die Tüte samt Smartphone gestohlen. Sie selbst hatte noch nicht einmal die SIM-Karte eingesetzt.
In kurzer Zeit Telefonkosten von 7 600 Euro
Die Diebe aktivierten das Handy und produzierten in der Nacht nach dem Diebstahl zwischen 3.42 Uhr früh und 16.12 Uhr Telefonkosten in Höhe von 7 600 Euro. Laut Einzelverbindungsnachweis riefen die Diebe aus dem tschechischen Netz im Nicht-EU-Ausland an. Es kam zum Prozess zwischen der Telekom und ihrer Kundin. Die Telekom bestand auf die Bezahlung eines Großteils der Telefonkosten in Höhe von 6 400 Euro.
Neue Betrugsmasche?
Der Berliner Rechtsanwalt der Telekom-Kundin, Thomas Hollweck, vermutet hinter dem Telefon-Marathon der Diebe eine neue Betrugsmasche: „Es besteht hier der Verdacht, dass gestohlene Handys gezielt dafür missbraucht werden, kostenpflichtige Servicerufnummern anzuwählen, die einen Verbindungspreis von mehreren Euro pro Minute aufweisen. Es ist davon auszugehen, dass vorab derartige Rufnummern freigeschaltet werden, nur zu dem Zweck, dass die Diebe diese dann mit entwendeten Smartphones anrufen können. Die dabei generierten Gebühren sollen vermutlich von dem jeweiligen Mobilfunkanbieter des Bestohlenen bezahlt werden, und die Rechnung erhält dann der Mobilfunkkunde. Dies, ohne dass er für den Verbindungsaufbau verantwortlich ist.“ Mit anderen Worten: Das ganze könnte eine große Masche sein, die den Betreibern der teuren Telefonnummern die Taschen füllen soll.
Landgericht Berlin reicht Einzelverbindungsnachweis nicht
Das Landgericht Berlin wies die Klage der Telekom im November 2012 jedoch ab. Die Telekom habe vor Gericht nicht ausreichend dargelegt, dass und wie es zu den Telefonkosten gekommen war. Bloß den Einzelverbindungsnachweis aus Papier vorzulegen, reiche nicht, so das Gericht. Für die Telekom-Kundin sprach außerdem der extrem ungewöhnliche Umstand, dass die extrem hohe Summe in weniger als 24 Stunden zusammentelefoniert worden war. Da die Telekom ihre Forderung nicht ausreichend belegen konnte, verlor sie den Prozess (Az. 9 O 177/12). Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Die Telekom kann noch Rechtsmittel einlegen.
Aussagekraft eines Einzelverbindungsnachweises umstritten
Anders als das Landgericht Berlin gibt es allerdings auch Gerichte, die einen Einzelverbindungsnachweis als sogenannten Anscheinsbeweis gegen den Telefonkunden werten. Das Gericht geht dann davon aus, dass die im Einzelverbindungsnachweis genannten Telefonverbindungen tatsächlich stattgefunden haben. Die Telefonkunden haben anschließend den schwarzen Peter. Mit der schlichten Behauptung, die umstrittenen Telefonate nicht getätigt zu haben, kommen sie nicht aus der Haftungsfalle. Im Fall eines gestohlenen Handys müsste der Kunde mehr liefern – und zum Beispiel die Umstände des Diebstahls darlegen und nachweisen, dass die fraglichen Telefonate nach dem Diebstahl stattfanden.
Bei Diebstahl sofort SIM-Karte sperren lassen
Um für die Telefonkosten nach einem Diebstahl nicht zur Verantwortung gezogen zu werden, ist es für Telefonbesitzer sehr wichtig, die SIM-Karte sofort sperren zu lassen. Die iPhone-Kundin hatte die SIM-Karte einen Tag nach dem Diebstahl um 14 Uhr sperren lassen. Das kann im Einzelfall zu spät sein. Nach Ansicht von Rechtsanwalt Thomas Hollweck war es unter den besonderen Umständen dieses Falls aber noch rechtzeitig. Denn mit dem iPhone in der Einkaufstüte waren der Kundin auch die Vertragsunterlagen samt Kunden- und Mobilfunknummer gestohlen worden. Erst am Tag nach dem Diebstahl konnte sie den Telekom-Shop aufsuchen, wo sie eingekauft hatte, ihre Vertragsdetails in Erfahrung bringen und die Sperrung der SIM-Karte beantragen.
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