
Haushaltshilfen aus Osteuropa dürfen ab dem 1. Mai uneingeschränkt in Deutschland arbeiten. Doch ihre Hilfe bleibt teuer.
Sie, 92 Jahre, leidet unter Demenz. Er, 93 Jahre, kann alleine nicht mehr auf sie aufpassen. Nun lebt Rosa, 47 Jahre, mit im Haus. Die Witwe aus Ungarn putzt, kocht, wäscht für das betagte Paar. Sie führt die beiden durch das Haus oder fährt sie zum Arzt.
Das Arbeitsverhältnis hat die Tochter des Ehepaars organisiert. Sie lebt eine Autostunde entfernt im Rheinland.
Die deutsche Familie zahlt etwa 1 700 Euro für Rosa, inklusive Lohnsteuer und Sozialabgaben. Rosa hat ein eigenes Zimmer und bekommt Essen. Wenn sie im Urlaub nach Ungarn fährt, zahlt die Familie die Reisekosten.
Die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) der Bundesagentur für Arbeit hat Rosa vermittelt. Im März 2010 schlug die Behörde der Familie sieben Frauen vor. Eine war Rosa, sie hatte schon als Haushaltshilfe gearbeitet. Am Telefon verstand sie sich gut mit der Tochter des Paares. Zwei Tage später kam sie mit dem Bus in Köln an.
Die Tochter hatte sich an die ZAV gewandt. Dann prüfte die örtliche Arbeitsagentur, ob nicht auf dem deutschen Arbeitsmarkt eine Haushaltshilfe zu finden ist. Erst danach stimmte die ZAV einer Vermittlung zu. Fünf Wochen nach dem ersten Anruf der Tochter war Rosa da.
Ab dem 1. Mai ist dieses Verfahren überflüssig. Jede Familie kann dann eine Haushaltshilfe aus einem anderen Staat der Europäischen Union (EU) einstellen, mit oder ohne Vermittlung durch die ZAV.
Die „Arbeitnehmerfreizügigkeit“ gilt nun auch für Bürger der Staaten, die im Mai 2004 der EU beitraten: Polen, Tschechien, Ungarn, Slowakei, Slowenien, Estland, Lettland und Litauen. Die ärmeren EU-Staaten Rumänien und Bulgarien bleiben voraussichtlich bis zum 31. Dezember 2013 außen vor. Wer eine Haushaltshilfe aus diesen Ländern will, muss sich weiterhin an die ZAV wenden.
Haushaltshilfen aus Staaten außerhalb der Europäischen Union wie Weißrussland oder Ukraine dürfen nach wie vor nicht in Deutschland arbeiten.
Legalität hat ihren Preis
Ungefähr 1 500 bis 2 000 Euro, so schätzt die ZAV, muss eine Familie pro Monat für eine festeingestellte Haushaltshilfe zahlen. Andernfalls wäre kaum jemand bereit, bei einem pflegebedürftigen Mensch einzuziehen und zu arbeiten.
Mit der Haushaltshilfe allein ist die Versorgung nicht komplett. Für die medizinische Versorgung muss oft noch ein Pflegedienst ran. Auch wenn die Haushaltshilfe im Ausland medizinisch ausgebildet wurde, erkennt die Kranken- und Pflegekasse das nicht an. So hat die Tochter des Seniorenpaares Rosa nicht alle Aufgaben überlassen. Täglich kommt ein Pflegedienst und wechselt die Kompressionsstrümpfe des Vaters.
Und damit auch die Sozialversicherungsbeiträge und die Lohnsteuer fließen, hat die Tochter obendrein einen Steuerberater beauftragt.
Haushaltshilfe, Pflegedienst und Steuerberater – der Aufwand sei es wert, sagt die Tochter. „Ich wollte sichergehen, dass alles in Ordnung ist“, betont sie.
Schwarzarbeit weit verbreitet
Wie viele Haushaltshilfen alte und pflegebedürftige Menschen in Deutschland zuhause unterstützen, kann niemand sicher sagen. Branchenkenner sind sich einig, dass es etliche zehntausend sein müssen, fast ausschließlich Frauen und meistens aus Osteuropa, vor allem aus Polen.
Die wenigsten dieser Helferinnen sind bisher fest angestellt. Rund 1 900 Kräfte vermittelte die ZAV im vergangenen Jahr. Sehr viel mehr Frauen arbeiten schwarz. Wenn sie sich bei der Arbeit verletzen, sind sie nicht versichert.
Fliegt eine illegale Helferin auf, droht der Familie ein Bußgeld. Es könnte sogar passieren, dass sie Sozialabgaben nachzahlen muss und ein Strafverfahren am Hals hat.
Verboten ist es genauso, die Helferin auf 400-Euro-Basis über einen Minijob zu beschäftigen und den Großteil des Gehalts unter der Hand bar auszuzahlen.
Der Zoll geht auch gegen Haushaltshilfen vor, die in Deutschland als selbstständige Kräfte gemeldet sind. Weil die Helferin bei einem alten Menschen einzieht und ihre Arbeit kaum selbst bestimmen kann, ist sie aus Sicht deutscher Behörden „scheinselbstständig“ – und das ist verboten.
Manchmal kämen Familien trotzdem mit einem blauen Auge davon, sagt Michael Fröschl, Rechtsanwalt in München. „Der Zoll will die Familien nicht kriminalisieren.“
Stattdessen knöpfe sich die Behörde die Vermittler vor. So verhängte das Amtsgericht München ein Bußgeld von über 36 000 Euro gegen einen Vermittler. Die Familien kamen mit einem Bußgeld bis zu 260 Euro davon.
Das Amtsgericht Coburg verurteilte ein Vermittlerehepaar sogar zu Gefängnisstrafen von mehr als zwei Jahren. Der Fall wird nun vor dem Landgericht Coburg verhandelt. Die Familien blieben verschont.
Eine Garantie gibt es dafür freilich nicht. Es kann auch passieren, dass sie viele tausend Euro nachzahlen müssen. Selbst eine Gefängnisstrafe ist möglich.
Familien stehen unter Druck
Viele Haushaltshilfen wären lieber legal beschäftigt, selbst wenn ihr Gehalt dann etwas geringer ausfiele. Das zumindest hat das Institut für angewandte Pflegeforschung (dip) in einer Befragung herausgefunden.
Doch die Familien, die Hilfe brauchen, scheuen sich oft davor, Arbeitgeber zu werden. Viele können sich eine legale Helferin auch gar nicht leisten, selbst wenn diese etwas kürzer tritt.
Die Anbieter in der Pflegebranche bieten keine Alternative. Pflegedienste beschäftigen ihr Personal stundenweise, eine Rundumbetreuung im Haus ist da sehr teuer. Und private Firmen, die im rechtlichen Graubereich arbeiten (siehe „Alternativen zur Festanstellung“), vermitteln keine Helferinnen in eine Festanstellung in Deutschland.
Selbst etablierte Wohlfahrtsverbände zögern, wie sie mit der neuen Freizügigkeit umgehen sollen. Hervorgetan hat sich bisher nur die Caritas: Im Erzbistum Paderborn vermittelt der katholische Verband polnische Helferinnen. Eine Familie stellt sie fest ein und arbeitet dazu bisher noch mit der ZAV zusammen. Weitere Caritasverbände wollen im Mai folgen.
Die Pflegeexpertin Christa Larsen von der Universität in Frankfurt am Main erwartet nicht, dass die neue Freizügigkeit die Lage der alten Menschen in Deutschland verbessert. Denn ab Mai können sich die Haushaltshilfen in ganz anderen Branchen bewerben, etwa in der Gastronomie und im Einzelhandel. „Dann könnte es schwer sein, eine Haushaltshilfe zu finden.“
Über kurz oder lang würden die Helferinnen aus ärmeren Ländern kommen als aus Polen, der Slowakei oder Ungarn. Dann seien vermutlich Rumänien und Bulgarien, Weißrussland und die Ukraine an der Reihe. Für diese Länder gilt die Freizügigkeit nicht. Die Schwarzarbeit, so sagt Larsen, bleibe in der Branche weit verbreitet.