
* Zitate von Mitarbeitern, die das Modell nutzten.
Wenn Mitarbeiter nach längerer Krankheit oder einem schweren Unfall wieder ins Arbeitsleben zurückkehren, können Sie das stufenweise tun – nach dem sogenannten Hamburger Modell. Daniela Kirstein, Referentin für Leistungsprozesse beim AOK Bundesverband: „Ziel ist es, die Erkrankten schrittweise wieder an die volle Arbeitsbelastung heranzuführen.“ Die stufenweise Wiedereingliederung mache den Weg leichter. Hier lesen sie alles, wann und für wen das Hamburger Modell geeignet ist.
Hamburger Modell – das Wichtigste in Kürze
Gesetzlich Krankenversichert. Sind Sie als Arbeitnehmer mindestens sechs Wochen krank geschrieben, können Sie das Hamburger Modell nutzen, um stufenweise zurückkehren. Das Modell heißt daher auch stufenweise Wiedereingliederung. So gewöhnen Sie sich schrittweise an Ihre volle Arbeitsbelastung.
Privat krankenversichert. Sie können schrittweise einsteigen, wenn Ihr Krankentagegeld-Baustein eine teilweise Arbeitsunfähigkeit enthält.
Beamte. Als Beamter können Sie nach längerer Krankheit ein ähnliches Modell nutzen.
Neue Regelung bei langer Krankheit. Damit künftig mehr Versicherte vom Hamburger Modell profitieren, sollen Ärzte künftig regelmäßig bei Patienten, die sechs Wochen oder länger krankgeschrieben sind, prüfen, ob das Modell für sie infrage kommt. Dies soll bis Ende November 2019 geregelt werden.
Wann das Hamburger Modell geeignet ist
Das Modell ist möglich, wenn jemand mindestens sechs Wochen lang krankheitsbedingt ausgefallen ist, etwa nach einer Krebserkrankung, einer Hüftoperation oder einem schweren Fahrradunfall. In Anspruch nehmen können es gesetzlich krankenversicherte Arbeitnehmer – egal, ob sie Voll- oder Teilzeit arbeiten. Auch Selbstständige, die mit Krankengeldanspruch bei einer gesetzlichen Krankenkasse versichert sind, können das Modell nutzen. Organisatorisches klären sie mit ihrer Krankenkasse.
Haben gesetzlich Versicherte zusätzlich eine private Krankentagegeldversicherung, bekommen sie je nach Tarif auch daraus Geld. Unser jüngster Vergleich Krankentagegeldversicherungen hat gezeigt: Rund die Hälfte der Tarife leistet auch bei teilweiser Arbeitsunfähigkeit.
In der privaten Krankenvollversicherung hängen die Leistungen während des Hamburger Modells ebenfalls von den Regeln im Tarifbaustein Krankentagegeld ab.
Hamburger Modell – das gilt für Beamte
Auch Beamte können nach längerer Krankheit stufenweise in den Job zurückkehren. Für sie gibt es aber – anders als bei gesetzlich Versicherten – keine einheitlichen Regelungen und Vorgaben. Daher sollten sie das Verfahren individuell mit ihrem Dienstherrn klären. Folgende Punkte gelten für Bundesbeamte, bei Landesbeamten können die Vorgaben abweichen.
Voraussetzung für das Hamburger Modell. Sie sind noch nicht voll dienstfähig, aber Ihr Arzt bescheinigt einen begrenzten Einsatz am Arbeitsplatz sowie die Aussicht auf baldige volle Dienstfähigkeit. Ihr Dienstherr muss dem Prozedere zustimmen. Sie können auch den Betriebsarzt zur Abstimmung des vom Arzt erarbeiteten Stufenplans einbeziehen.
Volle Dienstbezüge. Während der Wiedereingliederung erhalten Sie Ihre vollen Dienstbezüge. Die im Plan festgelegten Zeiten, an denen Sie arbeiten, gelten als Dienst.
Dauer. Obwohl es keine klaren Regelungen gibt, sollte das Hamburger Modell bei Beamten grundsätzlich eine Dauer von sechs Wochen nicht überschreiten.
Das regelt der Stufenplan

Jede stufenweise Rückkehr beginnt mit einem Arztgespräch. „Der Behandler muss einschätzen, ob und in welchem Umfang die Person belastet werden kann, wenn sie ihre berufliche Tätigkeit ausübt“, sagt Daniela Kirstein, Referentin für Leistungsprozesse beim AOK Bundesverband. Häufig werden Versicherte auch in Rehazentren von Ärzten oder Sozialarbeitern auf die stufenweise Wiedereingliederung angesprochen.
Arzt erstellt Wiedereingliederungsplan
Der Arzt erstellt für das Hamburger Modell zuerst einen Wiedereingliederungsplan, oft Stufenplan genannt. In ihm stehen Beginn und Ende der Eingliederungszeit und die Stundenanzahl. Das können zum Beispiel in der ersten Woche vier Stunden am Tag sein. Später steigt die wöchentliche Stundenanzahl kontinuierlich, bis das vertraglich vereinbarte Pensum wieder erreicht ist. Wie genau die Stundenzahl aussieht, legt der Arzt in Absprache mit seinem Patienten fest. Vorgaben gibt es nicht. Im Stufenplan steht auch, welche Tätigkeiten Beschäftigte ausüben dürfen und welche noch nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen. Darf ein Büroangestellter zum Beispiel nach einer Rückenverletzung oder einer Bandscheibenoperation nicht zu lange sitzen, muss der Chef eventuell einen Schreibtisch bereitstellen, der höhenverstellbar ist.
Der Stufenplan ist veränderbar
Vielen ist nicht klar, dass der Plan ist kein fester Vertrag ist. Er kann jederzeit geändert werden, wenn es erforderlich ist. „Der Arzt muss die Versicherten in regelmäßigen Abständen untersuchen, damit der Stufenplan an die aktuellen Umstände angepasst werden kann“, sagt Kirstein. So kann die Belastung auch schneller als vereinbart gesteigert werden, wenn sich ein Mitarbeiter schnell besser fühlt – oder sie wird reduziert, wenn das Gegenteil eintritt. Auch können Mitarbeiter im Hamburger Modell mal früher nach Hause gehen oder einen Tag fehlen, wenn es ihm nicht gut geht. Die stufenweise Wiedereingliederung kann auch ganz abgebrochen werden, wenn klar wird, dass der Beschäftigte dem Job (noch) nicht gewachsen ist.
Arbeitsrecht – der Chef und der Arbeitslohn
Ohne das Einverständnis vom Arbeitgeber kann die stufenweise Rückkehr nicht stattfinden. Die meisten befürworten diese Form der Rückkehr. Ist aber eine stundenweise Arbeit aufgrund der Tätigkeit nicht möglich, kann ein auch Chef ablehnen. Ebenso, wenn die Umstände einer weiteren Genesung im Weg stehen – das kann etwa der Fall sein, wenn jemand mit noch geschwächtem Immunsystem an seinem Arbeitsplatz einer dauernden Infektionsgefahr ausgesetzt ist. Dann muss der Mitarbeiter zu Hause bleiben, bis er wieder ganz gesund ist.
Wichtig: Arbeitgeber müssen auf die Einschränkungen im Stufenplan Rücksicht nehmen, wenn sie der Wiedereingliederung zugestimmt haben.
Krankengeld statt Lohn
Während der Rückkehrzeit sind Mitarbeiter krankgeschrieben. Normalerweise erhalten sie Krankengeld von ihrer Kasse, manchmal auch Übergangsgeld von der Rentenversicherung oder Verletztengeld von der Berufsgenossenschaft (siehe unten Schritt für Schritt).
Das Krankengeld beträgt 70 Prozent des Bruttoverdienstes, aber nicht mehr als 90 Prozent vom Nettogehalt alle Details zum Krankengeld. Auch Übergangs- oder Verletztengeld sind niedriger als der Lohn. Manch einer wird deshalb mit einer schnelleren Rückkehr liebäugeln. Versicherte sollten trotzdem nicht vorschnell wieder mehr arbeiten, sondern sich an die abgestimmte tägliche Arbeitszeit halten – auch wenn etwa die vereinbarten zwei Stunden täglich zunächst sehr gering erscheinen. Eine zu schnelle Rückkehr kann den Genesungserfolg gefährden.
Anleitung: So planen Sie Ihre Rückkehr in den Job
1. Genesung. Ob nach langer schwerer psychischer oder körperlicher Erkrankung oder einem Unfall – zunächst muss abzusehen sein, dass Sie bald wieder ganz genesen. Dann kommt eine stufenweise Wiedereingliederung in Frage, um Ihnen den Übergang zum normalen Arbeitsalltag zu erleichtern. Wichtig: Ihre Teilnahme ist freiwillig.
2. Arztgespräch. Oft schließt sich an wochen- oder monatelange medizinische Behandlung ein Reha-Aufenthalt an. Häufig weisen dort Ärzte oder Mitarbeiter der Sozialstation auf die Möglichkeit der stufenweisen Wiedereingliederung hin. Ansonsten ist erster Ansprechpartner Ihr behandelnder Arzt zu Hause.
3. Rückkehr. Besprechen Sie mit Ihrem Arzt, ob das Hamburger Modell für Sie geeignet ist. Er legt dann mit Ihnen den Stufenplan fest. In ihm steht, wie viele Stunden Sie pro Woche arbeiten und in welchem Abstand die Stunden erhöht werden, bis Sie wieder voll einsteigen. Sie sind weiter krank geschrieben und erhalten kein Gehalt, sondern Kranken-, Übergangs- oder Verletztengeld.
4. Stufenplan. Der Stufenplan enthält Beginn und Ende der Wiedereingliederungsmaßnahme sowie die tägliche Arbeitszeit und die Steigerungen Ihrer Arbeitsstunden im Wochenverlauf. Beschrieben sind die Tätigkeiten, die Sie während der Phase der Wiedereingliederung ausüben dürfen, ebenso diejenigen, die verboten sind (etwa „Tätigkeiten nur im Sitzen“, „darf nicht heben“). Außerdem enthält er eventuell notwendige Maßnahmen am Arbeitsplatz, etwa einen verstellbaren Tisch. Festgelegt sind ein Rücktrittsrecht vor dem vereinbarten Ende und Gründe, die einen Abbruch rechtfertigen sowie die Höhe eines Arbeitsentgelts, wenn der Arbeitgeber dieses zahlt.
5. Arbeitgeber. Legen Sie den Stufenplan Ihrem Arbeitgeber vor. Ist auch er einverstanden, können Sie starten. Ablehnen wird er nur, wenn eine stufenweise Rückkehr bei Ihrer Tätigkeit nicht möglich ist.
6. Antrag. Ist Ihr Chef mit dem Stufenplan einverstanden, stellen Sie den Antrag schriftlich. Die Krankenkasse ist zuständig, wenn Sie von ihr Krankengeld erhalten. An die Rentenversicherung geht der Antrag, wenn der Wiedereinstieg spätestens vier Wochen nach einer Reha beginnt, die die Rentenversicherung bezahlt hat. Sie erhalten dann Übergangsgeld. Die Berufsgenossenschaft ist Ihr Ansprechpartner, wenn Sie einen Betriebsunfall hatten. Sie zahlt Verletztengeld.
Dieses Special ist erstmals am 22. Dezember 2011 auf test.de erschienen. Es wurde am 9. Juli 2019 aktualisiert.
Dieser Artikel ist hilfreich. 464 Nutzer finden das hilfreich.