Plötzlich war er dichter, der vormals so schüttere Schopf von Fußballtrainer Jürgen Klopp. Das Geheimnis der wundersamen Haarvermehrung: Transplantation. „Ein komplexer Eingriff, der Know-how und logistisches Können erfordert“, sagt Frank G. Neidel, Facharzt für Chirurgie und Präsident des Verbands Deutscher Haarchirurgen (VDHC). Er erklärt, wie eine Haarverpflanzung abläuft, welche Risiken sie birgt und was von Billigangeboten im Ausland zu halten ist.
Selbst bei Bart und Augenbrauen wird transplantiert
Ist eine Haarverpflanzung für jeden, dem eine Glatze droht, empfehlenswert?
Sie ist dann sinnvoll, wenn Betroffene sich mit kahlen Stellen auf dem Oberkopf, am Haaransatz oder im Bereich der sogenannten Geheimratsecken nicht abfinden möchten und sich wieder mehr Haar wünschen. Haarwurzeln können auch in vernarbte Kopfhaut verpflanzt werden – zum Beispiel nach Operationen, Verletzungen oder infolge chronischer, nicht heilbarer Hauterkrankungen. In den vergangenen Jahren haben außerdem Haartransplantationen aus ästhetischen Gründen zugenommen, beispielsweise im Bartbereich oder für Augenbrauen.
In welchen Fällen würden Sie abraten?
Etwa bei Erkrankungen der Haut oder der Haarwurzeln, weil der Haarwuchs nach der Heilung wieder neu einsetzt. Das gilt meistens auch nach Bestrahlungen oder einer Chemotherapie. Da ist eine Transplantation häufig nicht nötig.
Nicht in jedem Fall ist eine Haarverpflanzung ratsam
Kann sich jeder Kahlkopf Haare transplantieren lassen?
Voraussetzung ist, dass noch genügend funktionierende Follikel samt Haarwurzeln vorhanden sind. Sie finden sich beispielsweise im seitlichen und hinteren Haarkranz. Weil dieser Bereich zur Körperbehaarung gerechnet wird, bilden sie dort lebenslang Haare. Prinzipiell lassen sich Haarwurzeln aus solch einer Spenderfläche in jede Körperregion transplantieren, in der man eine dichtere Behaarung wünscht. Misst die Spenderfläche aber weniger als 25 bis 20 Prozent im Vergleich zu einer sehr großen kahlen Fläche, wird das Resultat einer Haartransplantation sehr dünn und spärlich ausfallen, und ich würde eher davon abraten.
Ihr Verband hat Leitlinien nicht nur für den genauen Ablauf einer Transplantation entwickelt, sondern auch für Beratung, Vorbereitung und Nachsorge. Warum diese akribische Planung?
Es geht um schlüssige Behandlungskonzepte, die den Patienten womöglich über Jahre begleiten. Wichtig ist beispielsweise die Beratung, die der behandelnde Arzt unbedingt selbst durchführen sollte. Er kann Risiken am besten abschätzen und darüber aufklären. Und auch zukunftsorientiert planen, denn der Haarausfall geht ja eventuell weiter. Mögliche Folgebehandlungen sollten also mit einkalkuliert werden. Außerdem muss der Arzt prüfen, ob bestimmte bestehende Erkrankungen des Patienten zu Komplikationen führen können. Zum Beispiel ein Herzinfarkt, schwere Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Durchblutungsstörungen, schwere Organleiden, Infektionskrankheiten. Im Zweifelsfall wird er die Operation ablehnen.
Mikroskope helfen bei der Operation
Wie läuft eine Haarverpflanzung genau ab? Sie dauert ja mehrere Stunden.
Der Chirurg entnimmt lebende Haarstammzellen – das sind die Haarwurzeln. Sie müssen nach sechs bis acht Stunden wieder im Körper mit Blut und Nährstoffen versorgt werden, also eingepflanzt sein. Deshalb sollten Haartransplantationen nur von Spezialisten mit einem entsprechend trainiertem Team durchgeführt werden. Wichtig für die moderne Haartransplantation sind Mikroskope, um die Haarwurzeln verletzungsfrei, beziehungsweise verletzungsarm präparieren zu können. Sie brauchen auch genügend Mitarbeiter, die darin geübt sind. Einige wenige Spezialisten nutzen bereits Operationsroboter.
Auf was müssen sich Transplantations-Patienten nach der OP einstellen?
Viele denken sicher als erstes an eine Infektion der Kopfhaut. Wurde die Haarverpflanzung ordnungsgemäß durchgeführt, ist das Risiko dafür aber erstaunlicherweise extrem gering und liegt unter 0,1 Prozent. Eher treten für etwa fünf bis zehn Tage nach der OP Schwellungen, Verkrustungen und Rötungen auf. Auch ein vorübergehendes Taubheitsgefühl dort, wo verpflanzt wurde, ist nicht selten. Das geht aber wieder vorüber.
Talgdrüse schützt die Haut
Ist Kunsthaar eine Alternative für Menschen, die nicht genügend eigene Haare zur Verpflanzung haben?
Nein, denn selbst das körperfreundlichste Material, das vielleicht an anderer Stelle für Brustimplantate oder für Nahtmaterial in der Gefäß- und Herzchirurgie gut ist, kann als Kunsthaar groß- und kleinflächige chronische Entzündungen auf der Kopfhaut verursachen. Der Grund: Eine natürliche Haarwurzel besitzt eine schützende Talgdrüse, der Talg dichtet den Haarschaft zur Hautoberfläche hin ab. Kunsthaar hat solche Drüsen nicht, deshalb können Pilze, Bakterien und Viren daran ungehindert in die Tiefe der Haut vordringen. Durch Föhnen, Kämmen und ständige Beanspruchung fallen zudem meist 10 bis 20 Prozent der Kunsthaare innerhalb eines Jahres wieder aus oder brechen ab. Man müsste also ständig nachimplantieren.
Könnte das Klonen von Haaren eine Lösung sein?
Im Labor klappt das schon ganz gut. In der Realität fallen die Haare aber nach einiger Zeit wieder aus, weil sie nicht widerstandsfähig genug sind. Seit 25 Jahren wird im Jahresrhythmus immer wieder von Erfolgen berichtet, leider ohne Auswirkung auf die tägliche ärztliche Praxis. Der Schlüssel zum Erfolg für dauerhaftes Kopfhaar ohne Haarausfall liegt sicher in der Gen-Manipulation. Vielleicht überlegen werdende Eltern schon in naher Zukunft, ob sie die Haarausfall-Gene im kindlichen – vielleicht sogar noch ungeborenen Organismus – verändern lassen wollen, falls es in der mütterlichen Linie Männer mit Haarausfall gibt.
Achtung, Scharlatane!
Eine Transplantation kostet hierzulande abhängig von der Zahl der verpflanzten Haare zwischen 2 500 und mehr als 10 000 Euro. Im Internet werben ausländische Institute mit erheblich billigeren Preisen. Ein Schnäppchen?
Haartransplantationstourismus ist ein gefährliches Unterfangen. Den behandelnden Mediziner – wenn er überhaupt ein qualifizierter Facharzt ist – lernt man meist erst kurz vor der Operation kennen. Natürlich gibt es auch im Ausland absolut seriös arbeitende Kollegen, und auch bei uns ist man vor Scharlatanerie nicht immer geschützt. Aber in Deutschland kann man sich bei der Ärztekammer über den behandelnden Arzt erkundigen und bei möglichen Problemen an die Schlichtungsstelle der Kammer wenden oder einen Anwalt bemühen.
Wie sieht das woanders aus?
Das alles entfällt im Ausland. Oft werden Patienten mit Lockangeboten, Billigpreisen und großen Haarmengen geködert. Der Patient ist in der misslichen Situation, dass er die angeblich transplantierten Haare nicht nachzählen kann. Auch die Nachsorge kann sich problematisch gestalten. Treten Probleme auf, müsste man die Reise wiederholen, was natürlich auch Kosten verursacht. Hygienische Standards können im Ausland vom deutschen Standard abweichen. Es geht hier in vielen Fällen nur um den schnellen Umsatz.
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- In Deutschland laufen mehrere Gerichtsprozesse von Männern, die Haarwuchsmittel mit dem Wirkstoff Finasterid genommen haben. Sie fordern Schadenersatz wegen...
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- Rezeptfreie Schlafmittel können helfen, wenn das Ein- und Durchschlafen schwerfällt. Die Stiftung Warentest hat bewertet, welche geeignet sind.
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- Bekommen Frauen in den Wechseljahren Probleme wie trockene Scheide, verordnen Gynäkologen oft Vaginalcremes mit hochdosiertem Estradiol (siehe auch unsere Meldung...
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@Matthiss: Vielen Dank für Ihren Hinweis. Gerne leiten wir ihn an die zuständige Fachabteilung weiter.
Mittlerweile gibt es auch immer mehr "neue" Stoffe, die gegen Haarausfall helfen sollen. Mich würde interessieren, ob Redensyl wirklich hilft
Seit einem halben Jahr verwende ich gegen meinen erblich bedingten Haarausfall täglich einmal Trioxidil und Minoxidil. Das Trioxidil lässt man als Shampoo (nach dem Auftragen auf die Tonsur) einige Minuten einwirken und spült es dann wieder aus. Danach trägt man den Conditioner ebenfalls auf, lässt ihn einwirken und spült ihn ebenfalls wieder aus. Im Lauf des Tages trägt man das Minoxidil auf (ich mache das abends). Das Minoxidil zieht ein und braucht nicht ausgespült zu werden.
Vor der Behandlung war die komplette Tonsur kahl. Die beschriebene Behandlung hat nach einem halben Jahr die Glatze deutlich schmaler werden lassen. Und inzwischen wächst sogar auf der Mitte der Tonsur schon wieder Flaum. Ich denke, spätestens in einem Jahr wird das Haar wieder überall voll sein.
Die Behandlung muss allerdings grundsätzlich permanent fortgeführt werden, dass sollte jedem klar sein.
Beste Grüße
ahg128
Zur Zeit gibt es ja immer mehr Studien zu anlagebedingtem Haarausfall. Könntet ihr da vielleicht die Augen offen halten was demnächst noch passiert und nächstes Jahr z.B. auch Abwandlungen von Minoxidil testen (Foligain Trioxidil, Nanoxidil)?
Auch was Finasterid/Dutasterid für Frauen angeht.
http://www.ijdvl.com/text.asp?2014/80/6/521/144162
https://doi.org/10.1111/jocd.12225
https://doi.org/10.1002/lsm.22684
https://doi.org/10.1111/dth.12588
Gibt noch viele weitere Publikationen...Wenn Ihr da auf dem neuesten Stand bleiben könntet und Informationen rausgeben wär das echt super.
@jbernardy: Sowohl im Artikel als auch in unserer Datenbank „Medikamente im Test“ wird auf die angesprochene Problematik und die Nebenwirkungen von Finasterid hingewiesen. Daher auch die Bewertung "mit Einschränkung geeignet". In der Datenbank gehen wir ausführlich auf die Nebenwirkungen ein. (bp)