Faule Kredite: „Riesiger Belastungsklotz für die Bürger“

Werner Marnette
Der ehemalige Wirtschaftsminister von Schleswig-Holstein, Werner Marnette (CDU), hat frühzeitig auf die Risiken der HSH Nordbank für die Steuerzahler aufmerksam gemacht. Er trat von seinem Amt zurück, weil er mit seinen Warnungen in der Kieler Landesregierung auf taube Ohren stieß. „Der Scheinverkauf der Bank ist Betrug am Bürger“, sagt Marnette im Gespräch mit test.de – und erläutert, warum die Probleme auch nach dem Verkauf der Bank nicht aus der Welt sind.
Bank verkauft, Risiken für Steuerzahler bleiben
Die HSH Nordbank ist verkauft. Ende gut, alles gut?
Nein. Das ist kein Verkauf, sondern ein Scheinverkauf. Die HSH Nordbank ist, betriebswirtschaftlich betrachtet, unverkäuflich. Denn die Bank hat Milliarden Euro an Risiken in ihren Geschäftsbüchern. Deshalb will auch keine andere Bank die HSH Nordbank übernehmen. Die faulen Kredite und anderen Risiken werden sicherlich nicht von den neuen Eigentümern übernommen, sondern bleiben als riesiger Belastungsklotz für die Bürger Hamburgs und Schleswig-Holsteins bestehen. Denn die beiden Bundesländer haften dafür auch nach dem Verkauf.
Wie hoch sind die Belastungen für die Steuerzahler jetzt noch?
Genau kennen wir die Risiken und die damit verbundenen Belastungen für die Steuerzahler immer noch nicht. Sie betragen wahrscheinlich mehr als 20 Milliarden Euro. Mit Sicherheit sind mehr als 13 Milliarden Euro weg. Denn die HSH Nordbank hat sowohl die zehn Milliarden Euro aufgebraucht, die Hamburg und Schleswig-Holstein als Garantie gewährt haben, als auch die drei Milliarden Euro, die beide Länder 2009 als Kapitalspritze zu Verfügung stellten. Hinzu kommen noch Wertberichtigungen und Pensionsverpflichtungen der HSH Nordbank, für die auch die Steuerzahler gerade stehen. Das sind mit Sicherheit 1,5 Milliarden Euro. Und es gibt weitere Risiken. Die HSH Nordbank ist eine Black Box, denn was sich aus der Schiffsfinanzierung der Bank noch ergeben wird, ist völlig offen. Über das, was noch auf die Steuerzahler zukommt, werden sie weiterhin im Unklaren gelassen. Nicht einmal die Abgeordneten der beiden Landesparlamente kennen die Zahlen. Sie sollen aber im April 2018 dem heute beschlossenen Verkauf zustimmen.
Mehr Verlust als Eigenkapital
Der Bank soll es aber doch wieder besser gehen. Angeblich hat sie im letzten Jahr 300 Millionen Euro Gewinn gemacht.
Das glaube ich nicht. Die HSH Nordbank hat in den letzten Jahren aus eigener Kraft nie Gewinne erzielt. Positive Geschäftszahlen sind immer nur zustande gekommen, weil die Garantien der Länder Hamburg und Schleswig-Holstein bei der Risikovorsorge gegengerechnet werden konnten. Dies wäre keinem normalen deutschen Unternehmen gestattet. Allein bis 2016 hat die Bank einen Verlust von 6,2 Milliarden Euro gemacht. Das heißt: Ihr Verlust ist größer als ihr bilanzielles Eigenkapital. Die Bank war bereits 2015 nicht mehr liquide und hätte abgewickelt werden müssen.
Wäre es besser, die Bank abzuwickeln statt zu verkaufen?
Die Bank hätte schon vor Jahren abgewickelt werden müssen. Was bringt es, eine Milliarde Euro durch den Verkauf der Bank einzunehmen, wenn bei den Steuerzahlern im schlimmsten Fall mehr als 20 Milliarden Euro hängen bleiben? Dieses Geld fehlt für Kindergärten, Schulen, Universitäten und andere wichtige Aufgaben der Länder. Der Scheinverkauf der Bank ist Betrug am Bürger, weil immer noch nicht offengelegt wird, was die Bank ihn letztlich kostet. Die neuen Eigentümer werden die Karten nicht auf den Tisch legen. Ungeheuerlich ist auch, dass allein die für den Verkaufsprozess angeheuerten Berater fast 200 Millionen Euro bekommen.
Sparkassen voll im Risiko
Nicht nur die Steuerzahler, auch die Sparkassen verlieren Geld. Wie konnte das passieren?
Allein die Sparkassen in Schleswig-Holstein haben bisher mehr als 600 Millionen abschreiben müssen. Das hat einzelne Sparkassen in Schleswig-Holstein in große Schwierigkeiten gebracht. Doch die Rolle der Sparkassen ist zweideutig. Sie haben sich beteiligt an den risikoreichen Geschäften der HSH Nordbank – ein Desaster für die Sparkassen. Und weiterhin gibt es Risiken. Denn die HSH Nordbank hängt mit drin im Einlagensicherungssystem der Sparkassen.
Die HSH Nordbank macht attraktive Angebote für Privatanleger. Sie bietet etwa 0,95 Prozent Zinsen für Festgeld, weit mehr als andere Banken.
Diese Konditionen der HSH Nordbank sind ein Skandal. Sie sind nicht marktgerecht. Während andere Banken und Sparkassen sich mühen, um ihren Kunden wenigstens einen geringen Zins für sichere Anlagen zu bieten, kann die HSH Nordbank sie übertreffen. Weil sie von Hamburg und Schleswig-Holstein gestützt wird, kann sie Zinsen bieten, die deutlich über dem Markt liegen. Das ist kein fairer Wettbewerb.
Wie hoch ist das Risiko für die Privatanleger?
Die HSH Nordbank ist in einer schwierigen Situation, wenn nicht sogar am Ende. Die Kunden müssen sich über die Risiken im Klaren sein. Möglicherweise muss am Ende der Einlagensicherungsfonds dafür geradestehen.