Ungewollte Internetverbindungen übers Handy können tausende Euro kosten. Auch Kunden mit Prepaidtarifen sind nicht auf der sichern Seite und können schnell in die Kostenfalle tappen. Doch oft müssen Kunden solche Horrorrechnungen nicht zahlen. test.de klärt auf.

1 000 Euro Handykosten in nur wenigen Tagen. Das hat Christian Zevenbergen aus Ahaus in Nordrhein-Westfalen die Lust auf moderne Smartphones vorerst genommen. Heute telefoniert der 32-Jährige wieder mit einem älteren Modell.
Die neuen schicken Handys können alles, vor allem teuer werden. Christian Zevenbergen hat mit seinem neuen Smartphone in nur wenigen Tagen 1 000 Euro Handykosten produziert. Ungewollt.
Innerhalb von drei Tagen lud der 32-jährige Innenarchitekt aus Ahaus in Nordrhein-Westfalen im Dezember 2008 rund 50 Megabyte Daten aus dem Internet, ohne es zu merken. Was genau damals passierte, wurde nie geklärt. Vermutlich hat ein Navigationsprogramm auf Zevenbergens Handy unbemerkt Updates durchgeführt.
Als 1 000 Euro Kosten entstanden waren, sperrte E-Plus Zevenbergens Handy. So teuer konnte es werden, da Zevenbergen keinen Pauschaltarif für Internetverbindungen übers Handy (Datenflatrate) hatte. Zevenbergen war damals noch ohne Erfahrung mit Smartphones. Mit dem Handy wollte er nur gelegentlich ins Internet, um etwa mal Bundesliga-Ergebnisse nachzuschauen.
Ein Mitarbeiter des E-Plus-Ladens riet ihm deshalb von einer Datenflatrate für monatlich 25 Euro ab. Nach tatsächlich abgerufenem Datenvolumen sollte abgerechnet werden. So weit, so gut: Denn für ein bisschen Internetsurfen hätte Christian Zevenbergen tatsächlich weniger als 25 Euro zahlen müssen.
Beratungspflicht bei Tarifwahl
Der Mitarbeiter im E-Plus-Laden hatte Zevenbergen aber nicht gesagt, dass die mit dem Handy gelieferte Navigationssoftware Updates über den Internetzugang des Handys durchführt und einen hohen Datentransfer verursachen kann.
Es kam zum Prozess. Vor dem Amtsgericht Ahaus wurde er zunächst zur Zahlung der 1 000 Euro verurteilt. Der Amtsrichter meinte, Besitzer eines neuen Handys müssten die Bedienungsanleitung studieren. Zevenbergen ging in die nächste Instanz. Anfang 2011 siegte er doch noch vor dem Landgericht Münster (Az. 6 S 93/10).
„E-Plus hätte bei Vertragsschluss auf die Gefahren einer Internetabrechnung nach Volumen aufmerksam machen und deutlicher auf die Vorteile einer Flatrate hinweisen müssen“, sagt Zevenbergens Anwalt, Frank Maneke.
Verbraucherfreundliche Urteile
Das Urteil des Landgerichts Münster gehört zu einer Reihe verbraucherfreundlicher Entscheidungen aus jüngster Zeit. Vor dem Landgericht Kleve konnte sich etwa auch ein O2-Kunde durchsetzen. O2 hatte von ihm für einen Monat rund 6 000 Euro verlangt.
Der Kunde wohnt nur acht Kilometer von der Grenze zu Belgien und Luxemburg und hatte eine Flatrate für innerdeutsche Telefonate abgeschlossen. Wohl ohne dass er es merkte, rief das Handy Daten über ausländische Mobilfunknetze ab (Roaming). Vor Gericht blieb unklar, wodurch im Detail die Kosten zustande gekommen waren.
Die Ursache interessierte die Richter auch nicht. Denn, so das Gericht, Mobilfunkanbieter müssten Flatrate-Kunden zum Beispiel mit einer Kurzmitteilung aufs Handy informieren, sobald es etwa durch die Nutzung ausländischer Netze zu „exorbitant hohen Kosten“ komme. Das war aber nicht geschehen.
Die Richter nahmen Smartphone-Neulinge in Schutz: Nicht jeder wisse, wie man am Mobiltelefon direkt die Einwahl in ausländische Netze ausschalte. Das könne von durchschnittlichen Nutzern auch nicht erwartet werden. Statt der 6 000 Euro musste der Kunde am Ende nur 200 Euro zahlen (Az. 2 O 9/11).
Gefahrenquelle Prepaidtarife
Handybesitzer mit Prepaidtarifen fühlen sich besonders sicher vor hohen Telefonkosten. „Leider kommt es dennoch in zahlreichen Fällen zu sehr hohen Rechnungen über Prepaidhandys“, sagt Rechtsanwalt Thomas Hollweck aus Berlin.
Das Prepaid-Prinzip: Der Kunde lädt Guthaben auf sein Handy und dieses telefoniert er ab. Ist es verbraucht, muss der Kunde das Guthaben erst wieder aufladen. „Das Problem ist die Internetnutzung“, so Hollweck. Die Abrechnungen von Internetverbindungen kann zeitlich verzögert erfolgen. Dauert die Verrechnung mit dem Guthaben lange und fließen in der Zwischenzeit viele Daten aufs Handy, kann der Kunde ins Minus rutschen. Folge: Der Anbieter stellt die Summe extra in Rechnung.
Im Kleingedruckten zu den Tarifen von zum Beispiel Congstar, Klarmobil, discoplus oder Simply wird auf die mögliche verzögerte Abrechnung auch hingewiesen. „Das reicht aber nicht aus“, sagt Thomas Hollweck. „Der Kunde muss bei Vertragsschluss deutlich auf dieses Risiko hingewiesen werden.“
Hollweck verteidigt derzeit einen ehemaligen Kunden des Mobilfunkproviders Simply Communication GmbH. Innerhalb von nur 38,5 Stunden soll sein Mandant im August 2009 rund 750 Megabyte heruntergeladen haben. Simply verlangt dafür rund 14 700 Euro. Das Landgericht Berlin sprach Simply im Juli lediglich 10 Euro zu. Der Anbieter hat Berufung eingelegt. Gegenüber Finanztest will sich Simply zu dem Fall nicht äußern.
Der Simply-Kunde hatte einen Prepaidtarif mit 10 Euro Guthaben abgeschlossen. Außerdem hatte er die Option gewählt, wonach das Guthaben automatisch um 10 Euro wiederaufgeladen wird, sobald es abtelefoniert ist. „Simply rechtfertigt die hohe Rechnung damit, dass mein Mandant diese automatische Aufladung gewählt hat“, so Rechtsanwalt Hollweck.
Das Landgericht Berlin überzeugte diese Argumentation jedoch nicht. Unter der automatischen Aufladung sei maximal eine einmalige Wiederaufladung zu verstehen. Unbegrenztes Wiederaufladen widerspreche dem Prepaid-Prinzip (Az. 38 O 350/10; nicht rechtskräftig). Simply bewirbt seine Prepaidtarife gerade mit der „erhöhten Kostenkontrolle“.
Inkasso für Drittanbieter
Zum Kostentreiber auf dem Smartphone können auch die Apps werden. Es gibt jede Menge dieser kleinen Programme, zum Beispiel als kostenlose Spiele oder Fotobearbeitungen fürs Handy. Wer Gratis-Apps nutzt, bekommt oft kleine Werbeflächen am Rand des Handybildschirms eingeblendet, die wiederum – wenn man etwa aus Versehen auf sie tippt – manchmal zu einem kostenpflichtigen Angebot führen.
Die Anbieter dieser Abos lassen ihre Forderung über die Handyrechnung der Mobilfunkunternehmen eintreiben. Die monatlichen Kosten, die durch solche sogenannten Mehrwertdienste entstehen, bleiben zwar meist unter 100 Euro. Ärgerlich sind die Summen trotzdem, wenn Kunden etwas Ungewolltes untergejubelt wurde.
Das können Verbraucher tun
Um es gar nicht erst zu einer Kostenexplosion kommen zu lassen, können Verbraucher im Vorfeld einiges tun. Bei 1&1, der Telekom und Vodafone können sie von vornherein das Inkasso für Drittanbieter durch einen Anruf beim Kundenservice sperren lassen. Auch bei kleineren Firmen wie dem Mobilfunk-Discounter Klarmobil ist das möglich. E-Plus und O2 bieten diesen Service ihren Kunden leider nicht an.
Vor allem Eltern sollten das Handy ihrer Kinder wenn möglich für Mehrwertdienste sperren lassen.
Wer ein Smartphone besitzt, aber das Internet übers Handy gar nicht nutzen will, kann die Datenfunktion am Gerät auch ganz ausschalten. Auf unserer Internetseite www.test.de/datenverkehr-ausschalten zeigen wir an einigen Handys, wie das geht.
Pauschaltarif für Internet abschließen
Viele Menschen aber kaufen ein Smartphone, gerade weil sie damit im Internet surfen möchten. Sie sollten dann über den Abschluss einer Datenflatrate nachdenken. Diese gibt es zum Teil schon für unter 10 Euro im Monat.
Kunden, die von sehr hohen Telefonrechnungen überrascht worden sind, sollten mit ihrem Mobilfunkanbieter eine einvernehmliche Lösung suchen. Manche Anbieter sind kulant. Mitunter bieten sie Betroffenen an, sie rückwirkend in eine Internet-Flatrate einzustufen.
Kommt es zu keiner Einigung, ist der Gang zum Rechtsanwalt oder einer Verbraucherzentrale ratsam. Die Urteile der letzten Monate machen Hoffnung, dass es sich für Verbraucher lohnen kann, nicht klein beizugeben.