
Angestellt statt ausgeliehen. Viele Arbeiter in Schlachthöfen, hier beim Verpacken von Schweinekeulen zu sehen, haben seit 1. Januar feste Arbeitsverträge. © picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Jan Woitas
Seit 1. Januar 2021 dürfen Schlachtbetriebe in den Bereichen Schlachtung und Zerlegung keine Arbeiter mehr über Werkverträge anheuern. Das schreibt das neue Arbeitsschutzkontrollgesetz vor und will so faire, transparente Arbeitsbedingungen schaffen. Nimmt die Branche das ernst? Was verändert sich für Arbeiter in der Praxis? test.de sprach dazu mit Thomas Bernhard von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten.
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Branche hat neue Regeln umgesetzt
Das Arbeitsschutzkotrollgesetz ist am 1.1. 2021 in Kraft getreten. Wie ernsthaft haben es Ihrer Meinung nach die Schlachtbetriebe umgesetzt?
Im Großen und Ganzen ist der Prozess gut gelaufen. Viele Schlachtbetriebe haben sich schon seit September des Vorjahres darauf vorbereitet. Einige Unternehmer hatten aber bis zuletzt versucht, das Gesetz vor Gericht zu kippen – ohne Erfolg.
Die Branche musste innerhalb kurzer Zeit eine Vielzahl an Arbeitskräften finden und in feste Arbeitsverträge überführen. Wie hat sie das gelöst?
Viele haben die Arbeiter aus den bisherigen Werkverträgen übernommen. Alte Verträge mit den Subunternehmern wurden aufgelöst, neue Verträge mit den Beschäftigten geschlossen.
Gilt das auch für die ganz Großen: Tönnies, Westfleisch, Vion im Schweinefleischsektor, Wiesenhof bei Geflügelfleisch? Was ist da Ihr Stand?
Vion und Westfleisch haben die Beschäftigten aus den vormaligen Subunternehmen übernommen und betrieben intensiv die Integration in die Belegschaften. Bei Tönnies gibt es offenbar sowohl klassische Übernahmen als auch Neueinstellungen ohne Anerkennung der Vorbeschäftigungszeiten. In der Geflügelwirtschaft scheint es überwiegend Neueinstellungen zu geben.
Geringerer Nettolohn sorgt für Frust
Als Gewerkschaftsvertreter sind Sie mit den Maßnahmen zufrieden?
Wir halten das Gesetz für sehr hilfreich. Ob das Ziel vollständig erreicht werden kann, ist aber noch unklar. Es bleibt die eine oder andere Unwägbarkeit. So haben wir zum Beispiel bis jetzt noch keine aktuellen Lohnabrechnungen gesehen.
Welche Probleme gibt es mit den Löhnen?
Wir haben Hinweise auf fragwürdige Praktiken wie die Nettolohn-Optimierung. Hintergrund ist, dass die Arbeiter, die nun fest angestellt sind, den gleichen Bruttolohn wie vorher erhalten, nur dass dieser jetzt voll versteuert wird. Knapp die Hälfte der in den Schlachtbetrieben Beschäftigten arbeitet auf Mindestlohnbasis. Auch die geleistete Stundenzahl hat sich deutlich reduziert, da die Arbeitszeiten elektronisch erfasst und kontrolliert werden. Kurzum: Die Arbeiter haben weniger Geld in der Tasche als vorher. Das sorgt für Frust. Bei Vion kam es in Betrieben in Süddeutschland schon zum Streik.
Was wird jetzt aus der Branche der Subunternehmer? Löst sie sich auf?
Zurzeit sind sie noch in der Rekrutierung und der Wohnungsbeschaffung tätig. Sie selbst sagen, sie machen das übergangsweise. Wie es langfristig mit den Subunternehmern weitergeht, ist also unklar.

Thomas Bernhard ist Referatsleiter Fleischwirtschaft bei der Gewerkschaft Nahrung-Genuss- Gaststätten (NGG). © Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG)
Erstarktes Selbstbewusstsein
Das neue Gesetz definiert auch Mindestanforderungen für Gemeinschaftsunterkünfte. Mussten die Schlachtbetriebe deshalb nachbessern?
Es galten schon ab Mai 2020 neue Arbeitsschutz-Vorschriften, die etwa besagen, dass nicht mehr als zwei Leute in einem Zimmer wohnen dürfen. Auch sind Gemeinschaftsunterkünfte demnach als Arbeitsstätte anzusehen. Das eigentliche Problem besteht aber nach wie vor: Es gibt nicht genug Wohnraum für so viele Menschen.
Was hat das Arbeitsschutzkontrollgesetz noch bewirkt?
Die ausländischen Kollegen haben in Teilen an Selbstbewusstsein gewonnen. Auch wenn es nach wie vor oft Probleme mit der Kommunikation gibt, weil die Vorarbeiter in der Schicht für sie übersetzen müssen. Aber sie wissen, dass sie mehr denn je gebraucht werden. Wegen des Coronavirus kommen weniger Menschen aus Ländern wie Rumänien, Bulgarien, Polen als bisher nach Deutschland.
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@StiWa: Grundsätzlich ist Ihre Argumentation nachvollziehbar. Allerdings steht für jedes (Marken-)Produkt der Hersteller. Ich habe eher den Eindruck, dass das Ergebnis ganz wesentlich vom Einzelhändler und seinen Lieferketten abhängt. Der individuelle Händler wird aber nicht genannt (nur pauschal Rewe, Lidl, Aldi etc.). Insofern ist "schwankende Qualität" auch nicht dem Hersteller anzulasten, sondern es findet sich eine schwankende Qualität der Händler bzw. Filialen.
@dekabenz,@Herty: Dass unsere Tests Stichprobencharakter haben, streiten wir nicht ab. Eine kontinuierliche Qualitätskontrolle über einen längeren Zeitraum sehen wir jedoch als Aufgabe der Hersteller und Händler. Dies können wir mit unseren Tests nicht leisten. Vor vielen Jahren hatten wir bei einzelnen Tests tatsächlich Produkte ein zweites Mal eingekauft und getestet. Dabei bekamen wir zum Teil ganz unterschiedliche Ergebnisse. Damals hatten wir dann auf die Vergabe eines test-Qualitätsurteils verzichtet und das Urteil lediglich "schwankende Qualität" genannt, was allerdings auch niemanden wirklich zufrieden gestellt hatte. Deshalb kaufen wir inzwischen grundsätzlich bei Lebensmitteln Produkte mit jeweils einheitlichem Mindesthaltbarkeits- (oder Verbrauchs-)datum ein, nennen dieses in unserer Veröffentlichung und sorgen auch dafür, dass es in der Werbung mit Testergebnissen jeweils mitgenannt wird. Die Chancen sind hierbei für alle Produkte gleich, da vorher nicht bekannt ist, was und wo wir einkaufen. Soweit es in unserer Macht steht, achten wir beim Einkauf darauf, dass die Ware ordnungsgemäß gekühlt ist und wir transportieren sie auch gekühlt weiter. Im Vergleich zu dem, was die Verbraucherinnen und Verbraucher im Durchschnitt im Handel einkaufen, nach Hause transportieren und dort bis zum Verzehr zwischenlagern, ist zu erwarten, dass unsere Ergebnisse tendenziell eher ein wenig zu positiv ausfallen. (sw/bp)
Ich habe letzte Woche bei meinem Bio-Supermarkt die besagten Hähnchenschenkel gekauft und gegessen. Sie waren durchaus verzehrfähig. Den Test habe ich allerdings erst danach gelesen. Ich habe ausführlich mit dem Chef des Ladens gesprochen. Er meinte, da sei wahrscheinlich irgendwo die Kühlkette unterbrochen gewesen. In seinem Laden sei jedenfalls alles (seit Jahrzehnten) in Ordnung. @StiWa: Wurde denn der gleiche Artikel nochmal in einem anderen Geschäft gekauft? Speziell in so einem extremen Fall sollte das gemacht werden, um nicht durch einen einzelnen Ausreißer einen Hersteller in Misskredit zu bringen.
Ihr Argument ist lächerlich. Dann dürfte die Stiftung Warentest keine Lebensmittel mehr testen oder am besten gar nichts mehr. Kein Hersteller weiß wann ein Test kommt. Wenn also z.B. Rewe Bio eine gute Qualitätskontrolle hat, dann schneiden die gut im Test ab, egal wann der Test kommt...
Hallo Stiftung Warentest, ich kaufe regelmäßig die Schenkel von den Freiland Puten. Ich hatte noch nie Probleme. Wo die Kühlkette unterbrochen wurde, kann man schwer nachvollziehen. Haben Sie denn das Produkt noch mal bei einem anderen Händler gekauft und getestet? Wenn nein, finde ich eine derartige Bewertung total unfair und nicht im Verbraucherinteresse, da nicht neutral. Viele Grüße