
Abschalten. Im Hamam versprechen Wärme und Wasser Entspannung.
Im türkischen Dampfbad, dem Hamam, sorgen warme Waschungen für Wohlbefinden. Ähnlich wie Saunagänge sollen auch sie das Immunsystem stärken.
Wasser schwappt in warmen Wellen auf die Haut. Immer wieder gießt es die Natir mit Schwung über den Körper der Frau, die vor ihr auf dem Steinpodest liegt. In der Luft steht Dampf. Die Natir, so heißen die Badefrauen im Hamam, zieht einen rauen Seidenhandschuh über, den Kese: Mit leichtem Druck reibt sie den Körper der Besucherin ab, vom Hals bis zu den Füßen. Der derbe Stoff des Handschuhs wirkt auf der Haut wie ein Peeling. „Umdrehen, bitte“, fordert die Natir. Jetzt ist der Rücken dran. Erst danach, endlich, folgt der Höhepunkt des Hamambesuchs. Mit Seife und großen Stofftüchern schlägt die Natir duftende Schaumberge auf, in denen die Besucherin versinkt. Die Seifenschaummassage, die Sabunlama, sorgt für Entspannung.
Wohlfühlen auf Türkisch
„Mit jeder Schaumblase, die zerplatzt, soll auch eine Sorge vergehen“, erklärt Ugur Cilek das Ritual. „Ein Besuch im Hamam reinigt nicht nur den Körper, sondern auch den Geist und klärt den Kopf.“ Ugur Cilek ist Dozent für Hamam-Kultur beim Deutschen Sauna-Bund. Genaue Zahlen, wie viele Hamams in Deutschland existieren, kann er nicht nennen. Aber es sei ein Trend erkennbar: Es werden mehr.
Die größten und ältesten Hamams liegen in Großstädten wie München, Berlin und Hamburg. Aber auch Wellness-Hotels außerhalb der Metropolen richten Dampfbäder nach türkischem Vorbild ein.
„Die Entwicklung in diesem Bereich gewinnt an Fahrt“, bestätigt Dr. Stefan Kannewischer, Experte für Bäder und Thermen beim Deutschen Wellness Verband. Die Qualität und Ausstattung der teils jahrhundertealten Hamams in der Türkei erreichen aber wahrscheinlich nur wenige.
Gut für Kreislauf und Immunsystem

Trinken. In den Ruheräumen wird häufig Tee angeboten.
In vielen Ländern der Welt pflegen die Menschen eigene, traditionelle Badekulturen. Die Finnen etwa schwören auf trockene, heiße Saunaluft. In Russland schwitzen die Menschen in der Banja. Dort herrscht eine besonders hohe Luftfeuchtigkeit. Was finnische Sauna und Banja eint: Nach dem Schwitzen kühlen sich die Besucher mit kaltem Wasser ab oder legen sich im Winter in den Schnee.
Der abrupte Wechsel zwischen extremer Hitze und Kälte ist gesund. Wer regelmäßig in die Sauna geht, trainiert Blutgefäße und Herz-Kreislauf-System. Das wirkt sich positiv auf den Blutdruck aus. Auch das Immunsystem wird gestärkt. Gleichwohl belastet das Wechselspiel von Wärme- und Kältereizen den Kreislauf.
Waschungen im Hamam gelten als schonender für Herz und Kreislauf – wenn sie richtig durchgeführt werden aber als ebenso gesund. „Durch das warme Wasser wird der Körper wie in einen Schlaf versetzt“, erklärt Ugur Cilek. Mit kühleren Güssen müsse er später wieder „geweckt“ werden. Auch hier trainiere der Wechsel zwischen warm und kalt die Gefäße, aber behutsam.
Tipp: Wer schon einmal einen Herzinfarkt oder Schlaganfall hatte, unter Bluthochdruck oder Diabetes leidet, sollte vor einem Sauna- oder Hamambesuch sicherheitshalber mit seinem Arzt sprechen.
Nicht bei Fieber und Schnupfen
Mit akuten Erkrankungen wie Fieber, Schnupfen oder einer Halsentzündung sind Sauna und Hamam tabu: Hitze- und Kältereize können das bereits angegriffene Immunsystem weiter schwächen. Zudem bietet das warme, feuchte Raumklima ideale Bedingungen für Viren und Bakterien. Die können sich ausbreiten und schnell andere Gäste anstecken.
Männer und Frauen bleiben unter sich
Wie die Gesundheit soll auch die Seele vom Besuch im Hamam profitieren. Dazu trage unter anderem die seit jeher geltende Geschlechtertrennung bei, sagt Experte Ugur Cilek. Dass sich Männer und Frauen im Hamam in der Regel nicht gemeinsam waschen, fördere das Wohlbefinden. „So kann man sich selbstbewusst und frei bewegen und ganz man selbst sein“, sagt Cilek.
Einige Hamams stehen ausschließlich Frauen oder Männern offen. Manche Einrichtungen bieten im Wechsel Öffnungszeiten für beide Geschlechter an, manchmal auch einzelne Tage, an denen Frauen und Männer gemeinsam Zutritt haben. Bei Männern führt statt der Natir traditionell ein männlicher Hamam-Meister, ein sogenannter Tellak, die Wasch- und Badezeremonien durch.
Tipp: Erkundigen Sie sich im Voraus nach den Regeln im Hamam Ihrer Wahl. Informationen dazu finden Sie oft auf den Internetseiten der Einrichtungen.
Ganz entspannt im Pestemal

Umbinden. Pestemal heißt das bunte Tuch. Wer will, trägt es im Hamam um Hüfte oder Oberkörper.
Im Hamam darf der Gast zwar grundsätzlich selbst entscheiden, ob er unbekleidet sein oder Scham- und Brustbereich bedecken möchte. Traditionell werde jedoch ein großes kariertes Baumwolltuch, ein sogenanntes Pestemal, wenigstens um die Hüfte getragen, erzählt Ugur Cilek. „Nur wer sich körperlich wohlfühlt, findet schließlich auch seelische Entspannung“, sagt Hamam-Experte Cilek. „Nicht jeder setzt sich in einer fremden Umgebung gern unbekleidet hin. Das ist auch eine Frage des persönlichen Hygieneempfindens. “
Tipp: Tücher zum Umwickeln können Sie im Hamam oft kaufen oder ausleihen. Fragen Sie bei der Anmeldung danach. Wenn Sie lieber eine Bikini- oder Badehose tragen möchten, wird auch das meist akzeptiert – anders als in der Sauna, wo Sie Badebekleidung in der Regel ausziehen müssen.
Kein Ort der Stille
Ein Ort der Stille ist ein Hamam nicht. Schon immer galten die Dampfbäder als soziale Begegnungsstätten. „Muslimische Frauen nutzten das Hamam früher zur Körperpflege, aber auch zum Singen und Feiern“, erzählt Ugur Cilek vom Deutschen Sauna-Bund. Händler und Kaufleute kamen in den Bädern zusammen und machten Geschäfte. „Dabei gilt eigentlich die Regel, dass man im Hamam über Geld, Leid und Religion nicht spricht.“
Tipp: Auch heute noch gehen Freunde und Verwandte gern zusammen ins Hamam. Reden und lachen ist in der Regel erlaubt. Hamam-Experte Ugur Cilek empfiehlt dennoch, Rücksicht zu nehmen. Andere Gäste, die Entspannung suchen, könnten sich von allzu lauten Gesprächen gestört fühlen.
Ausreichend Zeit einplanen

Schöpfen. Ausder Hamam-Schale fließt das Wasser über den Körper.
Ein Besuch im Hamam braucht Zeit. Bevor die Natir oder der Tellak mit Peeling und Seifenschaummassage beginnt, schöpft sich der Gast selbst warmes Wasser über den Körper. Das Wasser fließt in große Marmorbecken an den Wänden. Zum Schöpfen stehen Schalen aus Metall bereit. Guss für Guss öffnen sich die Poren. Die Haut wird weich, sie ist bereit für die Behandlung mit Peelinghandschuh und Seife.
Herzstück des Hamams ist der Nabelstein, der Göbek tasi: Das von unten beheizte Steinpodest lädt ein zum Liegen, Verweilen und Entspannen. So wärmt der Körper noch einmal richtig durch.
Tipp: Zwei bis drei Stunden Zeit sollten Sie für einen Besuch im Hamam einplanen. So bleibt genug Zeit, um sich anschließend abzukühlen und den Kreislauf langsam wieder in Schwung zu bringen. Packen Sie mehrere große Handtücher oder auch einen Bademantel ein. Dann können Sie sich in den Ruheräumen ausruhen ohne zu frieren. Nehmen Sie auch Badeschuhe mit: Wenn Sie zwischen Umkleide-, Ruheräumen und Dampfbad umherlaufen, schützen die Schuhe vor Keimen und vor dem Ausrutschen auf nassem Boden.
Hygiene steht an erster Stelle
So spannend und erholsam es auch ist, in eine fremde Badekultur abzutauchen – wo Wasser, Wärme und fremde Menschen aufeinandertreffen, spielt Hygiene die wichtigste Rolle. „Ein gut geführtes Hamam erkennt man an der Sauberkeit“, sagt Dr. Stefan Kannewischer vom Deutschen Wellness Verband. Ein muffiger Geruch oder schmutziger Fußboden sei kein gutes Zeichen. „Hinweise, ob es sich um eine ansprechende Einrichtung handelt, kann außerdem schon der Internetauftritt geben“, erklärt Kannewischer. „Einrichtungen, die etwas zu bieten haben, treten meist mit einer professionellen Homepage auf.“ Dort müsse etwa erklärt werden, was die Gäste im Hamam erwartet. „Der traditionelle Ablauf sollte vollständig dargestellt sein.“ Fotos sollten zudem einen Eindruck von den Räumlichkeiten vermitteln und nicht nur glückliche Menschen zeigen, sagt der Experte für Bäder und Thermen.
Mit einem Gespräch, in dem alle Fragen des Gastes beantwortet werden, sollte der Besuch beginnen, sagt Ugur Cilek. „In einem guten Hamam steht der Gast im Mittelpunkt. Er muss sich wohlfühlen.“
Dieses Ziel zu erreichen, ist gar nicht so schwer: Im Seifenschaum vergehen die Sorgen doch eigentlich von ganz allein.
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ist gerade am Anfang ist prima. Da tut das richtige Schwitzen richtig gut. Am besten aber natürlich in der Privatsauna, z.B. auch in einer kleinen Infrarot-Sauna.
Was da oben steht, kann ich aus eigener Erfahrung überhaupt nicht bestätigen!
Ich persönlich habe diesbezüglich nur gute Erfahrungen damit gemacht und konnte gerade beginnende Erkltungen damit abblocken bzw. abkürzen, allerdings habe ich danach nie ganz kalt geduscht, sondern eher warm-lau.
Es geht nämlich in erster Linie um das Schwitzen und nicht um Abhärtung. Und Schwitzen ist ein uraltes Hausmittel bei Erkältung. Viel Wasser trinken ist auch wichtig dabei.
Gifte werden ausgeleitet und die Vermehrung von Bazillen durch die Erhöhung der Körpertemperatur eher gehindert - wie eben auch bei Fieber, was ja eben genau diesen Zweck verfolgt und auch keine Belastung des Immunsystems darstellt, sondern dieses entlasten soll.
Wichtig ist allemal aber auch viel Ruhe, das geht am besten auch zu Hause!